Erlanger Klaviertrio bewies seine Ausdruckskraft

21.2.2013, 19:21 Uhr
Erlanger Klaviertrio bewies seine Ausdruckskraft

© Udo Güldner

Kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges: Maurice Ravel hat sich in der baskischen Heimat bei seiner Mutter ins Komponieren gestürzt. Die dramatischen Ereignisse scheinen weit weg zu sein. Doch die Schatten der Katastrophe fallen selbst hierhin, in die französische Provinz an der Atlantikküste. In die von heftigem Widerstreit geprägten Melodiefragmente mischen sich unheilvolle Untertöne. Ein intensives Hörerlebnis, das von Schmerz, Zerrissenheit und Einsamkeit zeugt.

Im Schluss-Satz seines Klaviertrios läuten die Sturmglocken und ertönen die Fanfaren, zumindest auf dem Piano, das keinesfalls piano erklingt. Die Mobilmachung und der Kriegsjubel haben auch die Partitur erreicht. Siegesgewiss klingt es nicht. Eher wie ein Abgesang, und bald danach ist Ravels Klaviertrio dann auch zu Ende. Als ob mit dem letzten Ton eine Welt untergegangen wäre.

Fantastische Weiten

Das Erlanger Klaviertrio entführt in fantastische Welten und Weiten, lässt die rhythmische und stilistische Vielfalt nicht zur Beliebigkeit werden und schwelgt in den vertonten Stimmungsschwankungen. Besonders Peter Tschaikowskys wilde Variationenfolge, in der es zwischen einer lebhaften Mazurka und einem fröhlichen Walzer auch noch scherzhaft und besinnlich zugeht, verlangen den Kammermusikern eine ungeheure Bandbreite an Technik und Ausdruckskraft ab.

Elena Polyakova weiß den Flügel verstörend und betörend zu bezirzen. Ihr feinfühliges, aufmerksames und wo nötig kraftvolles Spiel gibt dem Erlanger Klaviertrio den erforderlichen Halt. Gerade in Ravels von 8/8- oder 5/4-Takten umherwirbelnden baskischen Volkstänzen ist ihre Präsenz gefragt. Ebenso in Tschaikowskys temporeich verwegenen, barock symmetrischen oder mystisch entrückten Miniaturen, in denen sich Ereignisse und Töne zu überschlagen scheinen.

Das Erlanger Klaviertrio trägt wie ein Maler Schicht um Schicht auf, bis aus den einzelnen Tönen, Takten und Sätzen ganze musikalische Bilder werden. Emil Bekir bringt sein Cello zum Singen, gibt dem spätromantischen Hang zum Gefühlsüberschuss nach und inszeniert Ravels Passacaglia mit minimalistischer Wucht.

Die drei Musiker sind allesamt wunderbar präzise Solisten, die als Ensemble Ravels zauberhaft schwebenden Rhythmus und seine prächtige Melodik in Szene zu setzen wissen. Besonders Ravels zweiter Satz, der raffiniert mit drei musikalischen Themen spielt, die diabolisch, verführerisch und liedhaft ineinander übergehen, sich ergänzen, miteinander ringen, nimmt einen bravourösen Verlauf.

Keine heiteren Werke

Die exotische Atmosphäre ist mit dem „Pantoum“, das sich an malayischen Reimformen orientiert, nur unzureichend beschrieben. Alexander Klemmstein bändigt mit seiner Violine das scheinbare Chaos, steigert das disharmonische Moment bis an die Schmerzgrenze und durchleuchtet zugleich ein klar strukturiertes Werk, das auch nach beinahe einhundert Jahren ein Mysterium bleibt.

Es sind keine heiteren Werke, die da die Gereonskapelle verdüstern. Der Tod ist allgegenwärtig. Nicht nur in der tragischen Moll-Stimmung, sondern auch in der Widmung des Klaviertrios Tschaikowskys an seinen kurz zuvor an Tuberkulose verstorbenen Freund Nikolai Rubinstein.

Der russische Spätromantiker hat ein klingendes Epitaph erschaffen, das nicht nur heroische, sondern auch elegische Phasen beinhaltet. Und das mit einem beeindruckenden Totenmarsch endet, dessen Weg auf den Friedhof führt. Das Erlanger Klaviertrio trägt dabei den symbolischen Sarg. Die Zuhörer wagen kaum zu klatschen.

Keine Kommentare