Ebermannstadt: Zeitzeuge Naftali Fürst spricht vor Schülern

14.5.2019, 06:00 Uhr
Ebermannstadt: Zeitzeuge Naftali Fürst spricht vor Schülern

© Marquard Och

Eine Collage an der Wand dokumentierte, dass die 220 Schüler gut auf ihren Gast vorbereitet waren. Der wurde mit einem ergreifenden Film eingeführt, denn Naftali Fürst war auf den Bildern, die einst die Amerikaner bei der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald aufnahmen. „Kinderblock 66“ ist der Titel des Dokumentarfilms, in dem auch das Schicksal von Naftali Fürst erzählt wird.

Er selbst verarbeitete seine Erlebnisse zusammen mit seinem Bruder in dem Buch „Wie Kohlestücke in den Flammen des Schreckens“.
Naftali und sein ein Jahr älterer Bruder Shmuel lebten mit ihren Eltern in Bratislawa. Ab Herbst 1938 mussten auch sie Repressionen und zunehmende Isolierung erdulden, weil sie Juden sind. Nach einer Zeit im Arbeitslager wurde die Familie 1944 getrennt, die Brüder nach Birkenau deportiert. Von dort mussten sie nach Auschwitz und dann nach Breslau. „An Weihnachten 1944 trieben uns die völlig betrunkenen Nazis in den Schnee – einige Häftlinge wurden bei den Schlägen getötet“, erinnerte er sich. Im Januar 1945 mussten sie nach Buchenwald marschieren. Sie überleben den Todesmarsch.

Den Tod täglich vor Augen

Historiker bezeichnen das Lager, in dem 1944 über 100000 Juden und politische Häftlinge eingepfercht waren als eine einzige „Kloake“. „Im Kinderblock waren die Bedingungen vergleichsweise besser, aber der Tod war uns in bitterer Kälte täglich vor Augen“, erzählte Fürst. „Ich begann zu fluchen, hörte auf an Gott zu glauben. 90 Prozent der Kinder waren Juden. Ständig hungrig sprachen wir die ganze Zeit über das Essen zuhause.“

Ebermannstadt: Zeitzeuge Naftali Fürst spricht vor Schülern

© Marquard Och

Am 11. April 1945 um 15 Uhr 15 wurde die Lageruhr gestoppt – der Geschützdonner kam immer näher. Die Befreiung nahte. Naftali Fürst überlebte, sein Bruder Shmuel auch. Und auch die Eltern überlebten den Holocaust. 1949 wanderte die Familie nach Isreal aus.

Nachdem, was ihm angetan wurde, wollte er nie mehr nach Deutschland. 2005 war Fürst zur Gedenkfeier 60 Jahre Buchenwald eingeladen – „da war ich erstmals wieder in Deutschland – es ist ja eine neue Generation, habe ich gedacht, da hab ich wieder angefangen in meiner deutschen Muttersprache zu erzählen“,  erklärte Naftali Fürst seinen Zuhörern, darunter Landrat Hermann Ulm und Ebermannstadts Bürgermeisterin Christiane Meyer.

Schüler hatten viele Fragen

Für die anschließenden Fragen der Schüler stand eine Übersetzerin zur Seite. Die Jugendlichen wollten nicht nur näheres über seine Familie wissen, sondern auch vieles anderes. Wer war der beste Freund?, fragte Marie. „Das war der später in Theresienstadt befreite Bruder“. Patrick fragte nach den schlimmsten Lagern. Die Antwort: „Ausschwitz gehörte dazu, Birkenau – der Fußmarsch dahin – Buchenwald, wo die Trennung von den Eltern war. Ein unglaublicher Schmerz für die Eltern“.
Karla machte mit ihrer Frage nach der Versorgung mit Lebensmitteln das Leid der Lagerinsassen anschaulich. Fürst erzählte von einer Wasserstelle, an der die Peiniger geschrieben hatten: Kein Trinkwasser, Typhus droht. „Man wollte uns quälen, nach einem halben Tag habe ich getrunken“.


Aus der Klasse 9c kam die Frage, „Sind sie tätowiert?“ Daraufhin zeigte der 87-Jährige auf seinem linken Unterarm die Häftlingsnummer B 14026. Luisa wollte schließlich das Datum wissen, das Fürst für das „prägendste“ hält. „Das war der Tag der Befreiung, mein zweiter Geburtstag“.


Jörg Dettmer war am Ende des Vortrags beeindruckt „von der Demut und Herzensgüte, die Sie sich bewahrt haben. Wir sollten das mitnehmen, damit solches Unrecht nie wieder geschieht“. Damit sprach er Naftali Fürst aus dem Herzen: „Alle Probleme kann man ohne Krieg, mit Liebe und Freundschaft lösen“.

 

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