Vater gesteht

Getöteter Neunjähriger in Kleinsendelbach: Warum musste der Junge sterben?

18.10.2021, 15:15 Uhr
In dem kleinen Ort Steinbach bei Kleinsendelbach im Landkreis Forchheim wurde im März ein neun Jahre alter Junge getötet.

© NEWS5 / Merzbach In dem kleinen Ort Steinbach bei Kleinsendelbach im Landkreis Forchheim wurde im März ein neun Jahre alter Junge getötet.

„Warum musste der Junge sterben?“ Diese Frage ist es, die nicht nur Manfred Schmidt umtreibt. Der Vorsitzende Richter des Schwurgerichtes versuchte zwei Stunden lang herauszufinden, warum der Vater das wehr- und arglose Kind getötet hatte. Es gelang ihm nicht. Zwar konnte der Vater erklären, warum er den eigenen Suizid ins Auge gefasst hatte. Weshalb auch der Sohn sterben sollte, das blieb bis zuletzt unverständlich. Dabei hatte der Vater sogar vor, die gesamte Familie auszulöschen.

Es war eine Liebesheirat gewesen. Die beiden Kinder waren, so schilderte es der Vater, „Wunschkinder“. Die Beziehung lief viele Jahre gut. Dann aber habe man sich auseinandergelebt. Immer häufiger habe es Streit gegeben. Schließlich folgte im November auf Initiative der Ehefrau die Trennung. Die Kinder blieben bei der Mutter.

Den Tatablauf als solchen schilderte der Vater mit stockender Stimme, zitterndem Körper und darauf bedacht, weder seine Ex-Frau, noch die gemeinsame Tochter anzublicken. Denn der Rest der einst glücklichen Familie saß ihm gegenüber.

Der Junge sei am Wochenende zu Besuch gewesen. „Er ist gerne zu mir gekommen.“ Sie spielten miteinander, gingen zum Friseur oder sahen sich gemeinsam Filme an. „In der Nacht kreisten die Gedanken um die Zukunft.“ Geschlafen habe er kaum, ständig gegrübelt. Dann am Sonntagmorgen, beide sind noch im Schlafanzug, folgt die tödliche Attacke.

Der Junge sieht sich nach dem Aufstehen gerade nichtsahnend eine seiner Lieblingsserien an. Von hinten nähert sich der Vater. In der Hand hat er einen 2,6 Kilogramm schweren Metallbügel, der eigentlich zu seinem Geländewagen gehört. Das Teil hat er am Vorabend ebenso im Schlafzimmer bereitgelegt, wie einen Arbeitshandschuh.

Nach dem ersten wuchtigen Hieb auf den Kopf ist das Kind aber noch nicht tot. „Er drehte sich zu mir um und sagte: Papa, was ist das?“ Dann sackt der Junge zusammen. Der Vater setzt nach, würgt seinen eigenen Sohn, „bis er sich nicht mehr bewegt hat“. Er habe nicht aufgehört, weil er den Jungen tot sehen wollte. Um ganz sicher zu gehen, greift der Vater sogar noch zu einem Ladekabel, das zufälligerweise auf dem Tisch liegt. Das legt er dem bereits leblosen Jungen um den Hals und zieht zu. Dann beginnt der Vater zu weinen. Über den Leichnam breitet er eine Decke.

Seinen ursprünglichen Plan, auch die 14-jährige Tochter und seine Ehefrau zu ermorden, lässt er nach eigener Aussage nun fallen. „Was ich getan habe, das war so furchtbar. Ich wusste, dass ich dazu nicht mehr in der Lage war.“ Stattdessen überlegt er, wie er das eigene Leben beenden könnte. Doch er kann sich nicht überwinden. Weder mit einem scharfen Küchenmesser, noch durch Baum an der Landstraße, und erst recht nicht mittels eines vollen Benzinkanisters. Stunden später kommt die getrennt lebende Ehefrau vorbei, um den Sohn abzuholen. Der Vater lässt sie nicht in seine Wohnung, bittet sie aber, die Polizei zu rufen.

Der Vater hatte nach eigener Aussage Existenzängste. Was an finanziellen Problemen der Familie lag. Dabei verdiente das Paar monatlich rund 6000 Euro netto, kam aber dennoch mit dem Geld nicht zurecht. „Wir haben mit Autos, Reisen und Möbeln offensichtlich über unsere Verhältnisse gelebt.“

Trotz eines Schuldenberges von rund 50.000 Euro kaufte sich der Vater noch kurz vor der Tat einen Jeep für 45.000 Euro, um damit Off-Road-Fahrten zu unternehmen. Andere Hobbies hatte er augenscheinlich nicht.

Im Hintergrund schwebt aber auch eine langjährige psychische Erkrankung. Vor zwei Jahren war der Vater sogar einige Zeit im Bezirksklinikum Engelthal (Lkr. Nürnberg Land) in Behandlung. Seine Medikamente gegen die Depressionen glaubte er Mitte 2020 aber selbst absetzen zu können. Die Folge: Antriebslosigkeit, Vernachlässigen der beruflichen Projekte, Arbeitsblockaden. „Ich hatte Angst, beruflich zu scheitern.“

Darunter habe das Eheleben sicherlich gelitten. Welche Rolle bei der Tat die psychische Erkrankung gespielt hat, dass soll der Sachverständige Dr. Michael Zappe aus Bayreuth klären. Insgesamt sind bis zum 10. November noch sieben Verhandlungstage angesetzt.


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