Ebermannstadt: Ehepaar Franze hebt heimatkundlichen Schatz

16.11.2020, 17:12 Uhr
Ebermannstadt: Ehepaar Franze hebt heimatkundlichen Schatz

© Foto: Udo Güldner

Rückblende: Vor vier Jahren besuchen einige aus der Braunauer Heimatgruppe Forchheim die Region rund um Braunau, aus der sie infolge der Benesch-Dekrete verjagt worden sind. Mit dabei die Vorsitzende Burgi Erler (79) aus Märzdorf und Hannelore Erber (80) aus Schönau, die 2019 in der Nachfolge Alfred Schwanses die neue Leiterin des Braunauer Heimatmuseums werden wird. Im Bus sitzt aber auch Manfred Franze (77) aus Ottendorf, der mehr über seinen Urgroßvater Franz Hofmann und dessen inzwischen abgetragene Mühle in Rosental erfahren möchte.

An einem Versöhnungskreuz auf dem Buchenberg bei Wekelsdorf treffen sie auf Irena Pospisilova (80). Wie sich herausstellt, hat die Frau als kleines Mädchen nur durch Glück ein Massaker überlebt, das 1945 durch tschechische Milizen an deutschen Zivilisten verübt worden war. 25 Menschen vom Greis bis zum Säugling wurden erschossen oder erschlagen, darunter auch die 1911 geborene Marie Wichtrei, ihre Mutter. Die Tschechin war wohl wegen der 1937 geschlossenen Ehe mit dem Deutschen Franz Wichtrei ins Fadenkreuz der rachsüchtigen Mörder geraten.

Ebermannstadt: Ehepaar Franze hebt heimatkundlichen Schatz

© Foto: Udo Güldner

Man kommt mit Irena Pospisilova ins Gespräch. Sie hat zehn vollgeschriebene Papierseiten ihres Vaters Franz Wichtrei dabei, deren Handschrift sie nicht lesen kann. Aber Manfred Franze kann es. Immerhin hat er ständig mit Tagebüchern und Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg zu tun. Er tut ihr den Gefallen, den Text zu übertragen. Bald aber bemerkt er, dass es sich um einen historischen Roman handelt und es mit ein paar Seiten nicht getan ist. Es tauchen weitere Seiten auf. Man habe sich immer darauf gefreut, eine weitere Lieferung zu bekommen.

Neun Monate Arbeit

Der pensionierte Gymnasiallehrer bleibt am Ball. Zuletzt werden es nach einem dreiviertel Jahr harter Arbeit über 220 Blatt Papier gewesen sein. Als sich herausstellt, dass der Roman mitten im Satz abbricht und sich auch nach längerer Suche kein schriftliches Ende mehr finden lässt, da fassen die Franzes den Plan, das Schlusskapitel selbst zu erfinden. Irmgard Franze (74), die nicht im Braunauer Ländchen geboren ist, sondern in Forchheim, schreitet zur Tat. Dabei hat sie bislang nur kleine Erzählungen für die Enkel erdacht.

Leider ist nicht bekannt, wann Franz Wichtrei seinen Roman "Noch immer rauschen die Wälder" verfasst hat. Gewisse Indizien weisen auf Mitte der 1930er Jahre hin. Angesichts seines beruflichen Werdeganges, erst Schmied, später Verkehrspolizist, dann Sprengmeister, war es überhaupt ungewöhnlich, dass er zur Feder gegriffen hat. Seine Tochter Irena erklärt sich seine Fabulierkunst mit der märchenhaften Umgebung, in der er lebte. So gibt es nicht nur die atemberaubend schöne Felsenstadt von Adersbach-Wekelsdorf, sondern auch den "Wichtrei-Graben", in dem die Heinzelmännchen ihre Schätze vergraben haben sollen. Vielleicht hat er sich aber auch von seinem "Nachbarn" Hugo Scholz (1896-1987) inspirieren lassen, der einer Landwirtschaft entstammte und dennoch Schriftsteller wurde.

Den historischen Roman mit den Illustrationen der Wichtrei-Enkelin Petra Milatova aus Hronov gibt es bislang nur als exklusiven Privatdruck in 40 Exemplaren. Er soll aber in Fortsetzungen im bundesweiten "Braunauer Rundbrief" erscheinen. Dann können noch mehr Leser miterleben, wie sich der Ritter Chlod von Stegreifen zwischen der blonden und blauäugigen Manda und der dunkelhaarigen Wilma entscheidet. Die Liebesgeschichte spielt sich wohl im 13. Jahrhundert ab, als in und um Braunau in Nordböhmen die Besiedlung der Gegend Fahrt aufnahm. Bei Franz Wichtrei spielen die Benediktiner freilich keine Rolle, deren Verdienste unbestritten sind. Eher sind es riesige Waldmenschen, furchtsame Bauern, umtriebige Städter und natürlich das Adelsgeschlecht der Stegreifen mit ihrer sagenhaften Burg. All das tut der Spannung aber keinen Abbruch.

INFOWer einen Blick in das Buch werfen möchte, der wird in der Stadtbücherei Forchheim, im Stadtarchiv Forchheim und im Braunauer Heimatmuseum fündig. Nur kaufen kann man es nicht. Wer den "Braunauer Rundbrief" bezieht, bekommt den Roman Stück für Stück frei Haus geliefert.

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