Forchheim: Richterin gibt Angeklagtem eine letzte Chance

15.1.2020, 10:00 Uhr

Sie folgte schließlich dem Staatsanwalt - als sie eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, anordnete. Außerdem muss der Verurteilte 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit ableisten, die Kosten des Verfahrens tragen und ein Anti-Gewalt-Training absolvieren.

Dabei hatte die Verhandlung um Christian F. (Namen aller Beteiligten geändert) relativ vielversprechend angefangen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 42-jährigen Forchheimer zwei Taten vorgeworfen. Im März 2018 soll er mit einem Messer bewaffnet in eine Kneipe gestürmt sein, um dort Tobias L. zur Rede zu stellen. Er habe „Mist über ihn erzählt“, so der Angeklagte. Dabei soll der Streit eskaliert sein: Andrea B., die als Bedienung in der Bar arbeitete, soll dazwischen gegangen sein. Sie drängte Christian nach draußen und bekam angeblich selbst einen Schlag ab. Draußen habe F. nach Darstellung der Staatsanwaltschaft erneut sein Messer herausgeholt und gedroht, L. und B. umzubringen, sei anschließend aber gegangen.

Im April 2019 ging sein Feldzug dann vor einem Supermarkt in der Stadtmitte weiter. Dort passte er Stefan P. ab und ging auf ihn los. Im Verlauf der Auseinandersetzung fielen beide über eine Bank, Christian F. erhielt dadurch eine Platzwunde am Kopf. Der Streit wurde geklärt, als zwei Beobachter dazwischen gingen und eine Bäckereiverkäuferin die Polizei rief, doch als die Beamten eintrafen, waren P. und F. verschwunden.

Das war nur eine Rangelei

Christian F. gab seine Beteiligungen an beiden Vorfällen zu, aber nicht in der Gänze der Anklageschrift. Er habe in der Kneipe das Messer niemanden an die Kehle gehalten, außerdem Andrea B. nicht offensiv angegriffen, sondern sie maximal weggestoßen. Auch Stefan P. habe er vor dem Supermarkt nicht geschlagen, vielmehr sei es eine „Rangelei“ gewesen.

Trotz mehrfacher Nachfrage von Richterin Schneider, was denn genau eine Rangelei in seinem Sinne sei, gab es darauf keine Antwort. Die Hoffnung, dass die Zeugen Licht ins Dunkel bringen konnten, zerschlug sich schnell. Tobias L., der bei der Polizei noch ausgesagt hatte, in der Kneipe mit einem Messer bedroht worden zu sein, konnte sich an nichts mehr erinnern. „Ich habe andere Sachen im Kopf“, meinte er. Auch Andrea B. konnte nicht weiterhelfen, sie wollte sich nicht einmal mehr daran erinnern können, etwas bei der Polizei ausgesagt zu haben.

„Ich weiß nicht, dass ich das überhaupt gesagt habe“, behauptete sie als die Richterin das Protokoll vorlas, worauf die ungläubig kommentierte: „Wollen Sie mich für blöd verkaufen?“ Einzig die Bäckereiverkäuferin und der zuständige Beamte konnten etwas zum Supermarkt-Vorfall sagen, die Verkäuferin hatte jedoch die entscheidenden Szenen verpasst.

Auch die beiden Beobachter, ein 14- und ein 20-Jähriger, verwirrten die Richterin. Sie gingen beide unaufgefordert auf eine Bierflasche ein, mit der F. laut Anklage auf Stefan P. losgegangen sein soll. Jetzt erklärten beide unisono, F. habe die Flasche schon vor dem Streit weggeworfen. Nach der Konfrontation durch die Richterin folgte wie so oft in dieser Verhandlung ein: „Ich kann mich nicht daran erinnern“.

Staatsanwalt sah von Haftstrafe ab

Zu Beginn der Verhandlung stand für Staatsanwalt Stefan Meyer eine Haftstrafe im Raum, nach der undurchsichtigen Zeugenvernehmung musste er das revidieren. Er forderte für jede Tat eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, zusammengefasst ergibt das eine Gesamtstrafe von fünf Monaten zur Bewährung. Außerdem forderte Meyer die Ableistung von Arbeitsstunden. F.s Anwalt hielt seinem Mandanten zu Gute, dass er das Messer offenbar nicht als Waffe benutzt habe, außerdem sei er bei jeder Tat alkoholisiert gewesen. Er bat um eine milde Bewährungsstrafe, beim Vorfall vor dem Supermarkt sah er einen Freispruch als gerechtfertigt an.

Richterin Schneider folgte Staatsanwalt Meyer. Sie verurteilte Christian F. zu fünf Monaten auf Bewährung, 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit und dazu die Kosten des Verfahrens zu tragen sowie ein Anti-Gewalt-Training zu absolvieren. Schneider war sicher, dass die Zeugen sie „belogen haben“. Dem zweifach vorbestraften Christian F. gab sie mit: „Wenn Sie noch einmal bei mir aufschlagen, sperre ich Sie ein“.

 

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