Scuttler 2.0

Erfindung aus Muggendorf: Im Offroad-Rollstuhl in die Natur

13.7.2021, 06:00 Uhr
Diese beiden haben sichtlich gute Laune: Tüftler Martin Ebner (rechts) hat den Scuttler erfunden. Um den Offroad-Rollstuhl zu verbessern, gibt ihm Thorsten Stamminger, der selbst querschnittsgelähmt ist, wertvolle Tipps. Zusammen feilen sie am Scuttler 2.0, der schon bald Serienreife erlangen soll.

© Johannes Handl, NNZ Diese beiden haben sichtlich gute Laune: Tüftler Martin Ebner (rechts) hat den Scuttler erfunden. Um den Offroad-Rollstuhl zu verbessern, gibt ihm Thorsten Stamminger, der selbst querschnittsgelähmt ist, wertvolle Tipps. Zusammen feilen sie am Scuttler 2.0, der schon bald Serienreife erlangen soll.

Thorsten Stamminger ist seit einem Motorradunfall im Jahr 2004 querschnittsgelähmt. Als er in der Zeitung einen Artikel über Martin Ebner und sein besonderes Fahrzeug liest, greift er sofort zum Hörer. Er möchte unbedingt wissen, welche Behinderung der gelernte Luft- und Raumfahrt-Elektroniker denn hat. Ebners Antwort verblüfft ihn: "Ich habe gar keine."

Ebner erklärt ihm, dass er den Stuhl nicht für sich, sondern für seine Mutter konstruiert hat. Weil die 83-Jährige nicht mehr so gut zu Fuß ist, hat er den Scuttler - auf Deutsch: Krabbler - erfunden. Der Offroad-Rollstuhl soll es ihr ermöglichen, trotz ihrer Beeinträchtigungen bei Wanderungen im Wiesenttal in der Fränkischen Schweiz dabei zu sein.

Das Gespräch zwischen den beiden läuft gut. Man ist sich sympathisch, die Chemie stimmt. Von nun an arbeiten die beiden zusammen. "Ich selbst kannte vor Thorsten ja gar keinen behinderten Menschen persönlich", sagt Ebner, der seit drei Jahren in Muggendorf im Landkreis Forchheim lebt und im Marketing tätig ist. Umso mehr profitiert der 56-Jährige von Stammingers Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen.

Schon bald schwebt Ebner der Scuttler 2.0 vor, den er zur Serienreife bringen möchte. Rund 15.500 Euro dürfte die Basisversion des geländetauglichen Sessels auf Panzerketten kosten. Ein (zu) hoher Preis? Mitnichten, winkt Stamminger ab: "Mein normaler Rollstuhl hat schon 11.500 Euro gekostet."

Ein inspirierendes Erlebnis

Eigentlich hätte Ebner die Arbeit einstellen können, nachdem er den Prototypen des Scuttlers gebaut hatte. Schließlich hatte er allein dafür fast 7000 Euro aus eigener Tasche gezahlt. Doch ein Erlebnis motivierte ihn ungemein. "Ich bin mit Thorsten in den Wald gegangen", sagt der Tüftler. "Dort gibt es eine Hütte, zu der kein Weg führt."

Thorsten Stamminger (links) und Scuttler-Erfinder Martin Ebner sind inzwischen längst Freunde geworden.

Thorsten Stamminger (links) und Scuttler-Erfinder Martin Ebner sind inzwischen längst Freunde geworden. © Johannes Handl, NNZ

Mit Hilfe des bis zu sechs Kilometer pro Stunde schnellen Scuttlers hat Stamminger die Hütte problemlos erreicht: "Das war das erste Mal seit 16 Jahren, dass ich selbstbestimmt in der Natur unterwegs war und mich richtig frei gefühlt habe." Der Scuttler 2.0, ist Ebner überzeugt, könnte auch für Hotels und Ferienanlagen, die sich auf barrierefreie Angebote spezialisiert haben, von großem Interesse sein.

Mit dem Prototypen soll die neue Generation nur noch den groben Aufbau gemein haben und in vielerlei Hinsicht optimiert werden. Das beginnt schon beim Einstieg. Die Armlehnen sollen hochklappbar und ein Einstieg sowohl mit als auch ohne Rollstuhl möglich sein. Ein reduziertes Gesamtgewicht und ein schwächerer Motor dürften für eine größere Reichweite sorgen, damit Touren über mehrere Stunden möglich sind. Ein akustisches und optisches Warnsystem soll auch künftig verhindern, dass der Scuttler umkippt - im Ernstfall mit Hilfe eines Not-Stopps.

Der Bedarf ist immens

Ebner, der mit Mitte 40 einen Schlaganfall erlitten hatte und sich selbst erst wieder ins Leben zurückkämpfen musste, ist überzeugt davon, dass er mit seinem Offroad-Rollstuhl einen Nerv getroffen hat - nicht zuletzt mit Blick auf den demografischen Wandel und eine Gesellschaft, die immer älter wird. Nach Angaben der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland gibt es bundesweit etwa 140.000 Menschen mit einer Querschnittslähmung. Der gemeinnützige Verein geht davon aus, dass pro Jahr etwa 2400 neue Fälle infolge von Unfällen und Erkrankungen hinzukommen. Interessenten für das noch nicht alltägliche Gefährt dürfte es demnach genug geben.

Thorsten Stamminger hat per Paypal eine Spendenaktion ins Leben gerufen, bei der bereits über 1600 Euro zusammengekommen sind. Auch Ebner ist "begeistert davon, dass fremde Menschen spenden, weil sie die Idee einfach super finden". Derzeit ist er auf der Suche nach Partnern, die ihn unterstützen möchten. An klassische Investoren denkt er dabei aber nicht. "Geld ist nicht alles", sagt Ebner und betont den sozialen Aspekt, der ihn antreibt. In erster Linie möchte er Menschen helfen. Der Spaß am Tüfteln dürfte ihm so schnell also nicht vergehen.

Unter www.scuttler.eco-warrior.de finden Sie weitere Infos zum Offroad-Rollstuhl. Eine Möglichkeit zu spenden gibt es hier: www.paypal.com/pools/c/8wwAEJBhHd

8 Kommentare