Führung zu den historischen Bewässerugsanlagen im Wiesenttal

19.8.2019, 05:51 Uhr
Führung zu den historischen Bewässerugsanlagen im Wiesenttal

© Foto: Udo Güldner

Der Pfarreienverbund Ehrenbürg und der Tourismusverein "Rund ums Walberla-Ehrenbürg" gehen seit vier Jahren neue Wege. Mit der Sommerkirche wollen sie Gläubige, wunderschöne Kirchen und die landschaftlichen Schönheiten zusammenbringen. Mehr als 50 Besucher strömten herbei, als es um die historischen Bewässerungsanlagen im unteren Wiesenttal ging. Vom Diplom-Biologen Johannes Mohr erfuhr man Erstaunliches.

In Zeiten, in denen Wohnbebauung bis ans Ufer getrieben, Flächen versiegelt und einst freilaufende Flüsse in viel zu schmale Rinnen gezwängt werden, hat man Angst vor Hochwasser. Dabei gab es Zeiten, in denen es ganz anders war. Da galten steigende Pegel als Gottesgeschenk, um landwirtschaftliche Flächen unter Wasser zu setzen.

Auch im unteren Wiesenttal zwischen Ebermannstadt und Forchheim spielte das Hochwasser eine lebensspendende Rolle. Im 16. Jahrhundert gingen die Menschen daran, die nicht planbaren natürlichen Überschwemmungen durch regelmäßige, künstliche Bewässerungen zu ersetzen. "Erste urkundliche Hinweise gibt es 1504. Wir vermuten aber auch, dass bereits die Bewohner der Ehrenbürg ab der Jungsteinzeit sich diese Kulturtechnik zunutze gemacht haben."

Gefrorenen Boden aufwärmen

Im 18. Jahrhundert zog man auf einem Gebiet von rund 2000 Hektar Gräben durch die Wiesen links und rechts der Wiesent und ihrer Nebenarme Trubach, Thosbach und Leinleiter. Von einem größeren Zuleiter, versperrt mit einem größeren Wehr oder einem kleineren Schütz, führte man das Wasser auf die Fläche. "Es war in Satzungen ganz genau geregelt, wer wann wie viel davon bekam." Dabei wurden die Lebensadern, durch die das wertvolle Nass floss, immer kleiner, wie im menschlichen Blutkreislauf, der von Schlagadern bis zu Haargefäßen ganz verschiedene Durchmesser aufweist. Das hatte gleich mehrere Vorteile:

Im Frühjahr konnte man mit dem Flusswasser, das nicht unter acht Grad Celsius abkühlt, den vom Winter gefrorenen Boden aufwärmen. Auf dass die Vegetation früher zurückkehrte. Schließlich galt es, Grünfutter für die Wiederkäuer zu erzeugen. Denn die hatten Milch, Leder, Fleisch und auch Mist zu geben – er war als Dünger für die Äcker unverzichtbar. Der Kunstdünger kam ja erst im 19. Jahrhundert auf die Welt.

"Die Bewässerung steht am Anfang einer intensiveren Landwirtschaft, die unsere Region maßgeblich geprägt hat." Im Sommer diente die Bewässerung als Regenersatz. Damit vermied man den Trockenstress und konnte bis zu fünf Mal mähen. Zudem verbesserte sich dadurch das Mikroklima. Im Herbst konnte man mit dem Schlamm aus der trüben Wiesent die Graslandschaft düngen. Im Winter bekamen es allerlei Schädlinge der Landwirtschaft wie Mäuse oder Maulwürfe mit den steigenden Fluten zu tun, die ihnen die Keller volllaufen ließen.

Bald Unesco-Weltkulturerbe?

Wenn man denn die uralte Technik des gleichmäßigen Unter-Wasser-Setzens beherrschte. "Das ist nämlich gar nicht so einfach wie man denkt." Weshalb es nicht nur gelte, die Bauten, sondern auch das Wissen zu retten. Auch deshalb möchte Mohr mit anderen Mitstreitern durchsetzen, dass die Bewässerungsanlagen zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt werden. "Wir gehören europaweit zu den 14 herausragenden Beispielen dieser Kulturtechnik."

Rund 50 Besucher hörten Johannes Mohr zu.

Rund 50 Besucher hörten Johannes Mohr zu. © Udo Güldner

Heute spiele Landwirtschaft nicht mehr die vitale Rolle wie einst. Viele der Kanäle und Wehre sind verfallen. "Es gibt noch acht aktive, ein Dutzend ruhende und gut 20 aufgelöste Wässer-Genossenschaften." Und doch zahlt der Landkreis Forchheim nach Auskunft Mohrs jährlich rund 100 000 Euro für den Erhalt und die Erneuerung der alten Anlagen.

"Weil es dem Steuerzahler im Gegenzug rund zwei bis drei Millionen Euro spart." Hat die Überflutung, die bis zu fünf Mal im Jahr geschieht, und die dann zwischen drei und sieben Tagen andauert, doch auch positive Effekte. Zum einen bleiben die Schwebstoffe und Sedimente auf dem Festland liegen, die man sonst mühsam aus dem Flussbett baggern müsste. Hernach gelangt ein Großteil des bis zur Kristallklarheit gereinigten Wiesentwassers wieder zurück – wichtig für den Gewässerschutz.

Führung zu den historischen Bewässerugsanlagen im Wiesenttal

© Foto: Udo Güldner

Bliebe noch der Klimaschutz. Denn durch die Feuchtwiesen wird viel Kohlendioxid im Boden gebunden, das die Gräser dorthin verfrachteten. "Am besten wären natürlich Moore." Dann freuen sich etliche Pflanzen und Tiere wie Vögel und Insekten über die Wässerwiesen, die durch ihre kleinteilige Struktur zahlreiche Lebensräume bilden.

Es freut sich aber auch der Mensch. Speziell der Forchheimer. Der bekommt sein Trinkwasser aus Flachbrunnen, die wenige hundert Meter weiter in der Zweng liegen. Sie warten auf das kostbare Lebenselixier, das aus der Karstlandschaft der Fränkischen Schweiz heranströmt. "Nur dass es seit Jahren immer weniger wird." Hier hilft das Oberflächenwasser, das im Boden versickert, dort in einer Kiesschicht gefiltert und dann von den Stadtwerken als Grundwasser abgepumpt wird. Wie hatte der Pinzberger Pfarrer Michael Gehret noch gesagt: "Man sieht die Welt gleich mit anderen Augen."

Die Sommerkirche trifft sich wieder am 30. August um 18.30 Uhr zu einem Abendgebet mit der Harfenistin Johanna Scherl (Pinzberg) in der Burgkapelle in Regensberg. Danach wird im Berggasthof Hötzelein eingekehrt. Am 13. September ist um 18.30 Uhr der Männerchor aus Velbert in der Pfarrkirche Wiesenthau zu Gast. Nach dem Konzert gibt es ein Beisammensein im Biergarten der Schloss-Gaststätte.

Wer mehr über die Wässerwiesen rund um Pinzberg erfahren möchte, kann am Dienstag, 17. September, um 18 Uhr zum Bahnhof Gosberg kommen. Dann führt Johannes Mohr im Rahmen der BayernTourNatur zwei Stunden zu den noch betriebenen Bewässerungsanlagen. Die Führung ist kostenlos. Näheres unter Telefon (0 91 91) 86-43 00.

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