Dorfläden kehren in den Landkreis Forchheim zurück

14.5.2017, 08:00 Uhr
Dorfläden kehren in den Landkreis Forchheim zurück

© Fotos: Hans von Draminski

70 Stunden, manchmal auch mehr, hat eine Arbeitswoche für Diana Schmalz. Ihr "Dorflädle" managt sie alleine und bietet mit Post, Caféecke, Back- und Wurstwaren sowie weiteren Lebensmitteln den Wiesenthauern ein buntes Warenpotpourri. Während mancher noch schläft, bereitet Schmalz alles für den neuen Tag vor, räumt Regale ein, schiebt einen Kuchen in den Ofen und dreht um 6.30 Uhr den Schlüssel in der Ladentüre um. Fast zwölf Stunden später schließt sie wieder ab. Danach geht die Arbeit weiter. Bestellungen müssen aufgegeben, Einkäufe geplant und die Buchhaltung erledigt werden.

Im Sommer 2013 öffnete Schmalz erstmals ihre Türen und damit den Bürgern nach Jahren wieder die Möglichkeit, sich auch zu Fuß mit dem Wichtigsten versorgen zu können. 2016 zog sie mit ihrem Laden ein paar Meter weiter. In das Gebäude der ehemaligen Volksbank.

Wunsch nach mehr Verständnis

Geändert hat sich am neuen Standort eines: "Die Kundschaft ist jünger geworden", sagt Schmalz. Ansonsten wünsche sie sich manchmal ein wenig mehr Verständnis. Dafür, dass sie nicht bis kurz vor Geschäftsschluss volle Regale anbieten könne. Die Gewinnmarge ist gering. "Jedes übrig gebliebene Brötchen schmerzt."

In Pretzfeld gibt es noch Bäcker und Metzger. Den Einkaufswagen umfangreich füllen, können die Bürger auf kürzestem Weg nur in Kirchenehrenbach oder Ebermannstadt. "Wir können keinen Standort bieten, der für einen Vollsortimenter attraktiv ist", sagt Pretzfelds Bürgermeisterin Rose Stark (SPD/Ökologen). Wo keine Bundesstraße direkt vorbeifährt — so die simple Regel — da kein größerer Supermarkt.

Dieses Problem ist in Weilersbach bekannt. Hatten über Jahrzehnte Edeka und später Rewe ein Geschäft im Ortskern betrieben, war 2013 nach der Geschäftsaufgabe des Tegut-Marktes endgültig Schluss. Nur ein Grundstück direkt neben der Bundesstraße 470 überzeugte Investoren. Voraussichtlich im Herbst öffnet dort Edeka einen Vollsortimenter mit angeschlossenem Café.

Mit Gänsen zum Einkaufen

Ein Blick, ein paar Jahrzehnte zurück, lässt längst vergangene Bilder auferstehen. In nahezu jedem Dorf und Ortsteil war der Tante-Emma-Laden nicht nur Einkaufsort sondern auch sozialer Treffpunkt. So auch in Pretzfeld. In den 50er Jahren teilten dort die Fußgänger die Straße, wie auf einer alten Ansichtskarte zu sehen, mit Gänsen, die vor dem Lebensmittelgeschäft spazieren gingen. Bis in die 1980er Jahre, erinnert sich Hermann Bieger, verkaufte seine Verwandtschaft, die Familie Bieger, den Einwohnern Waren vom Brot bis zur Zigarre. Diese Zeiten sind vorbei, nicht nur in Pretzfeld.

Dorfläden kehren in den Landkreis Forchheim zurück

© Foto: privat

Der Wunsch nach einer fußläufigen Versorgung treibt auch die Menschen in Hallerndorf um. Vor drei Jahren kamen die Bürger zu einer Zukunftswerkstatt zusammen, formulierten Ziele für die kommenden zehn Jahre. Ganz oben auf dem Wunschzettel: Ein Dorfladen. Dieser wurde nun in Stiebarlimbach verwirklicht (wir berichteten).

Bürger lehnen großen Supermarkt ab

"Einen größeren Supermarkt könnten wir sofort realisieren", sagt Bürgermeister Torsten Gunselmann (FW). Das Unternehmen Rewe habe Interesse, doch den Bürgern im Ortsteil Pautzfeld, wo der Markt entstehen soll, ist der Bau zu groß. Ein Nachholbedarf in der Gemeinde bleibt, sagt Gunselmann. Denn: "Wir haben unsere Läden verloren."

Auch Muggendorf drohte dieses Schicksal. Bevor die langjährige Inhaberin ihr Lebensmittelgeschäft altersbedingt schloss, haben sich Bürger zu einer Genossenschaft zusammengetan. Dank der schnellen Reaktion waren die Ladentüren nur für wenige Wochen zu.

Das Umfeld entscheidet

Seit zwei Jahren ist das Modell mit über 100 beteiligten Bürgern erfolgreich. Rund 300.000 Euro Umsatz machte der Dorfladen im jüngst abgeschlossenen Geschäftsjahr, so Aufsichtsratsvorsitzender Dekan Günther Werner. Ein Überschuss von 6.000 Euro blieb übrig.

"Wir haben den Laden schwerpunktmäßig für die älteren Leute gemacht", sagt Werner. Damit sie sich versorgen können, ohne in die nächste Stadt fahren zu müssen. Das nutzen auch Bürger in den umliegenden Gemeinden und Touristen. Wichtig für den Erfolg ist auch das Umfeld eines Dorfladens - das gilt für alle Läden im Landkreis Forchheim. In Muggendorf hat er Apotheke, Metzger, Arzt und Gastronomie zum Nachbarn. Eine Struktur, die sich gegenseitig begünstigt. Darauf verweisen nicht nur die Erfahrungswerte von Werner, sondern durchweg Studien zu diesem Thema. "Nur gemeinsam können wir die Nahversorgungsstruktur erhalten", ist sich Werner sicher.

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Auch in Unterleinleiter machen die Bürger selbst ihren Einkauf im Ort möglich. Der "Laaderer Dorfladen" ist gleichzeitig sozialer Treffpunkt. Leutenbach ist noch auf der Suche nach einem Konzept oder einer mutigen Person, die in die Fußstapfen von Gertrud Heidner tritt. Über Jahrzehnte hat sie mit ihrem Tante-Emma-Laden die gut 1.650 Einwohner versorgt.

Eine wohnortnahe Versorgung schrieb sich Landrat Hermann Ulm (CSU) im Kommunalwahlkampf 2014 auf seine Fahnen. Um wieder Leben in die Dorfzentren zu bringen, plädierte er dafür, sowohl Gewerbe- als auch Wohnbaugebiete am Ortsrand zu begrenzen. Sein Mantra: Fußläufige Erreichbarkeit möglichst vieler Infrastruktureinrichtungen im Kern. Dann könne ein Ort auch überleben. Im Rahmen des Programms der "Integrierten Ländlichen Entwicklung Fränkische Schweiz Aktiv" haben sich hierzu mehrere Landkreisgemeinden zusammengeschlossen.

In Wiesenthau lastet diese Aufgabe auf den Schultern von Diana Schmalz. Mit ihrem Laden will sie dem Dorf helfen. Bei den Kindern ist sie als "Frau Dorflädchen" bekannt. Über die Zukunft des Lädchen entscheiden auch die Bürger des Ortes mit ihrem Einkauf. "Zugezogene tun sich eher leichter zu mir zu kommen, als Einheimische."

Dort gibt es nicht nur Brot und Wurst, sondern auch Zeit und Raum für ein Gespräch.

Die Nordbayerischen Nachrichten Forchheim haben sich auf Facebook unter den Kunden des „Dorflädle“ umgehört. Was macht einen Laden vor Ort aus? Einige Stimmen:

„Kinder lernen, wie früher aufzuwachsen.“
„Bei der Tasse Kaffee ist der Plausch mit inbegriffen. Das ist viel persönlicher als in der Stadt.“
„Manchmal weiß die Besitzerin schon, was ich will.“
„Es gibt regionale Produkte, die ich so in keinem Supermarkt finde“.
„Gerade die kleinen heimischen Geschäfte müssen unterstützt werden."

 

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