Gräfenberg: Hetz-Postings bleiben so gut wie folgenlos

25.2.2020, 10:24 Uhr
Gräfenberg hat sich eindeutig gegen rechtsextreme Umtriebe positioniert.

© Roland Huber Gräfenberg hat sich eindeutig gegen rechtsextreme Umtriebe positioniert.

Kreisvorsitzender Michael Hofmann nimmt zu dem Vorfall auf Anfrage unserer Redaktion wie folgt Stellung: "Die CSU ist eine Volkspartei und vereint eine große Bandbreite an Meinungen und Themen in sich, um damit Politik für die gesamte Gesellschaft zu machen. Nicht jede/r in der CSU muss mit jeder Meinungsäußerung von Parteifreunden einverstanden sein.

Thomas Müller allerdings hat Inhalte auf seiner privaten Seite geteilt, die eine Grenze überschreiten und mit den Grundsätzen der CSU nicht vereinbar sind. Hiervon hat sich der CSU-Kreisverband durch meine Person bereits in aller Deutlichkeit distanziert. Thomas Müller habe ich mit den Inhalten, die mir von den Nordbayerischen Nachrichten zugesendet worden sind, konfrontiert. Er hat von sich aus erklärt, dass dies ein großer Fehler war, dies auch glaubhaft bedauert und mit dem Löschen von Posts Maßnahmen ergriffen. Er hat nachdrücklich versichert, dass es nicht seine Absicht war, Fremdenfeindlichkeit oder Hetze zu betreiben. Das kommt auch in seiner Erklärung und seinem nachgelagerten Verhalten zum Ausdruck. Ein ,ins Gewissen reden‘ war nicht erforderlich."

"Unkommentiert geteilt"

Müller hatte auf der Facebook-Seite der Gräfenberger CSU erklärt, einige seiner Posts der letzten drei Jahre seien "nicht in Ordnung" gewesen, weswegen er 17 von ihnen gelöscht habe. Er habe die Beiträge auch nur "unkommentiert geteilt", daher sei "ein falscher Eindruck" entstanden. Das sei ein Fehler gewesen, für den er sich entschuldige. Müller hatte bis in den Dezember hinein Postings mit Hetz-Parolen geteilt. Auch von der AfD, die von seiner Partei eigentlich bekämpft wird. In den Postings wurden Ausländer pauschal verunglimpft, Flüchtlinge wurden generell als Gewalttäter, Kinderschänder oder Schmarotzer dargestellt. Geteilt hat Müller auch eine pauschal herabwürdigende Anti-Flüchtlingstirade von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.

Ein geteilter Beitrag zitiert Außenminister Heiko Maas in dem Sinne, dass die Kinder von IS-Kämpfern nichts für die Verbrechen ihrer Eltern könnten. Dies wird dann plakativ kommentiert mit: "Aber uns Deutschen immer noch Schuld einreden für Verbrechen aus der Nazizeit." Dieser Post ist in schwarz-weiß-rot gehalten, den Farben der Reichskriegsflagge des deutschen Kaiserreiches.

Besonderes Gewicht erhalten solche Postings vor dem Hintergrund, dass Gräfenberg jahrelang von Neonazis heimgesucht und terrorisiert wurde. In der Folge rückte die Zivilgesellschaft zusammen gegen die Rechtsextremen und formulierte mit der Gräfenberger Menschenrechtserklärung eine Art von Selbstverständnis und Selbstvergewisserung darüber, dass rechte Umtriebe in der Stadt nicht geduldet werden.

Diese Arbeitsgrundlage ist im Stadtrat unumstritten. Das gilt auch für den CSU-Bürgermeisterkandidaten Hans Derbfuß. Zu Müllers Facebook-Aktivitäten sagt er: "Herr Müller hat sich dafür entschuldigt. Das war meiner Meinung nach auch aufrichtig. Ich kenne ihn schon sehr lange und er war nie durch unvertretbare Positionen auffällig. Thomas hat sich in Gräfenberg nicht nur bei der Gestaltung unserer Märkte und Stadtfeste aktiv beteiligt. Da habe ich auch von anderen nichts Negatives über ihn gehört. Jetzt stehen die Kommunalwahlen im Vordergrund, damit haben wir alle Hände voll zu tun. Danach werden wir uns noch einmal zusammensetzen."

Der Fall Müller rief auch Landrat Hermann Ulm (CSU) auf den Plan. Ulm, von den NN um eine Stellungnahme gebeten, schreibt: "Auch wenn ich keine Parteifunktionen ausübe und Herrn Müller nicht näher kenne, habe ich ihn dazu aufgefordert, sich von derartigen Dingen zu distanzieren. Jegliche Äußerungen dieser Art, ob links oder rechts, sind völlig inakzeptabel. Erst recht für kommunale Mandatsträger." Vorausgegangen war eine Mitteilung der grünen Kreissprecher Lisa Badum MdB und Karl Waldmann. Sie kritisierten, dass Hofmann als Kreisvorsitzender gegen Müller nicht konsequenter vorgegangen sei.

Posting der AfD geteilt

Hofmanns Äußerung, die CSU vertrete "eine große Bandbreite von Meinungen und Themen in sich", lassen Badum und Waldmann nicht gelten: "Eine demokratische Partei kann niemals die Meinungen von Menschen und Gruppierungen teilen, die unser demokratisches System verachten und deren Traum ein autoritäres System ist." Thomas Müller hatte unter anderem ein Posting der AfD auf seiner Seite geteilt. Die grüne Sprecherin und ihr Kollege forderten daher Hofmann und Ulm zu klaren Stellungnahmen auf. Das hat Landrat Ulm getan.

Vor Beginn der Stadtratssitzung am letzten Donnerstag hatte Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) den Stadtrat um eine Schweigeminute für die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau gebeten, dem alle Stadträte nachkamen.

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Kommentar:

Die CSU Gräfenberg hat ein Glaubwürdigkeitsproblem

Mit Müller ist die Partei im Wahlkampf benachteiligt/Ein Kommentar von Ulrich Graser

Hand aufs Herz: Wenn Sie etwas auf Facebook teilen, immer in derselben Richtung, würden Sie sich selbst dann die Behauptung abnehmen, Sie hätten das "nicht zustimmend" getan? Wer etwas auf einem Social-Media-Kanal teilt, ohne den Inhalt explizit zu kritisieren (etwa so: "Schaut mal, was hier für ein Mist steht"), der steht inhaltlich dazu. Um das nachvollziehen zu können, muss nicht erst der römische Rechtsgrundsatz zitiert werden: Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Lebenserfahrung reicht. Das weiß auch der CSU-Kreisvorsitzende Michael Hofmann. Ein Mann, der mit aller Kraft Nationalismus, Rassismus und Hetze bekämpft und in jeder Hinsicht unverdächtig ist, derlei zu unterstützen. Er kauft Thomas Müller dessen halbherzige Entschuldigung ab und greift nicht durch. So ist Hofmann mitverantwortlich dafür, dass der Ortsverband im Wahlkampf durch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem benachteiligt ist.

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