Egloffstein will kein Donut werden

29.1.2021, 05:56 Uhr
Egloffstein will kein Donut werden

© Foto: Patrick Schroll

Es hat sich gut versteckt. Wer vom Marktplatz kommt, glaubt, an einem einfachen Haus vorbeizulaufen. Doch wer um die Ecke geht, dem öffnet sich eine Tür in wenige Quadratmeter liebevoll sortierter Waren: Tee, Käse, Wurst, Glühlampen – Obst und Gemüse sowieso. Ein kleines Paradies für Tante-Emma-Liebhaber. Inge’s Lädchen. Seit drei Generationen.

Die Geschichte lässt sich schon am Eingang ablesen. Über der Tür ist ein kleines Schild angebracht: "Inh. Inge Dennerlein" steht in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund. Es ist ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Heute steht Tochter Petra Dennerlein hinter dem Tresen, zwischen Kasse und Obstauslage. Alle paar Minuten öffnet sich die Holztüre, kommen neue Kunden in den Laden, gehen Kunden mit vollbepackter Tasche wieder hinaus. Für ein Schwätzchen nimmt sich Petra Dennerlein bei jeder Kundin Zeit. Sie kennt sie alle beim Namen.

Der Laden dient dem Menschen mit mehr als nur mit Lebensmitteln, sagt Dennerlein. "Er hat auch eine soziale Komponente." Hier unterhalten und treffen sich die Leute. Wo sollen sie das machen, wenn einmal nichts mehr im Ort ist?" Dass das Leben aus dem Ortskern verschwindet, ist beim Blick zurück zu befürchten. "Es gab einmal vier Lebensmittelläden in der Ortschaft. Die sind alle mal gelaufen, die Inhaber konnten davon Leben." Petra Dennerlein ist die Letzte, die mit ihrem klassischen Einkaufsmarkt die Stellung hält. "Der alte Ortskern sollte erhalten bleiben, das sollte in jedem Ort so sein."

Wird nur noch geschlafen?

Dass es nicht mehr überall so ist, hat mehrere Gründe. Die großen Supermärkte sind eine starke Konkurrenz für die über Generationen betriebenen Lädchen, den Bäcker, den Metzger im Ortskern. Das sieht auch Bürgermeister Stefan Förtsch so.


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Die Einflussmöglichkeiten der Gemeinde, den Ortskern am Leben zu erhalten, seien "im überschaubaren Maß", sagt Förtsch. "Man muss versuchen, nicht dem Drang des Erfolges nachzugeben und den Supermarkt am Ortsrand anzusiedeln." Doch genau das ist auch ein Wunsch, den er von Bürgern immer wieder höre: An den Ortsrändern Egloffsteins "attraktive Einkaufsmöglichkeiten" zu schaffen.

Gebäude platt machen für Supermarkt?

Eine Idee, die an den Bürgermeister herangetragen wurde, ist es, in Mostviel ein altes Gebäude platt zu machen. Für einen Supermarkt mit viel Platz für Parkplätze. "Das würde erst recht zu einem Aussterben des Innenorts führen", sagt Förtsch. "Ich kann nur an die lokalen Bürger appellieren, ihre Geschäfte im Ort zu tätigen und nicht den Versuchungen nachzugeben, zum Discounter an den Ortsrand zu fahren."

Förtsch jedenfalls will Egloffstein vor einer "Donutstruktur" schützen. Das runde, süße Gebäck ist ringsherum am Rand dick gebacken, in der Mitte ist ein Loch. Im übertragenen Sinn: Viel Leben am Ortsrand, gähnende Leere im Ortskern. Im Jargon der Stadtplaner verkommen Orte in einem solchen Fall zu einem "Schlafort". Mehr als das findet dort nicht mehr statt. Es ist eine Diskussion, die in vielen Orten geführt wird.

Petra Dennerlein, die den Laden in dritter Generation führt, weiß das auch. Angefangen hat alles mit ihrem Großvater, der gegenüber dem Hotel Post nach dem Zweiten Weltkrieg einen Kiosk eröffnete. Mit der Zeit hat sich das Lager in der Markgrafenstraße am Marktplatz in einen Laden verwandelt. Mit Corona ist Dennerlein ihr zweites Standbein weggebrochen. Sie hatte die Gastronomie bisher mit ihren Waren beliefert. "Es ist ganz schwierig mit dem Laden." Dass sich die Zeiten geändert haben, weiß sie. "Es gibt schon Menschen, die regionale und Bio-Artikel schätzen, doch diese Geiz-ist-geil-Mentalität geht nicht mehr aus den Köpfen heraus." Der billige Preis sei wichtiger als die Qualität oder die regionale Herkunft, die für kurze Transportwege, Arbeitsplätze in der Region und den Erhalt der geliebten Naturregion sorge. "Doch die Bauern, die das alles erhalten, können von den Preisen nicht mehr leben." Kein Verständnis hat die Ladeninhaberin für Menschen, die auf dem Land wohnen wollen und zum Einkaufen aus dem Ort wegfahren. "Das Geld fließt in die Sprit-Industrie. Die kümmert sich aber nicht um unsere Region."

"Das Leben wird weniger"

In Egloffsteins Ortskern leben nicht nur Menschen, sondern arbeiten dort auch. Wie Udo Müller aus Ermreuth. Seit zehn Jahren berät er in der Apotheke "Zum Alten Ritter" die Kundschaft, die ohne die Allgemeinärztin, die ihre Praxis in nächster Umgebung hat, weniger wäre. Wenn Müller am Tresen steht, kann er auf den Marktplatz blicken.

"Man merkt, dass das Leben weniger wird, weil Anlaufpunkte fehlen." Gastwirtschaften haben geschlossen, der Metzger – ein Nachbar von Inge’s Lädchen – erst vor ein paar Jahren. Ansteckend. Da es keine Wurst mehr zu kaufen gab, habe der Bäcker am Platz die Veränderungen gespürt und mit veränderten, eingeschränkten Öffnungszeiten reagiert.

Ihre Hoffnungen setzen Udo Müller und Petra Dennerlein auf die geplante Umgestaltung des Marktplatzes und die Sanierung des ehemaligen Rathauses. "Bauliche Missstände", so beschreibt es die Gemeinde selbst, sollen verschwinden, dafür mehr Leben einkehren. Von einem italienischen Bergdorf-Charakter ist die Rede. Die Hoffnung, dass sich dabei auch eine Lösung für das Parkplatz- und Verkehrsproblem findet, ist groß unter den Anliegern. Doch Bürgermeister Förtsch dämpft die Hoffnung.

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