Erster Weltkrieg in Forchheim: "Sie starben einen grausamen Tod"

10.11.2018, 18:00 Uhr
Erster Weltkrieg in Forchheim:

© F.: Pfalzmuseum/Herbert Gumbmann

Herr Kestler, wie groß war die Not nach Ende des Ersten Weltkrieges in der Stadt?

Rainer Kestler: Es gab Engpässe bei Rohstoffen, Firmen mussten ihre Produktion drosseln. Auch Lebensmittel waren Mangelware. Aus Brennessel und Gras haben die Menschen Schuhe gemacht, Feldfrüchte ausgepresst, um Öl zu gewinnen. Die Stadtgärtnerei hat Obst und Gemüse angebaut und an die Bürger weiterverkauft. Es gab große Flurschäden, weil Angebautes auf den Äckern gestohlen wurde.

Wie hat das den Alltag beeinflusst?

Erster Weltkrieg in Forchheim:

© Foto: Rödel

Rainer Kestler: In Buckenhofen hat man nachts eine Feldpolizei abgestellt, um Diebe abzuschrecken. Auch verpachtete Obstbäume, die am Ludwig-Kanal standen, haben Hungrige abgeerntet. In größeren Städten kam es auch vor, dass Kinder verhungert sind. In Forchheim ist mir ein solcher Fall aber nicht bekannt. Für die Arbeit auf den Feldern fehlten Männer, die waren ja im Krieg. Deshalb sind französische Kriegsgefangene, für die es kein Zentrallager gab, zu der Arbeit auf den Feldern der Bauer gezwungen worden.

Hatte die Mangelernährung Folgen in der Stadt?

Rainer Kestler: In Stadt und Land grassierten Krankheiten, die Menschen waren schließlich geschwächt. Diphtherie, Scharlach oder Lungenkrankheiten haben um sich gegriffen.

Wie haben die Forchheimer sonst ihren Alltag bestritten?

Erster Weltkrieg in Forchheim:

© Foto: Graser

Rainer Kestler: Groß war die Not auch an Wohnungen. Um sie abzumildern, hat der damalige Bürgermeister August Reinhard, der in den Jahren 1917 bis 1920 die Geschäfte der Stadt leitete, die sogenannte Reinhardsvilla, Sozialwohnungen in der Birkenfelderstraße, bauen lassen. Die Stadt hat Familien auf den knappen Wohnraum verteilt, unter Zwang einquartiert. Beschwerlich war der Alltag auch, weil es nur stundenweise Strom gab.

Wie haben die Menschen für eine warme Stube gesorgt?

Rainer Kestler: Wie auch für Lebensmittel, gab es auch für die Kohle eine vom Staat festgelegte Menge, die jeder erhalten hat. Für die Kohle erhielten die Forchheimer Gutscheine. Die Kohle mussten sie selbst am Güterbahnhof abholen.

Die Deutsche Bevölkerung war geradezu begeistert, in einen Krieg zu ziehen. Wie war das in Forchheim?

Rainer Kestler: Das war auch in der Stadt der Fall. Soldaten sind, bevor sie zum Dienst eingezogen wurden, in den Kirchen mit einem besonderen Gottesdienst verabschiedet worden. Es gibt viele Bilder, die den Stellenwert des Militärs zeigen: Damals haben die Männer in ihrer Uniform geheiratet. Doch die Mär, der Krieg wäre in wenigen Monaten gewonnen, blieb eine Wunschvorstellung.

War an ein normales Leben überhaupt zu denken?

Rainer Kestler: Viel Vergnügliches gab es im harten Alltag nicht. Im Raum Forchheim waren während der vier Kriegsjahre beispielsweise das Annafest, Walberlafest, Fasching oder Tanzveranstaltungen untersagt. Kirchenglocken von St. Martin und aus Burk sind eingeschmolzen worden, um Munition herzustellen. Anderenorts haben Bürger sie verstecken können.

Wie nah kam der Krieg?

Rainer Kestler: Kampfhandlungen fanden nur an der Front statt, der Landkreis, wie auch die Stadt, blieben von Zerstörungen verschont. In Frankreich, beispielsweise in Le Perreux, der heutigen Partnerstadt Forchheims, sah das ganz anders aus. Doch mit den Toten Deutschen Soldaten kamen auch die Kämpfe in den Häusern der hiesigen Bevölkerung an. In Forchheim sind 306 Soldaten gefallen. Die meisten waren zwischen 20 und 25 Jahren alt, hatten Frau und Kinder zu Hause. Sie starben an der Front einen grausamen Tot: Flammenwerfer, Giftgas und erstmals Panzer sind als Waffen eingesetzt worden. Viele Soldaten kamen mit einem Arm oder Bein weniger nach Hause, wenn sie es überhaupt überlebt haben.

Der Kulturkreis Ebermannstadt lädt am Donnerstag, 15. November, 19.30 Uhr, in den Resengörgsaal, zu einem Vortrag über das Kriegsende und die Novemberrevolution 2018. Der Historiker Manfred Franze beleuchtet, wie in Forchheim und der Fränkischen Schweiz das Ende der Monarchie und der Beginn der Demokratie erlebt wurde. Vor 100 Jahren stürzte in Deutschland die Monarchie. Die Veranstaltung beleuchtet auch den Weg in die Weimarer Republik aus lokaler Sicht. Der Eintritt ist frei.

 

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