Forchheim: Versteckspiel des OB erzürnt die Stadträte

31.5.2019, 14:56 Uhr
Forchheim: Versteckspiel des OB erzürnt die Stadträte

© Roland Huber

Eigentlich ging es in der aktuellen Sitzung "nur" um "Die Prüfung der Notwendigkeit der Neuausschreibung der Tragwerksplanerleistungen LOS 2". Also den Start der Auftragsvergabe, der beschlossen werden sollte, ein Kostenpunkt von rund 8000 Euro.

Doch als Hans-Werner Eisen (CSU) als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses betonte, dass er gerne den aktuellen Stand des Zuschuss-Verfahrens wissen möchte und, dass Sebastian Körber (FDP) "noch keine Akteneinsicht nehmen konnte", riss ein gewaltiges Erdbeben innerhalb des Stadtrats alle Fraktionen mit. Was war passiert?

Von 17,5 auf 20,3 Millionen

Einen Betrag von 17,5 Millionen Euro für die Sanierung des Forchheimer Vorzeigeensembles habe der Stadtrat einst abgesegnet, so Eisen, mündlich habe er hingegen von 20,3 Millionen Euro gehört. "Die Kostensteigerung würde mich schon interessieren", so Eisen gegenüber Kirschstein. Der Oberbürgermeister argumentierte, mit der Rathausfertigstellung sei im Sommer 2022 zu rechnen. Die höheren Kosten seien eine "Baukostensteigerungs-Prognose".

Die Summe von 20,3 Millionen kann die Pressestelle der Stadt einen Tag nach der Sitzung bestätigen: "Im Herbst 2018 wurden vom Architekten Baukosten in Höhe von 17,5 Millionen Euro genannt. Diese Kosten beziehen sich auf den Zeitpunkt der Ermittlung und nicht auf den Zeitpunkt der Fertigstellung. Werden die Baupreissteigerungen der letzten drei Jahre betrachtet, ist von einer Preissteigerung von jährlich circa vier Prozent auszugehen. Das heißt aufgrund der Steigerungsrate liegen die Kosten rechnerisch in 2022 (Baufertigstellung) bei 20,3 Mio. Euro."

In punkto Akteneinsicht für Körber ließ Kirschstein Rechtsrat Till Zimmer antworten: "Der Stadtrat hat das Recht zur Akteneinsicht, allerdings muss er eine Konkretisierung mit beschließen." Will heißen: Man darf nicht generell Akteneinsicht verlangen, sondern muss einen besonderen Aspekt dabei "herauspicken" und das dann auch so formulieren.

Als "absurd" und "unplausibel" klassifizierte Körber die Argumentation Kirschsteins, "die Kosten sind jetzt schon zweimal, von 15,5 auf 17,5 auf 20,3 Millionen, also um fast fünf Millionen Euro gestiegen. Ich frage mich, wann da ein Ende ist." Körber ist der erste, der eine Misstrauensfrage formuliert: "Ich verstehe, dass Sie das verzögern wollen mit allen Mitteln, da scheint es irgendwas zu geben, was man dann auch noch in den Akten sehen kann."

Misstrauen regt sich auch bei Hans-Werner Eisen: "Was gibt es denn zu verstecken?", will er wissen. "Wir wollen was nachvollziehen und ich hab’ den Eindruck, das soll in die Länge geschoben und verzögert werden. Ich möchte endlich zu einem Abschluss kommen."

"Fühle mich gegängelt"

Dass Kirschstein "jetzt wieder mit der Rechtsaufsicht kommt", wurmt Eisen gewaltig: "Warum formulieren Sie nicht unsere Fragen, die wir dann stellen dürfen?", fragte er spitzzüngig in Richtung Oberbürgermeister. "Ich fühle mich als Rechnungsprüfungsausschuss-Vorsitzender regelrecht gegängelt."

"Die Akteneinsicht ist erfolgt", war Kirschsteins lapidare Antwort. Den Grund für eine weitere Akteneinsicht müsse man "in einer oder beliebig vielen Fragestellungen" konkretisieren. "Das haben Sie nicht gemacht. Insofern habe ich mich an die Rechtsaufsicht gewandt, die diese Sichtweise im Wesentlichen teilt."

Dass Kirschstein die Rechtsaufsicht angerufen hatte, ärgert Gerhard Meixner (FGL) gewaltig: "Die Rechtsaufsicht war immer die Ultima Ratio und ist meines Wissens in den Jahrzehnten, in denen ich im Stadtrat war, äußerst selten oder nie beansprucht worden." Wie Kaugummi ziehe sich die Diskussion der Sanierung, so Meixner. Seinem Vorschlag "endlich zu Potte zu kommen und im August oder September eine Vorlage zu haben, die das ganze Thema behandelt", goutierten die Ratsmitglieder mit Applaus.

Auch Thomas Werner (CSU) ist sauer und spricht die Misstrauens-Frage aus: "Ich frage mich als Stadtrat, was hat er denn zu verbergen?" Denn wenn es nichts zu verbergen gäbe, dann könne man ja Sebastian Körber auch Akteneinsicht gewähren. "Durch Ihr Verhalten nähren Sie unsere Zweifel, weil Sie den Stadtrat behindern, uns Steine in den Weg schmeißen, die einer Zusammenarbeit von Stadtrat und Oberbürgermeister sehr abträglich sind und eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft nicht förderlich sind."

Er wünsche sich einen Oberbürgermeister, "der eine gewisse Größe hat und über der Sache steht" und der nicht "dem Stadtrat Knüppel zwischen die Beine wirft". Nach knapp 30 Minuten Diskussion springt Anita Kern (SPD) ihrem Parteifreund Kirschstein zur Seite. "Es wird unter allen Umständen ein Fehler gesucht, nach Dingen, die nicht da sind", versucht Kern Kirschstein zu helfen. Lisa Hoffmann (SPD) versucht Kirschstein ebenfalls zu unterstützen und mahnt ihre Kollegen: "Mit diesen Misstrauenskoalitionen kommen wir hier nicht weiter."

Den Stadtrat torpedieren

Doch das hilft wenig, denn auch Ulrich Schürr (JB) feuert in Richtung OB, wirft ihm vor sich "hinter juristischen Spitzfindigkeiten zu verstecken" und "immer dann die Rechtsaufsicht anzufragen, wenn die Argumente fehlen". "Sie sind hier angetreten mit dem Wahlkampf-Slogan Transparenz, was Sie hier abliefern ist der Inbegriff von Intransparenz" , meinte Sebastian Körber. Und auch Manfred Hümmer (FW) erinnert den OB an sein Wahlkampfversprechen eines "gläsernen Rathauses", doch Kirschstein würde "mit seinem Ansinnen den Stadtrat torpedieren".

Franz Noffke (Rep) findet die "Vorgehensweise des Oberbürgermeisters "dubios. "Wir wollen aufgeklärt werden und nicht nach Fehlern suchen." Noffke ist auch der erste von mehreren Stadträten, der eine Fristsetzung verlangt.

Günther Hammer (CSU) schließlich formuliert dies als Antrag aus, mit einer Fristsetzung zum 15. Juni. Doch auch hier zitiert der Oberbürgermeister die Rechtsprechung, die "in der Sitzung gestellte Anträge nur dann gelten lässt, wenn die Angelegenheit dringlich ist".

"Mir erschließt sich hier die Dringlichkeit nicht", so das Stadtoberhaupt, schließlich "schwelt das schon zwei Jahre". Auch Hammers Fraktionskollege Reinhold Otzelberger (beide ehemals SPD) formuliert einen Antrag auf Akteneinsicht von Stadtrat Körber: "Die Diskussion hat quer durch fast alle Fraktionen geführt", argumentiert Otzelberger, der die "Dringlichkeit durchaus sieht, sonst wäre die Diskussion ja nicht da. Die Sorge um die Kostenentwicklung ist dringlich". Doch auch das wischt der OB vom Tisch: "Wenn ich acht Monate darüber nachdenke, wie ich das konkretisiere, kann es nicht so dringlich sein."

Nach einer Sitzungspause wird der "Neuordnung Tragwerksplanung" einstimmig zugestimmt. Die beiden gestellten Anträge auf Akteneinsicht durch Sebastian Körber ließ der Oberbürgermeister nicht zu.

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