Drei Jahre Gefängnis nach Steinkrug-Attacke auf dem Annafest

17.4.2020, 18:21 Uhr
Drei Jahre Gefängnis nach Steinkrug-Attacke auf dem Annafest

© Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

"Sie wussten, dass Sie unter Alkohol zu Gewalttaten neigen. Trotzdem haben Sie sich so zulaufen lassen, bis Sie zweieinhalb Promille hatten und dann mit dem Krug zugeschlagen." Es sind deutliche Worte, die Staatsanwalt Johannes Bartsch an Silvio L. richtet. Einen versuchten Totschlag, wie vom Anklagevertreter angenommen, konnte das fünfköpfige Schwurgericht aber nicht mit letzter Sicherheit feststellen.

Wie im Film

So hätte keiner der Zeugen einen weiteren Angriff Silvio Ls. gesehen. Denn auch nachdem der Steinkrug zu Bruch gegangen sei, hätte er bei einem Tötungsvorsatz noch mit Fäusten einschlagen oder Füßen zutreten können. Oder mit den Scherben in seiner Hand schlimme Schnittverletzungen zufügen können. "Stattdessen hat er sich in Filmmanier hingekniet und festnehmen lassen." Auch ein nachvollziehbares Motiv für den versuchten Totschlag sei nicht in Sicht. Man habe sich nur über Erziehungsfragen gestritten, dann sei das Verbale ins Handgreifliche abgeglitten. "Wir können nicht in den Kopf des Angeklagten schauen." Und eindeutige Drohungen wie "Ich schlage Dich tot!" fielen nicht. Die Gefährlichkeit seiner Tat alleine reiche nicht, um einen versuchten Totschlag anzunehmen. Das hat der Bundesgerichtshof höchstrichterlich so festgelegt. 

Die gefährliche Körperverletzung aber war eindeutig zu beweisen. Hatte L. doch nicht nur ein gefährliches Werkzeug benutzt. "Ein Maßkrug dient zum Trinken und nicht zum Schlagen," so der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt. L. hatte auch eine das Leben gefährdende Behandlung an seinem Gegenüber vorgenommen. Schläge solcher Wucht gegen den Kopf drohten stets lebensbedrohlich zu werden, wie der rechtsmedizinische Gutachter Prof. Dr. Stephan Seidl von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärt hatte. Zum Glück hatte L. eine Schädelregion getroffen, die durch dickere Knochen weniger anfällig ist. "Hätte der Schlag das Schläfenbein oder über dem Ohr getroffen, hätte es ganz anders ausgesehen."

Opfer ist mit Täter freiwillig in den Wald gegangen

Dass es nicht eine noch höhere Strafe wurde, lag auch daran, dass das Opfer der Maßkrug-Attacke mit L. freiwillig in den Wald gegangen war – nach gegenseitigen Provokationen. "Er hat sich auf die Sache eingelassen." Auch wenn er nicht mit einem solchen Angriff habe rechnen können. "Wenn man Bier nicht verträgt, sollte man keines trinken und nicht aufs Annafest gehen."

Zudem gab es einen Täter-Opfer-Ausgleich, der angesichts der finanziellen Misere Ls. aber wohl keine weiteren baren Folgen haben wird. Durch Gelegenheitsjobs auf Baustellen und im Handwerk hatte das Einkommen nicht gereicht, seiner dreijährigen Tochter auch nur einen Cent Unterhalt zu zahlen. Auch lastet ein Schuldenhügel von rund 10 000 Euro auf ihm. Zumal er nun einige Zeit keine Einnahmen mehr erzielen wird können und sich noch weitere finanzielle Löcher auftun werden. Etwa durch den Krankenhausaufenthalt und den Lohnausfall, den die Krankenkasse und der Arbeitgeber des Opfers von L. wohl werden wiederhaben wollen.

Angeklagter sieht kein Alkoholproblem

Am Ende kann sich jeder einen Erfolg auf die Fahnen schreiben. Rechtsanwalt Jahn-Rüdiger Albert aus Nürnberg konnte den Vorwurf des versuchten Totschlages von seinem Mandanten abwenden. Staatsanwalt Bartsch hingegen erreichte eine Strafhöhe, die seinen dreieinhalb Jahren deutlich näher war, als die zweijährige Bewährungsstrafe, die der Verteidiger gefordert hatte. Nur antreten wird L. die Haftstrafe erst einmal nicht müssen. Für bis zu zwei Jahre wird er in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht. Dort soll er sein Alkohol-Problem angehen. Das hatte der psychiatrische Sachverständige vorgeschlagen.

Der Leiter des Bezirkskrankenhauses von Unterfranken im Schloss Werneck hatte seine liebe Mühe mit L. Der hatte seine Trinkgewohnheiten mehrfach bagatellisiert, kein Alkohol-Problem bei sich gesehen. Weshalb das Schwurgericht eine "schwankende Bereitschaft" feststellte, sich auf eine dringend notwendige Behandlung einzulassen. Damit in Zukunft keine weiteren schweren Straftaten gegen Leib und Leben vom Angeklagten ausgehen. Angeblich trank Silvio L. nur Bier, obwohl Zeugen auch aussagten, er werde aggressiv, wenn er Schnaps tränke. Am Nachmittag und Abend der Tat habe er nur vier Maß Festbier getrunken, so L. Die 2,5 Promille Alkohol im Blut hatte ihm aber keiner der Zeugen angesehen. Weder hatte er Schwierigkeiten beim Sprechen, noch beim Gehen und außer den Gedächtnislücken keine Ausfallerscheinungen. Immerhin hatte er noch im Polizeifahrzeug die Geistesgegenwart, seinen Rechtsanwalt sprechen zu wollen.

Wenn alles gutgeht, dann kommt Silvio L. nach der Therapie wieder auf freien Fuß, weil ihm diese die fast neun Monate Untersuchungshaft noch angerechnet werden. Zuletzt gab es mahnende Worte des Richters: "Zeigen Sie den Willen und das Durchhaltevermögen. Ausreichend Hirn haben Sie ja. Stehen Sie die Therapie durch. Damit wir uns hier nicht mehr wiedersehen."