Die Kunstszene im Landkreis Forchheim: Keramiker Harald Kramer

10.5.2020, 17:59 Uhr
Die Kunstszene im Landkreis Forchheim: Keramiker Harald Kramer

© Foto: Udo Güldner

  Hätte er sich auf seinen Meistertitel im Handwerk berufen, Harald Kramer hätte seine Töpferei in Forchheim, die er seit 1986 mit seiner Ehefrau Charlotte betreibt, in den vergangenen Wochen wegen der Corona-Krise nicht schließen müssen. Um sich und andere zu schützen, schloss er die Türe dann aber doch zu. "Forchheim war zu diesem Zeitpunkt eine Geisterstadt. Als ob jeder Tag Sonntag gewesen wäre." Freilich kein verkaufsoffener. Ein Ausweichen ins Online-Geschäft kam nach einer Probephase vor vier Jahren nicht mehr in Frage. "Die Verpackung ist einfach zu aufwendig. Und dann geht das Geschirr doch zu Bruch, weil die Pakete herumgeworfen werden."

Die viele freie Zeit nutzte der Ton-Künstler, um die Lücken in den Regalen zu füllen, die das  Weihnachtsgeschäft geschlagen hatte. "Bevor du hohldrehst, machst du einfach weiter." Auch einige Stammkunden hätten Solidaritätskäufe getätigt. "Sie wollten, dass wir beschäftigt sind." Nur der Verzicht auf all die umsatzstarken Kunsthandwerker-Märkte rund um die Kaiserpfalz, in Ahorn bei Coburg, Darmsheim bei Sindelfingen oder Dießen am Ammersee tat und tut weh. Bei letzterem sind immerhin rund 60 000 Besucher auf dem Gelände.

Die Kunstszene im Landkreis Forchheim: Keramiker Harald Kramer

© Foto: Udo Güldner

Hätte er seine Werkstatt und den kleinen Laden nicht im eigenen Haus, es wäre schwer geworden. "So gleiche ich die Verluste damit aus, dass ich bis 70 oder 71 arbeite." Solange der Körper mitmache, werde er an der Töpferscheibe und am Brennofen stehen. Keramiker sei mehr als ein Beruf, es sei eine Lebensform.

Bunte-Laune-Geschirr

Zehn Jahre ist es her, dass Kramer mit seinem "Bunte Laune-Geschirr" einen Nerv getroffen hat. Die Teller, Tassen und Schüsseln verkaufen sich bis heute. "Es gibt immer mehr junge Leute, die Wert auf Langlebigkeit und Formschönheit legen." Der Trend gehe schon lange weg vom Ein-Euro-Teller eines schwedischen Möbelhauses.

Wirtschaftliche Probleme bekämen nur diejenigen, die Personal oder Mieten bezahlen müssten oder die etwas falsch gemacht hätten. "Ich muss doch auch einmal vier Wochen schließen können, ohne pleite zu gehen. Wann soll man sich denn erholen?", findet Kramer.

Einflüsse aus Jütland

Die Zwangspause hat die kreativen Kräfte Kramers entfesselt. Die Ideen haben den Kopf verlassen, sind durch die Hände in das Material aus dem Westerwald geflossen. Eine neue Kollektion namens "Nordland", die im Herbst auftauchen soll, erzählt von seiner Liebe zur dänischen Nordseeküste. In Jütland fand er die Klarheit und Kargheit, die nun das Ess- und Kaffee-Geschirr prägen. Es sind reduzierte Farbtöne, die ihre Herkunft im Grün der Meeresalgen, im Braun des Sandstrandes und im Aubergine der Heidelandschaft haben. Die schwarze Komponente ist keine Reminiszenz an eine Corona-Depression, sondern dem eleganten Design geschuldet. Im Moment befinden sich die Schalen und Schüsseln noch in der Probephase. "Wie liegt es in der Hand? Wie spricht es zu mir?" Ein dutzend Prototypen kommen beim Frühstück oder der Brotzeit zum Einsatz. "Die es nicht ins Regal schaffen, verschenke ich an meine Verwandten."

Mit der Fotokamera unterwegs

Kramer ist aber nicht nur Keramiker. Er ist auch Fotograf, der mit seinen "LichtStuben" Innenansichten alter Bauernhäuser vor Augen geführt hat. In der Serie "NachtZeit" hat er die dunklen Seiten seiner Heimatstadt gezeigt. Zuletzt hatte sein Blick auf das Meer, den Müll und die Melancholie die Gäste des "Offenen Ateliers" begeistert.

Sein neuester Coup ist eine Ausstellung in der Christuskirche, die zu deren 50-jährigem Bestehen das ungewöhnliche Gotteshaus und die unmittelbare Umgebung mit ganz anderen Augen sieht. (Bericht folgt). Nur sein Traum, einmal eine Bilderserie über die Giebel Forchheims zu machen, ist in weite Ferne gerückt.

Mehr über die Eggolsheimer Malerin Michaela Schwarzmann und ihre Erfahrungen in der Krise lesen Sie hier.

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