"Haben gekämpft": Forchheimer Metzgerei Frank schließt nach 100 Jahren

3.1.2020, 05:58 Uhr

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Es ist ein gespenstischer Anblick. Nirgends sind mehr Fleisch und Wurst zu sehen. Theke, Kühlraum und Wurstküche sind sauber und leer. Christian Frank (52) und seine Frau Sigrid sind gerade dabei, die letzten Reinigungen durchzuführen. Danach bleibt die Metzgerei Frank für immer geschlossen. Nach vielen Jahren des Kampfes hat der Metzgermeister nun aufgegeben. Die NN haben sich mit ihm über die Gründe, ein Vierteljahrhundert Handwerk und die berufliche Zukunft unterhalten.

NN: Herr Frank, wann fiel denn die Entscheidung, die Metzgerei zu schließen?

Christian Frank: Der Punkt kam bereits vor fünf Jahren, als Aldi damit begonnen hat, Fleisch und Wurst anzubieten. Man gibt ein Lebenswerk nicht ohne Weiteres auf. Deshalb hat es auch gedauert. Es ist sehr viel Liebhaberei dabei. Wir haben gekämpft, aber irgendwann muss man sich eingestehen, dass man gescheitert ist. Ich wollte schlechtem Geld kein weiteres gutes hinterherwerfen.

Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, waren anstehende Investitionen von rund 100 000 Euro, nur um den laufenden Betrieb zu gewährleisten. Darunter auch spezielle Waagen, auf die das Finanzamt per Schnittstelle direkten Zugriff hätte. Beim CumEx-Skandal erbeuten Kriminelle dutzende Milliarden und man schaut zu, den kleinen Handwerkern unterstellt man Betrug und greift durch.

Sie haben 1994 das Geschäft der Eltern übernommen. Wie sah denn damals die Lage aus?

Frank: Meine Eltern hatten schon damit begonnen, nicht nur auf den Verkauf von Fleisch und Wurst zu setzen. Ein kleiner Imbiss und ein Partyservice hatten dann auch wirklich Erfolg. Von anfänglich 20 Essen ging es auf bis zu 300 am Tag. Es gab zwei Gerichte zur Auswahl, das konnte ich alleine machen. 

Eine Zeitlang waren wir die Einzigen, die ein warmes Mittagessen anboten. Die Gastwirtschaften machten oft erst abends auf. Zeitweise standen die Kunden bis hinaus auf die Straße an. Die Sache ging aber nur acht Jahre gut. Dann stürzten sich die Lebensmittel-Discounter wie Lidl und Aldi auf das Geschäft. Dann ging es richtig bergab. Man sucht sich halt eine Nische, lebt dann einige Zeit davon, und dann ist es wieder vorbei.

Mauser, Mayer, Belzer, Höhn . . . Sie sind ja nur der vorläufig Letzte in einer ganzen Reihe aus der Innenstadt verschwundener kleiner Handwerksbetriebe...

Frank: Alle hatten ähnliche Probleme wie ich. Mit der Ansiedlung des Globus-Einkaufsmarktes haben sich die Kundenströme dorthin verlagert. Nur zum Vergleich: Zu unseren besten Zeiten haben wir 20 Schweine in der Woche verarbeitet. Von einem Kollegen habe ich erfahren, dass es zu gleicher Zeit bei Globus 100 Schweine waren – am Tag. Wir erleben gerade die Industrialisierung des Lebensmittel-Handwerks.

In einigen Jahren wird es keine kleinen Metzger oder Bäcker mehr geben. Die großen Anbieter machen mit einer wahren Filial-Schwemme alles kaputt. Da kannst du als kleiner Handwerker nichts ausrichten. Nur die Dinge, die sehr aufwendig sind und wenig Rendite versprechen, wie das Braten von Gänsen für die Weihnachtsfeiertage, haben sie uns nicht streitig machen können. Nach 20 Jahren waren es vor wenigen Tagen die letzten Tiere.

Woran liegt es denn, dass die Kunden ausblieben?

Frank: Vor ein paar Jahren warnte die Tourismus-Chefin der Fränkischen Schweiz davor, es den Kunden zu billig zu machen, da man dann über kurz oder lang selbst nicht überleben würde. Die meisten Kunden wollen billiges Fleisch, und der Einzelhandel hat sie daran gewöhnt. Es gab mal einen Konkurrenten in Forchheim, der verkaufte doch glatt unter dem Großhandelspreis. Da spielt die Herkunft keine Rolle. Meine Experimente mit Lämmern aus dem Fränkischen Jura und besonderen Schweinen aus Schwäbisch Hall sind fehlgeschlagen.

Je weniger es kosten darf, desto weniger Gewinn ist jedoch möglich. So kann nichts investiert werden. Und dann ist da noch die Sache mit den Stellplätzen vor unserer Haustür. Nur dass da bei zwei Stunden Parkdauer kein Platz für unsere Kunden bleibt. Also fahren die hinaus an den Stadtrand und kaufen dort ein. Irgendwann wandern auch die potenziellen Mitarbeiter oder Auszubildenden dorthin ab.

Was wird denn aus dem Geschäft, aus den Mitarbeitern und nicht zuletzt aus Ihnen selbst?

Frank: Zuerst einmal müssen alle Maschinen und Einrichtungsgegenstände ausgebaut und verkauft werden. Dann sollen die Räume wieder vermietet werden. Gott sei Dank sind alle meine Mitarbeiter untergekommen. Ich hatte ihnen bereits im März das Ende angekündigt.

Ich selbst werde als Verkäufer an der Frischetheke bei Ebl-Naturkost arbeiten. Ein ehemaliger Schulkollege aus der Berufsschule Bamberg ist schon lange dort in der Metzgerei. Er sagte, es sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, dorthin zu wechseln. Das hat mich überzeugt. Da kann ich dann auch meine Kenntnisse als Fleisch-Sommelier nutzen.

Was hat Ihr Vater denn dazu gesagt, dass Sie die über hundertjährige Familientradition nun beendet haben?

Frank: Er hat es verstanden und mir gesagt, dass er mich unterstützt. Immerhin lebt er ja nicht im luftleeren Raum. Die Schwierigkeiten der letzten Jahre hat er hautnah miterlebt. Es war fast schon rührend, wie er mit seinen 83 Jahren täglich heruntergekommen ist, um mir beim Spülen zu helfen.

Lange Metzgerei-Tradition

Die Geschichte der Metzgerei Eberth/
Frank beginnt um 1905, als der Fleischermeister Michael Eberth mit seiner Ehefrau nach Forchheim zieht, um in der heutigen Hornschuchallee 13 (Kreppelts-Haus) ein Ladengeschäft zu eröffnen. Er benutzte dafür die französische Bezeichnung Charkutier, die soviel wie "gekochtes Fleisch" bedeutet. Das war damals Mode. Zumindest bis zum Ersten Weltkrieg. Den überlebte Michael Eberth nur bis 1919. Sein Name findet sich als Gefallener auf dem Kriegerdenkmal.

Seine Witwe Margaretha und die gemeinsame Tochter Anna führen das Geschäft weiter. Nun aber am heutigen Standort in der Hornschuchallee 29. Mit dem Leiterwagen holen sie täglich im Kellerwald eingelagertes Fleisch und Wurst, denn Kühlräume gibt es da noch nicht. Die Metzgerei Eberth lief so gut, dass zwei der Söhne Margarethas sogar studieren konnten. Der Zweite Weltkrieg zwang zur Schließung, weil es unmöglich war, an Fleisch und andere Rohstoffe zu kommen und jeder verfügbare Mann an die Front musste. Als es 1946 weiterging, heiratete ein gewisser Anton Frank Anna Eberth und in das Unternehmen ein. Mit ihm änderte sich der Name nun zu "Metzgerei Frank". 1962 übernahmen dessen Sohn Wolfgang Frank und die ebenfalls aus der Branche stammende Inge Frank, geborene Wetzel, den Betrieb.

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