Forchheim-Hymne: Fabian Wegmann reißt Publikum von den Sitzen

22.7.2020, 21:31 Uhr
Forchheim-Hymne: Fabian Wegmann reißt Publikum von den Sitzen

© Foto: Udo Güldner

Neben Liedermacher Wolfgang Buck und dem Literarischen Duo Rainer Streng und René Kraus gab auch die Band "Bad as we" einen ihrer ersten Auftritte überhaupt. Musiker ohne Mundschutz. Mit dabei Fabian Wegmann aus Forchheim, der seiner Heimatstadt eine melancholische Hymne auf den Leib dichtete.

Da sitzt Peter Hohenecker inmitten der Bühne. Vor sich ein Mikrofon, neben sich einen Ascheimer. Beides wird er an diesem denkwürdigen Abend ununterbrochen brauchen. In das Mikrofon singt er mit einer rauchigen Stimme, die geradezu gespentisch an Tom Waits erinnert. Ein Musikkritiker schrieb einmal, die Stimmbänder klängen, als ob sie in einem Fass Bourbon getränkt, in einer Räucherkammer aufgehängt und danach mehrfach von einem Auto überfahren worden seien. In den Aschekübel stippt er die Zigarettenreste, die seiner Lunge entkommen sind.

Vielleicht liegt es ja an all diesen Glimmstengeln, dass der Tiroler, der in Wien gewirkt hat und nun in Wunsiedel weilt, dem US-Musiker so nahe kommt. Zwei Schachteln später hat man als Zuhörer alle Schattierungen gehört: zärtlich flüsternd, wild wütend, grimmig grummelnd, schrill schreiend... Man mag sich gar nicht vorstellen, wie er gewütet haben mag, als er noch dem Austro-Punk huldigte.

Peter Hohenecker ist es auch zu verdanken, dass "Bad as we", übrigens ein abgewandelter Waits-Song, überhaupt ins Freie gefunden hat. In seinem "Wohnzimmer", den Felsen der Luisenburg Festspiele, gab das Trio Anfang des Jahres sein Debüt. Dann kam die Corona-Krise, in der man verstummte, die Liebe zu den literarischen Texten Tom Waits´ aber weiter glimmte. Er, der nicht das komponiert, was man erwartet, sondern zwischen all den Genres wandert. Blues, Folk, Jazz, Indie-Rock... . Das durfte man vor genau zehn Jahren in Forchheim auch schon erleben. Da stimmte der theatereigene Kammerchor "Messa Di Voce" in seinem Freischütz-Projekt auch Songs des Musicals "The Black Rider" an.

Nur einer sitzt nicht, sondern steht im Scheinwerferlicht. Steffen Winkler, der ein wenig wie der junge Gene Hackman aussieht. Anders könnte er seine Slide-Gitarre gar nicht so wehmütig zum Weinen bringen. Das gelingt ihm auch in seinem anderen Projekt, der "Black Rose Blues Band", in der auch Fabian Wegmann am Keyboard sitzt. Wenn man bedenkt, dass da oft nur drei Akkorde durch die Finger gleiten, dann kann man Tom Waits´ Erfindungsreichtum nur bewundern. Und Steffen Winkler mit dazu. Am E-Piano ist Fabian Wegmann derjenige, der den bisweilen an Kurt Weill oder Hanns Eisler erinnernden schrägen Tonfall zwischen den Tasten hervorlockt. Er kann aber auch die schöne Melodie liefern, die das Herz in Sicherheit wiegt, während die Textzeilen grausame Dinge erzählen, die das Hirn erschüttern. Einsamkeit, Verlust und Tod.

Dabei geht es weniger darum, den sperrigen Songs eine in der Popmusik übliche glatte Oberfläche zu verpassen. Das würde sie ungefährlich werden lassen. Sonst könnte man das wie Rod Stewart in "Downtown Train" einfach runtercovern. Oder wie Bruce Springsteen in "Jersey Girl" aus Huren Mädchen machen, damit das prüde Publikum nicht erschrickt. Vielmehr suchen "Bad as we" nach der Gefühlslage hinter den Tönen.

Das kann dann auch einmal bedeuten, dass bei melancholischen oder traurigen Balladen ganz leise gespielt wird. In "Dirt in the Ground" etwa meint man sich auf einer Beerdigung wiederzufinden. Vom E-Piano wabern schaurige Kirchengesänge über den Friedhof. An der Gitarre verenden die Akkorde qualvoll. Die Stimme jammert etwas von Tod und Vergessen. Asche zu Asche, denkt man sich, da hat Peter Hohenecker schon wieder eine Kippe im Mund.

Wo einst rund 200 Zuhörer Platz fanden, dürfen nur noch knapp 70 Kulturbegeisterte bei der Wiederaufnahme des Konzertbetriebes dabeisein. Unter ihnen auch die Kulturbürgermeisterin Annette Prechtel, die sich über "das Ende eines trostlosen, kulturlosen Sommers" freute. "Der kulturelle Winterschlaf ist vorbei. Es tut gut, wieder Live-Musik zu hören", so Ulli Raab, einer der Vorsitzenden des Jungen Theaters. Echtes Publikum sei eben durch gar nichts zu ersetzen. Schon gar nicht durch Streaming-Angebote, auf die man bewusst verzichtet habe.

Eigentlich wollte das Junge Theater mit einer kabarettistischen Heimsuchung Matthias Egersdörfers in die Nach-Corona-Saison starten. Doch offenbar hielt der Künstlerische Leiter die leere Bühne keinen Tag länger mehr aus. Glücklicherweise muss man sagen, denn sonst wäre einem Fabian Wegmanns melancholische Liebeserklärung an "Mei Forchheim, Dei Forchheim" entgangen. Was bei einem Gin Tonic-Gelage entstand, ist eine Mischung aus fränkischem Dialekt, Tom Waits-Tonlage und ironischem Unterton. Ein berührendes Finale eines denkwürdigen Abends.

 

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