Nötig oder überdimensioniert?

Fränkische Schweiz: Kernwegeausbau stößt auf Kritik

9.9.2021, 06:00 Uhr
Moderne Schlepper brauchen viel Platz, daher sollen jetzt etliche Wege ausgebaut werden.

© Berny Meyer, NN Moderne Schlepper brauchen viel Platz, daher sollen jetzt etliche Wege ausgebaut werden.

Landwirtschaftliche Maschinen werden immer größer, breiter und schneller. Auf herkömmlichen, meist bis zu 2,5 Meter breiten Feldwegen stoßen sie schnell an ihre Grenzen. Im Rahmen des Kernwegekonzeptes (wir berichteten mehrfach), das schon 2014 von der Bayerischen Staatsregierung aufgelegt und mit Fördermitteln versehen wurde, sollen in den Regionen der Kommunen, die im Verein "Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) Fränkische Schweiz Aktiv“ zusammengeschlossenen sind, Feld- und Flurwege auf eine Breite von 3,50 Meter asphaltiert und für eine Traglast von bis zu 40 Tonnen ausgebaut werden. Dazu kommen rechts und links noch befestigte Bankette und Gräben, so dass die gesamte Trasse sieben bis neun Meter breit sein wird.

Passt nicht in klein strukturierte Landschaft

Diese Dimensionen stoßen auf großen Gegenwind. Norbert Braun aus Mittelehrenbach hat eine Interessengemeinschaft "Für eine bäuerliche Landwirtschaft" gegründet, die sich gegen das Projekt Kernwegenetz wendet. Die Pläne passen aus seiner Sicht und die seiner Mitstreiter so gar nicht in die klein strukturierte Landschaft der Fränkischen Schweiz. "Wie kann man bei uns so etwas planen, die schöne Landschaft ist doch auch unser Pfund für den Tourismus", findet der 69-Jährige, der selbst eine kleine Landwirtschaft betreibt.

Er kritisiert, dass von dem Kernwege-Projekt nur wenige, große und industriell arbeitende Landwirte in der Region profitierten, die eben mit riesigen Landmaschinen ihre Flächen bearbeiten würden. In der Zeit des Klimawandels und des Artensterbens sei der Ausbau der Wege nicht zeitgemäß und widerspreche auch den Zielen der Integrierten ländlichen Entwicklung der ILE, die sich für den Ausbau und Erhalt vielfältiger, regional produzierter Lebensmittel und den naturverträgliche Anbau einsetzen sollte, so Braun.

Weglänge steht noch nicht fest

In einer Informationsbroschüre "Kontra Kernwegenetz" schreibt die Interessengemeinschaft, dass das Kernwegenetz auf einer Länge von 313 Kilometern in der Region ausgebaut werden sollte. Das aber, so stellt Braun klar, sei nur eine angenommene Zahl. Die endgültige Weglänge stehe erst im Laufe des Verfahrens fest.

Christiane Meyer, Vorsitzende der ILE Fränkische Schweiz Aktiv, sieht auch eine Chance im Kernwege-Konzept.

Christiane Meyer, Vorsitzende der ILE Fränkische Schweiz Aktiv, sieht auch eine Chance im Kernwege-Konzept. © Roland Huber

Wie ist der aktuelle Stand des Projektes? Im Sommer haben in den zehn beteiligten Gemeinden - Ebermannstadt, Kirchehrenbach, Kunreuth, Leutenbach, Pinzberg, Pretzfeld, Unterleinleiter, Weilersbach, Wiesenthau und Wiesenttal - Abstimmungsgespräche darüber stattgefunden, welche Wege für das Projekt überhaupt vorgeschlagen werden sollen, erläutert Christiane Meyer, Vorsitzende der ILE und Bürgermeisterin von Ebermannstadt. Für ihre Stadt habe sie dazu an zwei Terminen Landwirte, Wegewarte, Vertreter des Bund Naturschutz und weitere Betroffene zusammengeholt, um aus jeder Blickrichtung Informationen zu erhalten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und um Vorschläge zu erarbeiten.

"Ist auch eine Chance"

"Ich sehe in dem Projekt auch eine Chance, gemeinsam zu schauen, welche Wege wichtig oder unwichtig sind", sagt sie. Sie weiß natürlich, dass das Thema kontrovers diskutiert wird. Aber jede Kommune könne sich doch die Wege raussuchen, die für so eine Förderung sinnvoll seien. "Man muss sich an einem Tisch zusammensetzen, sich zuhören und sich auseinandersetzen", appelliert sie an alle Beteiligten. Außerdem gibt sie zu bedenken: "Als Bürgermeisterin ist das für mich einfach erst einmal ein Förderszenario für die nächsten 15 Jahre, nicht mehr und nicht weniger." Wie viele Wege dann am Ende überhaupt ausgebaut werden, das sei derzeit gar nicht abzusehen.

"Zurzeit arbeitet das von der ILE beauftragte Planungsbüro BBV-LandSiedlung die Vorschläge der zehn Kommunen auf", erläutert Lothar Winkler, Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberfranken in Bamberg. In seiner Behörde laufen die Fäden für das Projekt Kernwegenetz zusammen. Das Büro gebe dann die "allerersten Entwürfe an uns weiter". Unter der Leitung seines Stellvertreters Alexander Kießling, derzeit in Urlaub, schaue man, "ob die Wünsche der Gemeinden realistisch sind und ob sie überhaupt den strengen Vorgaben entsprechen.

Stellungnahmen einarbeiten

Nach dieser ersten Überarbeitung gehen, so Winkler, die Vorschläge an die Steuerungsgruppe der ILE, in der die Bürgermeister/innen der zehn Gemeinden sitzen, zurück und werden dort abermals diskutiert. Dann schreibt das Planungsbüro sogenannte "Träger öffentlicher Belange" an, darunter sind zum Beispiel der Bauernverband, die Untere Naturschutzbehörde, das Wasserwirtschaftsamt und das Straßenbauamt, die eine Stellungnahme zu den Vorschlägen abgeben sollen.

Deren Anmerkungen und Rückmeldungen müsse die ILE-Steuerungsgruppe wieder einarbeiten. "Erst dann werden die Wege-Vorschläge bei uns im Amt endgültig geprüft", beschreibt Lothar Winkler den Verfahrensablauf. Er rechnet damit, dass im Frühjahr 2022 eine Liste möglicher Wege vorliegen werde. Wie viele Kilometer tatsächlich ausgebaut werden sollen, das sei noch völlig unklar. "98 Prozent der Wege werden auf alten, bestehenden Trassen ausgebaut, das ist unsere Erfahrung aus bisherigen Projekten", sagt der ALE-Leiter. Bei Igensdorf, das über die ILE Wirtschaftsband A9 am Kernwegenetz-Konzept beteiligt sei, würden gerade die ersten Wege ausgebaut, sagt er. "Dort hat es kaum Gegenwind gegen den Ausbau gegeben."

"Ein Märchen"

Hermann Greif aus Pinzberg, Kreisobmann beim Bayerischen Bauernverband, versteht die Kritik am Kernwegeprojekt nicht. "Wir brauchen den Ausbau der Wege für die modernen Landmaschinen", betont er. Es sei ein Märchen, dass kleine Bauern kleine Landmaschinen nutzten. "Die kleinen holen sich genauso wie die großen Landwirte die großen Maschinen wie Mähdrescher, Häcksler oder Ballenpressen beim Maschinenring oder beim Lohnunternehmer", die dann auf ihren Flächen die Arbeit machten.

"Modern ist nicht schlechter, sondern oft auch besser", setzt Greif nach. "Die großen, breiten Ballonreifen der riesigen Landmaschinen machen zum Beispiel weniger Druck auf den Erdboden wie die kleinen, alten Traktoren. Gerade heuer bei dem vielen Regen hätten wir mit der alten Erntetechnik gar nicht ernten können, weil wir im aufgeweichten Boden stecken geblieben wären. Die modernen Maschinen fahren da einfach drüber. Da sinkt nichts ein."

6 Kommentare