Ein flinker Dinosaurier unter den Hürdensprintern

24.7.2018, 10:30 Uhr
Ein flinker Dinosaurier unter den Hürdensprintern

© Foto: Zink/ThHa

Was den Mann mit der Startnummer 230 auf dem blauen Trikot von den fünf Konkurrenten im ersten Halbfinale unterschied, war nicht am Vollbart und am nach hinten tupierten Pferdeschwanz zu erkennen. Wie ein junger Hüpfer schlug er beim Betreten des Stadion-Innenraums die Hacken Richtung Hintern und vollführte ein paar kurze Übungs-Antritte vor dem Start. Er hatte sich als Außenseiter unter die schnellsten Hürdensprinter des Landes gemischt, von denen mit Ausnahme von Arthur Abele (Jahrgang 1986) und Erik Balnuweit (1988) alle seine Söhne sein könnten.

Seit seiner fulminanten Rückkehr auf die Tartanbahn vor drei Jahren überwiegend auf kleinen Sportanlagen in Bayern unterwegs, zeigte sich Jan Schindzielorz von der Atmosphäre vor 11 000 Zuschauern beeindruckt. Nervös musste ihn das nicht mehr machen, schließlich geht es für den Ex-Profi nicht mehr um die Zufriedenheit von Verband, Trainern oder Sponsoren. "Anspannung und Konzentration waren da, aber vor allem Vorfreude und eine gewisse Lockerheit", erzählt der Dietzhofer hinterher.

Um jede Sekunde auskosten zu können, habe er einen Frühstart unbedingt vermeiden wollen, kam dann aber überraschend schnell in Fahrt. "Ein wenig spekulierte ich darauf, dass meine Erfahrung auf nassem Untergrund ein Vorteil sein könnte", verrät der Forchheimer später im Plauderton.

Die junge Generation hatte das Tempo zuvor jedoch erwartungsgemäß angezogen, Schindzielorz sich immerhin in Schlagdistanz zu einem anderen Kandidaten gehalten. "Den hätte ich gerne noch geschnappt. Wahrscheinlich habe ich darüber zu viel nachgedacht und prompt eine Hürde touchiert. Die letzten beiden habe ich dann voll mitgenommen", durfte sich der Routinier kurz nach dem Zieleinlauf sogar ein wenig ärgern. Gerne wäre er noch einmal zum Start zurück, um seine Fehler nachzustellen. Die gestoppten 14,51 Sekunden indes "fühlten sich langsamer an, als sie waren" und stimmten unter dem Strich zufrieden. Bevor er sich zu Vereinsanhang und Bekannten auf die Tribüne begab und tags darauf erneut im Publikum saß, versicherte er noch einmal das Offensichtliche, für Jan Schindzielorz allerdings Wesentliche. "Es hat Spaß gemacht."

Dies war nicht immer so. Rückschläge und Verletzungen mündeten in eine Pause und schließlich ins vorläufige Karriereende. Durch Lebensgefährtin Christine Priegelmeir spontan zu einem Trainingsbesuch in Forchheim animiert, erwachte die Leidenschaft erst nach zehn Jahren neu. Auf mehrere deutsche Meistertitel in der Altersklasse M35 folgte 2017 Gold bei der Senioren-Europameisterschaft in Dänemark — ein emotionales Erweckungs-Erlebnis genau 20 Jahre nach dem EM-Debüt. Geriet damals 2006 die Abschiedsvorstellung bei der Bayerischen Meisterschaft ausgerechnet im Nürnberger Frankenstadion tatsächlich unbeabsichtigt, war das neuerliche Déjà-vu bewusst anvisiert. Drei bis vier Einheiten pro Woche brachten Schindzielorz in Form. Der eigentliche Jahres-Höhepunkt steht erst im September bevor. Eingebettet in einen Strand-Urlaub an die südspanische Costa del Sol, peilt Jan Schindzielorz bei der Senioren-WM in Malaga bei den M40 ganz unverbindlich einen neuen Europarekord an.

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