Serie "Null Toleranz"

Hass und Drohungen: Verwaltungsbeamter aus Gößweinstein berichtet

4.1.2020, 08:57 Uhr
„Du gehörst nicht nur in die Mülltonne sondern gleich...“: Diesen anonymen Drohbrief erhielt der Gößweinsteiner Verwaltungsbeamte Ferdinand Haselmeier als Reaktion auf einen Leserbrief, in dem er zu mehr Sachlichkeit aufforderte.

© Foto: Ralf Rödel „Du gehörst nicht nur in die Mülltonne sondern gleich...“: Diesen anonymen Drohbrief erhielt der Gößweinsteiner Verwaltungsbeamte Ferdinand Haselmeier als Reaktion auf einen Leserbrief, in dem er zu mehr Sachlichkeit aufforderte.

Kommt ein Beamter... Was ist der Unterschied zwischen einem Beamten und... Ja, Beamtenwitze gehören seit jeher zum Schenkelklopfer-Fundus altgedienter Spaßvögel. Das kommt nicht von ungefähr: Der öffentliche Dienst und seine Bediensteten stehen meist im Kreuzfeuer der Kritik, wenn es um unliebsame Entscheidungen geht – weil Beamte eben diese unliebsamen Entscheidungen umsetzen müssen. Oft ist die Kritik gerechtfertigt, manchmal ist sie fragwürdig und in manchen Fällen wird sie zur schieren Beleidigung – die sogar in eine Bedrohung münden kann.

Er will sensibilisieren: Ferdinand Haselmeier.

Er will sensibilisieren: Ferdinand Haselmeier. © Foto: Haselmeier

Ferdinand Haselmeier hat den fließenden Übergang zwischen Kritik, Beleidigung und purem Hass selbst erlebt. Lange hat der 71-Jährige gezögert darüber zu reden, was ihm vor rund zwölf Jahren widerfahren ist.

"Der Hass von Teilen der Bevölkerung auf Politiker und auch Verwaltungsbeamte hat schon immer bestanden – nur die Form der anonymen Hetze hat sich durch die Digitalisierung geändert und sie erleichtert", sagt Haselmeier.

Von 1978 bis 2010 war er als Verwaltungsbeamter im Rathaus von Gößweinstein tätig. In seiner Zeit als Bauamtsleiter musste er etliche rechtliche Vorgaben durchsetzen, die auf Missfallen stießen – wie beispielsweise die Abrechnung von Erschließungskosten oder die Installation von Fettabscheidern in gastronomische Betrieben. Haselmeier ist ein meinungsstarker Mann, der in der Gemeindeverwaltung nicht den Weg des geringsten Widerstands suchte, sondern auch mal aneckte. Anfeindungen und kleinere Streitereien habe es da immer wieder gegeben, erzählt das langjährige SPD-Mitglied. "Damit musste man leben", sagt Haselmeier.

Beginn zu Fasching

Dann aber kam das Frühjahr 2008, genauer: der damalige Faschingsumzug in Gößweinstein. Auf dem Motto-Wagen eines örtlichen Vereins: eine Puppe, vom Aussehen und Kleidungsstil Haselmeier zum Verwechseln ähnlich, die in einen Mülleimer gekippt wurde. Dazu der Slogan: "Die Papierentsorgung ist im Lot, Beamtenverwertung ist nun 1. Gebot." Für Haselmeier war das zwar eine herablassende und diskriminierende Darstellung – nicht nur gegen ihn persönlich, sondern seine ganze Berufsgruppe – doch noch war seine Haut dick genug.

Er schrieb einen Leserbrief, in dem er seinem Ärger Luft machte und vor einer sinkenden Hemmschwelle warnte: Wenn unter dem Deckmantel des satirisch-karnevalistischen Spotts letztlich nichts als Hass schlummere. Kurze Zeit nach Erscheinen des Leserbriefs landete ein anonymes Schriftstück zuhause in Haselmeiers Postkasten. "Hallo Ferdl. Nur Dummköpfe wie du einer bist können sich über einen Scherz (Fasching) aufregen", war da zu lesen. Und zuletzt: "Du gehörst nicht nur in die Mülltonne sondern gleich...". Es folgte die Zeichnung eines Galgens.

Polizei konnte Verfasser nicht ausfindig machen

"Obwohl ich Anzeige erstattet habe, konnte der Verfasser nicht ermittelt werden", erzählt Haselmeier. Der anonyme Drohbrief mit dem Galgen, für den Gößweinsteiner und seine Familie war damit das Maß voll. "Es hat mich erschüttert, dass jemand zu so einer extremen Äußerung fähig ist, und das erschüttert mich bis zum heutigen Tag", sagt Haselmeier.

Die Anfeindungen, Beleidigungen, auch die Angst – all das habe an dem Tag aufgehört als Haselmeier in Pension ging. Im Rückblick ist es ihm wichtig zu betonen, dass es sich allenfalls um einen ganz kleinen Kreis von Leuten gehandelt habe, die ihn so extrem auf dem Kieker hatten. Grundsätzlich sei das Verhältnis zu seinen Mitbürgern immer ein normales gewesen und geblieben, "die Bevölkerung Gößweinsteins ist freundlich und fair".

Sensibel und kritisch

Gleichwohl ist es Ferdinand Haselmeier ein großes Anliegen – gerade in diesen Zeiten des augenscheinlich grenzenlosen (digitalen) Hasses –, "dass die Öffentlichkeit mit Beleidigungen und Hetze sensibel und kritisch umgeht, statt solche Vorfälle zu bagatellisieren".

InfoSind Sie als Person des öffentlichen Lebens ebenfalls zur Zielscheibe von Hass im Netz oder im Alltag geworden? Hat Ihr Verein oder Ihre Gruppe mit regelmäßigen Anfeindungen zu kämpfen? Melden Sie sich bei uns, erzählen von Ihren Erfahrungen: redaktion-pegnitz@pressenetz.de oder Telefon (0 92 41) 9 71 20.

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