Forchheim: Lärmspitzen an der Autobahn rauben Anwohnern den Schlaf

2.9.2019, 20:00 Uhr
Forchheim: Lärmspitzen an der Autobahn rauben Anwohnern den Schlaf

© Foto: Roland Huber

Nachts die Stille hören, das kann Barbara Gradel eigentlich nur, wenn sie nicht zu Hause schläft. "Dann merke ich erst, wie ruhig es eigentlich sein kann", sagt sie. Zu hören, dass man nichts hört, außer vielleicht ein paar Geräuschen im Garten. Gradel wohnt mit ihrer Familie in der Regnitzstraße, wenige Meter von der Lärmschutzwand zur A 73 entfernt. Die Wand schneidet das Grundstück quasi zur Autobahn hin ab. Früher, als ihre Schwiegereltern das Haus gebaut haben, gab es einen Durchgang zur Regnitz, die wohlgemerkt damals noch kein Kanal war. Dann kam der Main-Donau-Kanal, dann die Autobahn. Und mit ihnen der Lärm.

An Wohnwert verloren

"Wir waren früher da als die Autobahn", sagt Gradel. Sie beziehungsweise ihre Schwiegereltern konnten nicht entscheiden, ob sie die Autobahn vor ihrer Gartentür haben wollen. Im Gegensatz zu Häuslebauern, die sich Jahre später ganz bewusst für einen Hauskauf an der Autobahn entschieden und den Lärm quasi mit dazukauften und einkalkulierten. "Mit der Autobahn haben wir an Wohnwert verloren, Menschen an der Autobahn sind immer gestraft, sagt Gradel. Das "Gegrummel im Hintergrund", das die vorbeifahrenden Autos machen, an das habe sie sich fast schon gewöhnt. Doch die "Lärmspitzen", etwa wenn Motorräder so richtig aufdrehen oder "Ferraris zu einer festen Zeit in der Nacht" vorbeiheizen, seien extrem. "Motorradfahrer hören wir teilweise so laut und so lange, bis sie in Erlangen sind."

"In der Nacht hat sich der Lärmpegel verschlechtert", meint Gradel. Denn mit der neuen 8,50 Meter hohen Lärmschutzwand und dem neuen Asphalt wurde die während der Bauphase geltende Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben.

"Der Lärm wird durch die hohe Wand reflektiert und hat sich seitdem verstärkt", findet Gradel. Dabei hält die Lärmschutzwand nicht nur den Lärm der Autobahn nicht ab: Ist Ostwind, dann fängt sich der Schall in der meterhohen Wand und schlägt zurück. "Wenn Annafest ist und Ostwind, dann können wir hier die Liedtexte vom Annafest mitsingen." "Wenn Ostluft ist, hören wir hier in Buckenhofen sowohl den Zug rauschen, als auch die Autobahn", sagt eine Leserin, die am Hang des Weingartsteigs in Buckenhofen wohnt. Dass der Lärm durch die neue, höhere Wand stärker geworden wäre, kann sie nicht bestätigen: "Durch die Lärmschutzwand hat sich nichts geändert." Vielmehr macht sie die "Kessellage" Forchheims dafür verantwortlich, wo sich an den Hügeln von Kellerwald und Weingartsteig der Schall fängt. Besonders bei klarer Luft "hören wir sogar den Notarzt, wenn er im Krankenhaus losfährt".

Auch Hildegund Güthlein wohnt mit ihrer Familie in der Regnitzstraße. "Die neue Wand und der Asphalt haben schon was gebracht", sagt Güthlein, doch gerade jetzt in den Sommermonaten bei offenem Fenster schlafen, "das ist problematisch". Eine Geschwindigkeitsreduzierung "ab 22 Uhr, darüber wären wir sehr froh". "Wir sind ein Wohngebiet, durch das eine Autobahn führt", sagt Güthlein. "Die Mieter ziehen wieder weg, wenn’s ihnen zu laut ist", so Güthlein, für sie als Hauseigentümer sei das schon schwieriger.

Was Gradel richtig wütend macht ist, dass es nur wenige Kilometer weiter in Richtung Süden, in Höhe Baiersdorf, sowohl neue Lärmschutzwände, als auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung gibt. "Warum nicht auch bei uns?", fragt sie sich.

Eine Ungleichbehandlung?

Und auch nur wenige Meter weiter entlang der Autobahn, entlang des Industriegebiets Baiersdorf, gelte "120 Stundenkilometer und zwar 24 Stunden am Tag, da wohnt kein Mensch". "Hier findet eine Ungleichbehandlung statt, die sicherlich auch angreifbar wäre", meint Gradel. Auch Hildegund Güthlein kann das nicht verstehen: "Bis Baiersdorf gibt es eine Geschwindigkeitsbeschränkung und sobald du nach Oberfranken kommst, kann man fahren was das Auto hergibt."

Forchheim: Lärmspitzen an der Autobahn rauben Anwohnern den Schlaf

© Foto: Roland Huber

Thomas Pfeifer von der Autobahndirektion Nordbayern hingegen kann "keine Hoffnung auf eine Geschwindigkeitsreduzierung" machen. Pfeifer verweist auf das Planfeststellungsverfahren, bei dem "die Anliegerschaft überprüft" wurde und "individuell jedes Gebäude" in Augenschein genommen wurde. Außerdem seien der "Flüsterasphalt und der Lärmschutz so dimensioniert, dass die Grenzwerte überall eingehalten werden", sagt Pfeifer. "Im Bereich Forchheim ist es uns gelungen, dass die Grenzwerte überall eingehalten werden". Gleichwohl "haben wir höchstes Verständnis für die Anwohner", meint Pfeifer, "Verkehrslärm ist immer nervig". Aber: "Eine Lösung, den Verkehrslärm nicht zu hören, gibt es nicht."

Die Lärmbelastung sei vielmehr um 15 Dezibel in der Spitze gesenkt worden. Mit anderen Worten: Rauschen in Spitzenzeiten 50 000 Fahrzeuge vorbei, höre sich das dann an wie 15 000 Autos, so Pfeifer. "Der Gesetzgeber hat Grenzwerte festgelegt, auf Basis derer legen wir unsere Planungen fest." Aus "sachlichen und rechtlichen Gründen" sei deswegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung "nicht möglich", sagt der Fachmann aus Bayreuth.

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