Forchheimer Familie bei nächtlicher Abschiebung getrennt

11.4.2021, 09:04 Uhr

Um 3.21 Uhr habe es ganz laut an der Wohnungstür geklopft. Damit nicht das ganze Haus aufwacht, sei sie im Schlafanzug an die Tür. Dort standen sechs bis acht Polizeibeamte und Vertreter der zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in Bayreuth. Sie habe sie reingelassen, sie hätten sie sofort in den Korridor gedrängt, damit sie nicht mehr mit ihrem Mann Kontakt aufnehmen konnte.

Die 14-jährige Tochter durfte nicht aus ihrem Zimmer. Als sie es trotzdem versuchte, sei sie mit Gewalt daran gehindert worden. Sie wurde panisch und schrie laut. "Ich durfte nicht zu meinem Kind, um es zu beruhigen", sagt Elvina B.

Das Mädchen habe die ganze Nacht nicht mehr geschlafen und sei am Morgen noch unter Schock gewesen. Auch die kleine Tochter (5) im gemeinsamen Schlafzimmer weinte.

Weil Elvina B. zu ihren Kindern und auch kurz mit ihrem Mann sprechen wollte, habe eine Polizistin sie am Arm festgehalten und in die Toilette gezerrt, wo sie eingeschlossen wurde. "Das war so grausam." Erst nach Bitten habe die Frau eine Jacke über den dünnen Schlafanzug mit kurzer Hose ziehen dürfen.

Petition an den Landtag läuft

Ihrem Mann habe sie keine Tasche mehr packen können. In Begleitung der Polizistin an den Schrank im Schlafzimmer zu gehen, wollte sie nicht, um zu verhindern, dass die Fünfjährige beim Anblick der Polizei noch panischer wird. Ihr Mann sei dann "wohl ohne alles, nur in Jogginghose, T-Shirt und Jacke", die im Flur hing, abgeführt worden, erzählt Elvina B.

Gesehen hat sie ihn nicht mehr. Wohin er kam, habe sie stundenlang nicht gewusst. Gegen Mittag erhielt sie einen kurzen Anruf von ihrem Mann. Da war er am Flughafen in Düsseldorf, von dem er kurz darauf nach Georgien ausgeflogen wurde.

Noch am Morgen hat ein ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer, der die Familie seit Monaten betreut, eine Petition an den Bayerischen Landtag gestellt. Der Anwalt der Familie hat zudem einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht in Bayreuth gestellt.

Beides konnte die Abschiebung von Amin S. nicht verhindern. Der Helfer, der seinen Namen nicht nennen möchte, berichtet, dass die Familie seit sieben Jahren im Landkreis und seit sechs Jahren in Forchheim lebt und bestens integriert sei.

Die 14-jährige Tochter besucht das Gymnasium. Die Frau, die in ihrer Heimat Akademikerin war, mache eine Ausbildung als Sozialassistentin. "Im Juli bekomme ich mein Abschlusszeugnis, mein Notendurchschnitt ist 1,2", sagt sie. Einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab August bei einem Pflegedienst in Forchheim hat sie bereits in der Tasche.

"Die Familie würde alle Voraussetzungen erfüllen, um nach dem Aufenthaltsgesetz § 25b einen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht zu haben, das ihr aber von der Regierung von Oberfranken verweigert wird", sagt der Helfer. Weil sich die Lage zuspitzte, unter anderem habe die Behörde die Ausweise nicht verlängert, habe er vor zwei Monaten für Frau und Töchter eine Petition beim Landtag eingereicht, die bald im Ausschuss behandelt werde.

Zum Gespräch eingeladen

Amin S., der in Georgien Tierarzt war, habe jahrelang als Aushilfe bei karitativen Organisationen in Forchheim gearbeitet, "bis ihm die Arbeitserlaubnis entzogen wurde", so der Helfer. Warum sei unklar. "Seine Abschiebung ist nicht gerechtfertigt", betont er.

Erst vor kurzem sei der 42-Jährige zu einem Gespräch bei der ZAB in Bayreuth eingeladen gewesen. Dort habe man ihm ein Formular für eine Arbeitserlaubnis gegeben und gesagt, er soll sich eine Arbeit suchen. Amin S. habe es abgeschickt, "sich eine Arbeit gesucht und war voller Hoffnung". Stattdessen kam jetzt die nächtliche Abschiebung.

Die Regierung von Oberfranken teilt mit, dass Amin S. "nachvollziehbar ausreisepflichtig" war, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war. Eine freiwillige Ausreise habe er ausdrücklich abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Bayreuth habe den am Tag der Abschiebung gestellten Eilantrag abgelehnt. Auch Frau und Kinder seien ausreisepflichtig, nach Aserbaidschan, Herkunftsland der Mutter und der älteren Tochter. Eine familiäre Wiedervereinigung sei in beiden Ländern möglich.

Beim Termin habe die ZAB Amin S. nicht aufgefordert, sich einen Job zu suchen – ohne Duldungsanspruch durfte er nicht arbeiten. Das Formular sei ihm auf seine Nachfrage hin ausgehändigt worden. Die Petition beim Landtag betreffe Lebensgefährtin und Kinder. Trotz fehlender Ausbildungsduldung solle erreicht werden, dass die Frau ihre Ausbildung abschließen könne. Den Ausschuss wolle die Regierung abwarten.

Die Polizei Oberfranken teilt mit: Am Flughafen war eine Übergabe zwischen 6.30-10.30 Uhr terminiert, weshalb eine Abholung in den frühen Morgenstunden erfolgte. Zur Trennung der anwesenden Personen teilt eine Sprecherin mit, dass aus polizeilicher Sicht in erster Linie wichtig sei, eine Eskalation der sehr schwierigen Situation zu verhindern.

Die Beamten seien stets bemüht, so menschlich wie möglich vorzugehen. Dass die Frau keine Möglichkeit gehabt hätte, etwas anzuziehen oder Sachen zu packen, weiche von den Angaben der Beamten ab.


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