Von wegen Barrierefreiheit

Forchheim: Warum stehen so viele Hindernisse auf den Gehwegen?

5.10.2021, 06:00 Uhr
Monika Schmidt (li.) und Monika Reintges (re.) sind in der Forchheimer Hornschuchallee unterwegs: Als Rollstuhlfahrerinnen stoßen sie immer wieder auf Hindernisse und schmale Gehwege.

© Berny Meyer, NNZ Monika Schmidt (li.) und Monika Reintges (re.) sind in der Forchheimer Hornschuchallee unterwegs: Als Rollstuhlfahrerinnen stoßen sie immer wieder auf Hindernisse und schmale Gehwege.

Manchmal geht es äußerst eng zu: Wenn Monika Reintges oder Monika Schmidt mit ihren Rollstühlen in der Forchheimer Innenstadt unterwegs sind, stoßen sie in ihrem Alltag auf jede Menge Hindernisse. Zum Beispiel, wenn Außenplätze in Cafés oder Restaurants vollbesetzt sind und der verfügbare Gehweg dadurch schmal wird.

Monika Reintges ist täglich in der Innenstadt unterwegs. Mitunter geht es auf Gehwegen eng zu.

Monika Reintges ist täglich in der Innenstadt unterwegs. Mitunter geht es auf Gehwegen eng zu. © Berny Meyer, NNZ

Wenn der Bordstein sehr hoch ist und bei Nässe dann noch die Räder schlechter greifen. Oder wenn Fahrräder abgesperrt im Weg stehen oder Mülltonnen am Straßenrand. Oder Kleiderständer von Modeläden oder Deko-Pflanzkübel von Cafés.

"In der Gesellschaft fehlt das Bewusstsein für Menschen mit Behinderung"

"Es ist einfach so, dass oft noch der Blick fehlt, wie es für uns ist, sich durch die Stadt zu bewegen und was es da alles für Hindernisse gibt", sagt Monika Reintges, die seit 28 Jahren im Rollstuhl sitzt, nachdem sie als 37-Jährige einen Schlaganfall hatte. "In der Gesellschaft fehlt das Bewusstsein für Menschen mit Behinderung", stimmt Monika Schmidt zu.

Wobei beiden Forchheimerinnen wichtig ist: "Wenn es zu eng wird und wir zum Beispiel bei Cafés Probleme haben durchzukommen, sagen wir freundlich etwas, und viele Menschen sind wirklich sehr hilfsbereit und rücken dann zur Seite, betont Reintges. Aber: "Manchmal müssen wir uns auch dumm anreden lassen."

Von Gehwegplatten bis Kopfsteinpflaster in Forchheims Innenstadt

Die Hauptstraße ist links und rechts außen von glatten Gehwegplatten gesäumt - im Unterschied zum Pflaster in der Mitte ist es auf diesen Platten für Rollstuhlfahrer viel einfacher sich fortzubewegen.

Aber hier stehen mitunter Kleiderständer, Plakatständer oder sogenannte Kundenstopper mit Werbung - sodass Rollstuhlfahrer diese Platten verlassen und sich auf unebenen Grund begeben müssen.

Durch Corona mehr Außenbestuhlung bei Gastonomien

Angesprochen hat das auch Manfred Hümmer, FW-Stadtrat und Beauftragter für Barrierefreiheit und Menschen mit Behinderung, in der jüngsten Sitzung des Stadtrats: "Durch die Corona-Pandemie gibt es mehr Außenbestuhlung bei Gastronomien. Das ist nicht nur in der Fußgängerzone der Fall, sondern auch in Seiten- und Verbindungsgassen zur Hornschuchallee", sagte er.

Das sei aber nicht im Sinne der Inklusion und auch in Sachen Verkehrssicherheit kontraproduktiv. "Darauf weise ich seit Jahren schon hin. Ich weiß, das Ordnungsamt macht sporadisch Ansprachen. Ich finde, da muss was passieren, das kann so nicht bleiben."

"Menschen mit Handicap werden von ihrer Umwelt behindert"

Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) stimmte in der Sitzung zu: "Ich bin dankbar für diesen Appell. Die Platten sind ja nicht aus Langeweile da, sondern sollten begehbar sein." Darauf könne man nicht oft genug hinweisen, er gebe den Appell weiter. Noch viel zu oft würden "Menschen mit Handicap von ihrer Umwelt behindert".

Für die Rollstuhlfahrer ist auch Teil des Alltags, dass sie ungewollt längere Strecken auf sich nehmen müssen. "Wenn es Hindernisse gibt und wir sie umfahren müssen, kommt es vor, dass man einen längeren Weg nehmen muss, bis wieder eine Gehwegabsenkung kommt, die wir schaffen können."

Teils Umwege und weite Strecken

Auch für das Aufsuchen einer behindertengerechte Toilette legen sie längere Strecken zurück. "Am Rathaus gibt es eine gute. Ich hoffe, dass es nach der Sanierung dort eine mit automatischen Türöffner gibt, denn die Tür ist sehr schwer. Mein einer Arm ist voll gelähmt, mit dem anderen habe ich da manchmal zu kämpfen, die Tür aufzubekommen", berichtet Monika Reintges. Auch mehr Hinweisschilder zu solchen Toiletten für nicht Ortskundige fände sie gut.

"Natürlich ist Kopfsteinpflaster das Markenzeichen unserer Stadt", sagt Monika Schmidt. Dennoch hofft sie, dass künftig gesamtgesellschaftlich mehr an Menschen mit Behinderung gedacht wird. "Es wäre schön, wenn keiner benachteiligt ist."

Schließlich betrifft Barrierefreiheit nicht nur Menschen im Rollstuhl: "Ältere, die einfach nicht mehr gut zu Fuß unterwegs sind, Senioren mit Rollator oder Gehstock oder auch Eltern mit Kinderwagen." Wenn auf dem Gehweg kein Platz für die Rollstuhlfahrerinnen ist und sie auf die Straße ausweichen müssen, wird es schnell gefährlich. "Die Autofahrer rechnen nicht damit", sagt Monika Reintges.

"Wir müssen Wege finden"

Im Gespräch mit den NN betont Manfred Hümmer: "Natürlich war es auch richtig, in Pandemie-Zeiten den Außen-Aufenthaltsbereich von Gastronomien zu erweitern. Es ist ein zweischneidiges Schwert." Aber es sei eben sehr gefährlich, wenn Rollstuhlfahrer auf die Straße ausweichen müssten und diese auch nicht immer so schnell reagieren könnten.

Auch ist ihm wichtig, Barrierefreiheit weit zu fassen. "Eltern mit Kinderwagen betrifft die Thematik genauso." Es gehe darum, an die ganze Gesellschaft zu denken und Hürden im Alltag zu minimieren. "Menschen mit Sehbehinderung mit taktilem Stock, Blinde oder Menschen, die schlecht hören, ob temporäre oder dauerhafte Behinderung: Wir müssen Wege finden, allen Bedarfen gerecht zu werden."

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