Aktuelle Reportage von den Azoren

Forchheim: Hier entsteht unser Wetter

25.10.2021, 08:00 Uhr
Pico auf Pico von der Insel Faial aus, die Regenwolken lösen sich auf, die Sonne bricht wieder durch.

© Sylvia Kiesewetter, NNZ Pico auf Pico von der Insel Faial aus, die Regenwolken lösen sich auf, die Sonne bricht wieder durch.

Wenn im Sommer ein Azorenhoch angekündigt wird, freuen wir uns auf viel Sonnenschein und warme Temperaturen. Die Azoren liegen im Atlantik vor der Küste Portugals. Sie sind Teil des Mittelatlantischen Rückens mit der höchsten Erhebung (und gleichzeitig dem höchsten Berg Portugals), dem Pico Alto (2351 m) auf der Insel Pico.

"Inseln der Glückseligen"

Die Azoren gehören zu Makaronesien, was aus dem Griechischen kommt und die „Inseln der Glückseligen“ bedeutet. Zu Makaronesien gehören die Azoren, der Madeira-Archipel und die dazugehörigen Selvages, die Canaren und die Kapverden. Alle Inselgruppen sind vulkanischen Ursprungs. Da ich dort mit einem Expeditionsschiff unterwegs bin, will ich mich für unsere Leser auf den Azoren umsehen und etwas über das Azorenhoch herausfinden.

In São Roque do Pico regnet es noch nicht, aber der Berg Pico (2351 m) ist bis an seinen Fuß in Wolken. Dort gießt es aus Kannen.

In São Roque do Pico regnet es noch nicht, aber der Berg Pico (2351 m) ist bis an seinen Fuß in Wolken. Dort gießt es aus Kannen. © Sylvia Kiesewetter, NNZ

Am Horizont türmen sich steile Wolkensäulen auf, der blaue Himmel überzieht sich mit Wolkenschlieren. Kein gutes Zeichen. Noch scheint die Sonne und wir beobachten vom Zodiac (Festrumpfschlauchboot) aus Große Tümmler. Leider ist das Glück uns heute nicht hold: Kein einziger Blas eines Pottwals ist zu sehen.

Die Pottwalkühe bleiben mit ihren Kälbern im warmen Wasser des Atlantiks zwischen Portugal und den makaronesischen Inseln, während die Pottwalbullen in die Arktis ziehen, um Tintenfische zu jagen.

Es beginnt zu regnen

Die Vegetation auf den Azoren wuchert. Die Wachstumszeit beträgt zwölf Monate im Jahr, die Temperaturen sinken nicht unter zehn Grad, viel Niederschlag.

Die Vegetation auf den Azoren wuchert. Die Wachstumszeit beträgt zwölf Monate im Jahr, die Temperaturen sinken nicht unter zehn Grad, viel Niederschlag. © Sylvia Kiesewetter, NNZ

Am Abend ist der Himmel mit Wolken bedeckt. Es beginnt zu regnen. Nein: Es schüttet aus Badewannen. Innerhalb von einer Minute bin ich triefnass. „Die Azoren liegen mitten im Atlantik und steigen steil aus dem Meer empor. Die Wolken nehmen über dem warmen Atlantik Feuchtigkeit auf und steigen dann an den Vulkanwänden auf“, erklärt Hans-Joachim Lauenstein, Experte für Geologie und Landeskunde, der als Lektor die Expedition begleitet.

„Beim Aufsteigen kühlt die Luft ab und die Feuchtigkeit ergießt sich in Form von Regen auf das Land. Deshalb regnet es da, wo das Azorenhoch entsteht, so viel.“ Das Ergebnis des vielen Niederschlags ist eine unbändige Vegetation auf den Inseln.

Wie entsteht das Hoch?

Der Wind peitscht die Wellen gegen die Küste der Azoren. Natürliches Meeresschwimmbecken an der Küste mit Brockenlava umgeben.

Der Wind peitscht die Wellen gegen die Küste der Azoren. Natürliches Meeresschwimmbecken an der Küste mit Brockenlava umgeben. © Sylvia Kiesewetter, NNZ

Die zweite Auswirkung der warmen Luftmassen über dem Atlantik ist das Azorenhoch. Es entsteht südlich der Azoren und gehört zum subtropischen Hochdruckgürtel des Nordatlantiks. „In der Nähe des Äquators, überall dort, wo die Sonne mittags im Zenit steht, wird die Luft durch die dortige starke Sonneneinstrahlung stark erhitzt“, erklärt Lauenstein. „Die erwärmte Luft steigt aufgrund ihrer geringeren Dichte auf. In der Höhe fließt die Luft seitlich, also nach Norden und Süden, ab.

In der Folge des Aufsteigens und seitlichen Abfließens der Luft sinkt der Luftdruck am Boden in der Äquatorregion stark ab. Ein Großteil der polwärts strömenden Luftmassen sinkt im Bereich um circa 30° Nord beziehungsweise 30° Süd ab.“ Dadurch entstehen in diesen Regionen stabile Hochdruckgebiete. Eines davon ist das Azorenhoch.

Separate Hoch-Zellen

Am Horizont türmen sich Wolken auf, warme feuchte Luft steigt auf, es wird bald regnen.

Am Horizont türmen sich Wolken auf, warme feuchte Luft steigt auf, es wird bald regnen. © Sylvia Kiesewetter, NNZ

Doch wie kommt nun dieses Hoch zu uns? „Mitunter weitet sich dieses Hoch mit einem Keil bis nach Mitteleuropa aus oder es lösen sich separate Hoch-Zellen ab, die bis nach Nordeuropa ziehen und auch hier für schönes Wetter sorgen können“, führt Lauenstein aus. „Je nachdem, ob das Hoch südlicher oder nördlicher liegt, kann es sein, dass der ‚Gegenspieler‘ des Azorenhochs, das Islandtief, dann für wechselhaftes Wetter in Mitteleuropa sorgt. Das bedeutet, je südlicher das Azorenhoch, desto wechselhafter wird die Wetterlage und je nördlicher das Hoch, umso wärmer und sonniger wird das Wetter.“

Am Äquator steigt die warme Luft auf und verteilt sich nach Norden und Süden. So entsteht das Azorenhoch.

Am Äquator steigt die warme Luft auf und verteilt sich nach Norden und Süden. So entsteht das Azorenhoch. © Sylvia Kiesewetter, NNZ

Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Die schon schrägstehende Sonne bricht zwischen den Wolken hervor. Überall stehen tiefe Pfützen. Von den Blättern der Baumfarne, Stechpalmen und Klebsamenbäume tropft das Wasser. Die Erde dampft. Die Lavasteine der Mauern, die die Inseln mit einem Raster überziehen, glänzen vor Nässe. Die vielen Kühe, doppelt so viele wie Einwohner, sind das wechselhafte Wetter gewohnt. Sie stehen das ganze Jahr ohne Schutz auf den Weiden.

Scharfkantige Brockenlava

Ich stehe an einem natürlichen Meeresschwimmbecken, das mit scharfkantiger Brockenlava umgeben ist. Die Wellen brechen sich mit lautem Getöse an den Klippen. Ich kann kaum stehen, so zerrt der Wind an mir. Am Abend erfahren wir, dass wir die Azoren vorzeitig verlassen müssen.

„Ein Sturmtief von Island wird uns übermorgen erreichen“, erklärt Lauenstein. „Das wollen wir nicht erleben. Die Windstärke könnte bei 190 Kilometer pro Stunde liegen, die Wellen werden dann eine Höhe von neun Metern erreichen. Nichts wie weg hier!“ Diesmal hat also das Islandtief gewonnen. Das Azorenhoch war zu schwach. Es ist ja auch schon Herbst.

Übrigens soll ich Grüße an die Forchheimer Batmen und Batwomen ausrichten vom endemischen Azoren-Abendsegler. Und bald werde ich den Madeira-Abendsegler treffen, weil wir wegen des heranziehenden Sturms zum Madeira-Archipel ausweichen. Wenn wir uns also das nächste Mal über Sonne und Wärme des Azorenhochs freuen: Auf den Azoren selbst ist das ganz anders.

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