Forchheims Brauereien im Belagerungszustand

27.5.2019, 06:00 Uhr
Forchheims Brauereien im Belagerungszustand

© Foto: Udo Güldner

Früher gerieten hier einmal die Kanalschiffer ins Schwimmen. Heute erinnert nurmehr das Emblem mit dem Boot über der Tür der Brauerei Neder daran, dass hier Matrosen auf Landgang einkehrten. Wer in das Dunkel eintritt, der wird von uriger Atmosphäre und noch urigeren Stammgästen empfangen. Die sitzen schon seit dem frühen Morgen hier und brauchen den "Tag der Offenen Brauereien" nicht wirklich, um ein Seidla nach dem anderen "zu versenken". Für alle anderen bietet sich weiter hinten ein einzigartiger Blick in das Sudhaus, in dem noch Werkzeuge und Gerätschaften im Einsatz sind, die andernorts ein Museum schmückten. Kaum einer erliegt diesem nostalgischen Charme nicht. Gerade viele junge Besucher sind es, die diesen handwerklichen Ansatz schätzen. Wie überhaupt das Publikum einen erstaunlich niedrigen Altersschnitt aufweist.

Mehr als 40 Mal werden Seniorchef Christian Schuster und sein gleichnamiger Sohn an diesem Nachmittag durch die kühlen Katakomben der Brauerei Greif führen und dadurch trotzdem ins Schwitzen kommen. Ein Glück, dass dort unten das "Zwickel"-Bier auf eine Verkostung wartet. Man muss ja schließlich auf die Qualität achten. Also wird der Zwickelhahn immer wieder geöffnet, um die noch ungefilterte Flüssigkeit zu entnehmen. In einigen Wochen wird daraus Annafestbier geworden sein, wenn sich nicht noch mehr Menschen hierher verirren. Wobei es schwer werden dürfte, 300 000 Liter auszutrinken.

Die Keller mit den Lagertanks sind ein regelrechtes Labyrinth, aus dem es für das Bier nur einen Ausweg gibt: in die Kehlen durstiger Kerle, die sogar leere Bierkästen nutzen, um überhaupt noch einen Sitzplatz zu ergattern. Und das, obwohl "Junggesellenabschiede nicht erwünscht" sind. Die würden den geselligen, heiteren Charakter stören.

Auf dem Weg zur Brauerei Eichhorn kommt einem eine Gruppe Männer in Blau entgegen. Es sind Jungs aus Mömlingen, nach eigenem Zuruf "Das Tor zum Odenwald". Noch sind sie allerdings nicht blau genug, um auf die "Bierkutsche" angewiesen zu sein. Denn auf dem "Walk of Beer" kann man an diesem Tag auch fahren. Tourismus-Chef Nico Cieslar hat den Shuttle-Service und noch ganz andere Dinge organisiert. Hinter dem Steuer des quietschgelben Postbusses Baujahr 1980 sitzt Andreas Opitz aus Neunkirchen, der das große Los gezogen hat: Er muss als Einziger in der gesamten Innenstadt nüchtern bleiben.

Im "Achhörnla" selbst warten neugierige Gäste auf das knusprige Treber-Schnitzel und das würzige Braunbier-Gulasch. Auch Jürgen Zöbelein, der sich einmal mehr als Bierkönig Gambrinus verkleidet hat. Neben ihm: Miriam Leiner, amtierende Bierkönigin, im Plausch vertieft mit Vorgängerin Carina Schneider. Der idyllische Biergarten wird den ganzen Tag über im Belagerungszustand sein. Auch ein kleiner Platzregen kann die Gäste nicht vertreiben. Denn so viel, dass man danach ein saures Radler vor sich stehen hätte, kommt nicht von oben herab.

Die beengten räumlichen Verhältnisse lassen keine Führungen durch die Brauerei Hebendanz zu. Schließlich werden hier, wie auch bei Kollegin Astrid Neder-Haub nebenan, gerade einmal rund 5000 Hektoliter erzeugt — im ganzen Jahr. Keine Mengen, für die man riesige Anlagen bräuchte. Deshalb hat man sich entschlossen, auf der anderen Straßenseite eine kleine Schaubrauerei aufzubieten.

Mandarinengeruch schnüffeln

Dort erklärt Martina Hebendanz, welch großen Aufwandes es bedarf, um aus Gerstenkörnern, Hopfenblüten, Hefepilzen und Leitungswasser den goldenen Gerstensaft herzustellen, dem hier alle nachjagen. Auch Matthias "Matze" Hösch und seine Instagram-Freunde, denen sogar das Bayerische Fernsehen auf den Fersen ist. Sie dürfen den Mandarinengeruch des Aromahopfens erschnüffeln, über die Vielfalt der Malze staunen und selbst einmal im kochenden Sud herumrühren.

Im Hof der Brauerei Neder herrscht Hochbetrieb. Kaum ein Quadratmeter ist nicht von gut gelaunten Menschen bevölkert. Musikalisch heizen Bernhard Lauger am Akkordeon, Dieter Zimmerer mit der Gitarre, Eva Knorr an den Stimmbändern und Peter Lassner auf einer hallenden Holzkiste die Stimmung auf. Bis selbst das "Schwarze Anna-Eis" aufgibt. Flüssig ist eben immer noch am besten.

 

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