Mittagstisch

Forchheim: Ein Platz für Menschen, die nicht nur nach Essen hungern

25.7.2021, 07:31 Uhr
Hier erhalten die Gäste mehr als nur eine warme Mahlzeit. 

© Udo Güldner, NN Hier erhalten die Gäste mehr als nur eine warme Mahlzeit. 

Schon vor dem Mittagsläuten sitzen sie in kleinen Grüppchen beisammen. Fast alles ältere Damen, nur vereinzelt hat sich ein grauhaariger Herr dazwischengesetzt. Angeregt plaudert man über dies und das. „Viele kennen sich aus der Nachbarschaft“, so mein Tischnachbar Wolfgang Redel. Es seien aber auch schon welche aus Reuth dagewesen. Der Frührentner ist der Jüngste im Raum und erst seit Kurzem dabei. Zuvor konnte er in der Piasten-Kantine essen. „Ich wohne gleich nebenan, kann zu Fuß mit den Krücken herkommen“. Ihn begeistern die Abwechslung, die Frische und die großen Portionen. „Es ist so reichlich, ich gehe hier immer sehr satt nach Hause“.

Viele Tausend Portionen gekocht

Aus der kleinen Küche dringt bereits ein verführerischer Duft nach Hackbraten und Kartoffelbrei. Gabriele Winkelhaus ist seit dem Vormittag bei der Arbeit. Schließlich wird hier alles frisch zubereitet. Das kostet Zeit. Die gelernte Wirtschafterin aus Eggolsheim steht seit elf Jahren am hiesigen Herd. Viele Tausend Portionen hat sie dabei schon gekocht. Sie ist die einzige hauptamtliche Kraft hinter den Kulissen. „Ohne meine ehrenamtlichen Helferinnen ginge es gar nicht“.

Etwa Faisal Usman aus Forchheim, der mit dem Stellen der Tische und dem Eindecken und Dekorieren sein Tagwerk bereits vollbracht und den Gemeindesaal schon lange verlassen hat. Nun sind Galina Müller aus Forchheim und Rosi Lederer aus Hallerndorf am Zug. Sie reichen den Gästen die Teller. „Einige können nicht mehr so gut laufen.“ Erst gibt es eine Möhrensuppe, dann einen gemischten Salat. Nach dem Hauptgang wartet ein Buttermilch-Dessert mit frischen Pfirsichen. Christel Gaiser schwärmt besonders von den Suppen. „Das Essen ist traumhaft.“ Die beiden Damen nebenan, denen man die 96 und 93 Jahre nicht ansieht, nicken zustimmend.

Viele sind einsam

Viele hier sind alleinstehend, um nicht zu sagen: einsam. Die Ehepartner sind, wie bei Heidemarie Herchet, schon viele Jahre nicht mehr an ihrer Seite. Für sich alleine kochen ist ein großer Aufwand. Vor allem mit frischen Zutaten, die man oft gar nicht verbrauchen kann. Da kommt solch ein Angebot gerade recht. Nur vier Euro kostet das tägliche Komplettpaket inklusive der Getränke. Sogar einen Nachschlag gäbe es, wenn die Portionen nicht schon so groß wären.

„Wir bieten hier aber keine Armenspeisung“, so Pfarrer Knut Cramer. Kommen könne jeder, auch der mit dem größeren Geldbeutel. „Der kann ja dann etwas mehr zahlen.“ Es geht hier auch ums Zusammensein, miteinander reden, gerade in einem Stadtteil, der neben der Brauereigaststätte Greif über kein weiteres Gasthaus verfügt. „Man lernt sich kennen. Hier sind schon Freundschaften entstanden.“

Ohne Ehrenamtliche wäre das Projekt nicht zu stemmen: Nach dem Drei Gänge-Menü sorgt Sigrid Schiefer aus Forchheim für ein sauberes Ende. Seit sieben Jahren hilft sie freiwillig.

Ohne Ehrenamtliche wäre das Projekt nicht zu stemmen: Nach dem Drei Gänge-Menü sorgt Sigrid Schiefer aus Forchheim für ein sauberes Ende. Seit sieben Jahren hilft sie freiwillig. © Udo Güldner, NN

Nur einer hat nicht zu Messer und Gabel gegriffen. Stammgast Werner Blazek hat einige Tupperbehälter dabei, um sich etwas für den nächsten Tag mitzunehmen. „Auch das ist möglich.“ Er kommt gerade von einer Geburtstagsfeier mit Schnittchen und hat beim besten Willen keinen Appetit mehr. Früher war Blazek bei ähnlichen Angeboten in St. Anna oder Don Bosco, die es nun leider nicht mehr gebe. Dort seien es immer weniger Leute geworden. „Einige sind ins Pflegeheim gekommen, andere gestorben.“

Corona und seine Beschränkungen haben es nicht eben einfacher gemacht. „Da saßen viele alleine daheim. Ihnen fehlte der Treffpunkt.“ Denen habe man auch während des Lockdowns ihr Essen vorbeigebracht. Wobei Pfarrer Cramer Wert darauf legt, dass es ein Angebot an alle Generationen ist.

Finanziell ist der Mittagstisch in der Christuskirche Forchheim ein Draufzahlgeschäft

Gemeinsam statt einsam ist das Motiv des Mittagstisches. 

Gemeinsam statt einsam ist das Motiv des Mittagstisches.  © Udo Güldner, NN

Nach dem Drei Gänge-Menü sorgt Sigrid Schiefer aus Forchheim für ein sauberes Ende. Seit sieben Jahren hilft sie freiwillig. Jetzt ist erstmals Zeit, sich auch mit ihr zu unterhalten. „Wir hatten auch schon doppelt so viele Gäste.“ Dann stoße man schon an die Grenzen des Machbaren. Finanziell ist der Mittagstisch ein Draufzahlgeschäft. Auch weil hier Menschen essen könnten, die gar kein Geld hätten. „Wir steuern jährlich einen niedrigen fünfstelligen Betrag bei“, so Pfarrer Cramer. Deshalb sei man auf Spenden und die Unterstützung durch das Bürgerzentrum Mehrgenerationenhaus und den Rotary Club angewiesen.

Derweil leert sich der Gemeindesaal. Ein herzliches „Bis nächste Woche dann“ nach dem anderen ist zu hören. Gemeinsam ist man weniger allein.

Information: Der Mittagstisch an der Christuskirche wird jeden Dienstag und Donnerstag ab 12 Uhr im Dietrich Bonhoeffer-Haus in der Paul Keller-Straße 7 gedeckt. Anmeldungen sind wegen der Planung im Pfarramt unter Telefon (0 91 91) 21 45 erforderlich. Wer die Aktion mit einer Spende unterstützen möchte, kann dies mit dem Stichwort „Mittagstisch“ unter IBAN DE10 7635 1040 0000 0063 79 tun.

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