Generation Corona?

Forchheims Mittel- und Realschüler auf Ausbildungsplatzsuche

26.7.2021, 06:00 Uhr
Shaher und Halil arbeiteten während der Praxiswoche an der Adalbert-Stifter-Schule unter anderem am Streitschlichterhäuschen. Lieber hätten sie jedoch ein Praktikum in einem Unternehmen gemacht. 

© Berny Meyer, NN Shaher und Halil arbeiteten während der Praxiswoche an der Adalbert-Stifter-Schule unter anderem am Streitschlichterhäuschen. Lieber hätten sie jedoch ein Praktikum in einem Unternehmen gemacht. 

Ein Schuljahr haben Max, Munzur, Shaher und Halil noch, bis sie im M-Zug der Forchheimer Adalbert-Stifter-Schule die Mittlere Reife ablegen. Und auch wenn das noch eine Weile hin ist, beschäftigen sie sich schon intensiv mit der Frage: Wie geht es danach weiter? Lieber weiter in die Schule oder doch eine Ausbildung? Und wenn Ausbildung, in welchem Beruf?

Normalerweise helfen den Schülerinnen und Schülern an Mittel- und Realschulen in dieser Phase der Berufsorientierung eine Reihe von Praktika. Doch in diesem und dem vorangegangenen Schuljahr ist durch Corona eben vieles anders als sonst.

"In diesem Jahr waren Praktika nur sehr eingeschränkt möglich", erklärt Martin Horn, Schulleiter der AST. Lange war das Schnuppern von Praxisluft vor Ort bei den Firmen durch den Lockdown gar keine Option. Daher wurde die Praktikumswoche, die die Schüler auf dem Weg zur Mittleren Reife machen, soweit wie möglich nach hinten auf die Zeit kurz vor den Ferien verschoben.

Munzur würde nach der Schule gern etwas Kaufmännisches machen. Aber in diesem Bereich seien die Mitarbeiter vieler Unternehmen noch im Homeoffice. Ein Praktikum daher nur selten möglich.

Munzur würde nach der Schule gern etwas Kaufmännisches machen. Aber in diesem Bereich seien die Mitarbeiter vieler Unternehmen noch im Homeoffice. Ein Praktikum daher nur selten möglich. © Berny Meyer, NN

Und trotzdem fanden längst nicht alle einen Praktikumsplatz bei Unternehmen in der Region. Auch Max, Munzur, Shaher und Halil nicht. "Ich habe einige Bewerbungen geschickt, aber am Ende hat nichts geklappt", erzählt der 16-jährige Munzur. Er möchte später mal in die kaufmännische Richtung. "Was genau, weiß ich noch nicht, aber Zahlen und Finanzen ist eigentlich schon mein Ding." Also hat er sich für ein Praktikum als Finanzfachangestellter oder im kaufmännischen Bereich beworben. "Aber da arbeiten die meisten noch im Homeoffice und nehmen aktuell gar keine Praktikanten", erzählt er.

Ganz ähnlich ging es Max, der nach seiner mittleren Reife gern etwas im Bereich Elektrik machen würde. Einige Praktika bei einem Elektriker hat er dazu schon absolviert. "Das hat mir schon Spaß gemacht." Dieses Mal wollte er aber lieber bei einer größeren Firma reinschnuppern. Doch auch da: Fehlanzeige.

Weil sie keine Stellen gefunden haben, nahmen die vier Jungs nun an einer Praktikumswoche in der Schule teil. Handwerkliche Tätigkeiten wie das Ausbessern des Bodens im Streitschlichterhäuschen konnten sie dabei ebenso ausprobieren wie künstlerische und technische. So übernahmen sie die Gestaltung von Trennwänden für die jüngeren Schüler oder brachten die Computer und Leih-Tablets der Schule auf den neuesten Stand.

Dennoch bedauert Schulleiter Martin Horn: "Das ersetzt einfach nicht die praktischen Erfahrungen, die sie in Unternehmen machen könnten". Dadurch fehlen den Schülern, nicht nur den vier Jungs sondern auch den anderen Jahrgängen, wichtige Bausteine in der Berufsorientierung", erklärt er.

Dazu müsse man wissen, dass sich die Schülerinnen und Schüler an der Mittelschule schon in den unteren Jahrgängen darüber Gedanken machen, welchen Beruf sie später ergreifen könnten. "In der siebten Klasse steigen wir dann so richtig ein, in der achten haben die meisten schon eine Vorstellung davon, was ihnen liegt", so Horn. Dann schließen sich diverse Praktika in den einzelnen Jahrgängen an, in denen die Schüler nach dem Prinzip Trial and Error austesten können, ob sie mit ihrer Vorauswahl richtig liegen oder sich falsche Vorstellungen von einem Beruf gemacht haben.

Max interessiert sich für Elektrik. In der Praktikumswoche probierte er sich beim Bemalen von Trennwänden für die jüngeren Schüler aber auch im künstlerischen Bereich aus. 

Max interessiert sich für Elektrik. In der Praktikumswoche probierte er sich beim Bemalen von Trennwänden für die jüngeren Schüler aber auch im künstlerischen Bereich aus.  © Berny Meyer, NN

"Und genau das ist nun nur sehr eingeschränkt möglich gewesen", bedauert er. Denn wenn sich nun bei dem einen oder der anderen herausstelle, dass sie daneben gelegen haben, dauere es ja auch, bis sie sich neu orientiert haben.

Die Schule versuche mit eigenen Angeboten zu unterstützen, organisiert externe Experten, die ihren Berufsstand im Unterricht vorstellen oder gleicht mit theoretischen Inhalten aus. Auch die Berufsberatung des Arbeitsamtes ist ein Baustein der Berufsorientierung. Dabei wurde auch sie anfangs durch das Homeschooling ausgebremst, wie Johanna Huber erzählt. Sie ist als Berufsberaterin für mehrere Mittel- und Realschulen in Forchheim, Heroldsbach und Ebermannstadt zuständig.

Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern via Videokonferenzen aufzunehmen, dauerte etwas, sagt sie. Dadurch, aber auch durch die anderen äußeren Umstände, hätten die Jugendlichen später begonnen, sich mit Berufswünschen und Ausbildungsplatzsuche zu beschäftigen. Und natürlich sei es für sie schwieriger gewesen, sich zu orientieren.

Jedoch sieht die Berufsberaterin längst nicht nur Nachteile in der Situation: "Die Kompetenz im Bereich E-Learning und auch Eigenmotivation ist gestiegen", erklärt sie. Viele der Schülerinnen und Schüler, die sie betreut, haben Hemmungen abgebaut, bei Firmen selbst telefonisch oder per E-Mail anzufragen. Der Effekt: Wer wusste, in welche Richtung es gehen soll, der hat sein Ziel trotzdem erreicht.

Dabei stehen die Nachteile, die durch Corona entstanden sind, einem riesengroßen Vorteil gegenüber, den die Jugendlichen im Vergleich zu vielen Jahrgängen vor ihnen haben: Es gibt genügend Ausbildungsstellen (siehe Infokasten). "Wer nach der Schule eine Ausbildung machen will, der wird fündig werden", sagt auch die Teamleiterin von Johanna Huber, Alexandra Grosch. Denn trotz Corona kämpfen viele Wirtschaftsbereiche noch immer mit einem Fachkräftemangel.

Und die, die durch die Umstände sich doch noch nicht für einen beruflichen Werdegang entscheiden konnten? "Die haben das Glück, dass das Schulsystem trotzdem noch Möglichkeiten bereit hält", sagt Alexandra Grosch von der Agentur für Arbeit. Nach dem Quali könnten sich Mittelschüler für den weiteren Weg bis zur mittleren Reife entscheiden, Realschüler könnten an der Fachoberschule noch ihr Abitur machen. Darüber hinaus habe die Agentur für Arbeit Überbrückungsangebote für Abbrecher aufstocken können. Frisch angetretene Azubis, die während des Homeschoolings in ihrem letzten Schuljahr Defizite aufgebaut haben, könnten außerdem Nachhilfestunden erhalten. "Unser aller Ziel ist ja, dass niemand auf der Strecke bleibt", sagt die Berufsberaterin.

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