Heiligenstädter Brüderpaar: Der Puck lag in der Wiege

5.2.2021, 14:34 Uhr
Heiligenstädter Brüderpaar: Der Puck lag in der Wiege

© Foto: Rudolf Ziegler

Als Tereza Panocha 1998 ihren ersten Sohn Nathan zur Welt brachte, lebte die Familie in Kaltern (Südtirol). Und kaum konnte er laufen, wurden ihm auch schon Schlittschuhe untergeschnallt. Die Familie zog zunächst nach Landsberg um (auch ein Eishockey-Standort) und 2001 in das Kirchdorf Burggrub, einen Ortsteil von Heiligenstadt.

Weit weg von einem Eisstadion und einem Verein, der ambitionierte Jugendarbeit betrieb. Nürnberg haben die Panochas "wegen der elenden Fahrerei" verworfen, nach Bayreuth ins Eisstadion kam man hingegen in knapp 40 Minuten. So war der EHC die erste Adresse für die Eislaufschule und den Einstieg in den Spielbetrieb bei den Kleinstschülern.

Als Nathan, der noch vor der Hochzeit auf die Welt kam und daher den Mädchennamen seiner Mutter, Schminder, trägt, mit zwölf Jahren für die Bayernauswahl stürmt, steht der sieben Jahre jüngere Norwin schon längst auch auf dem Eis und will es dem großen Bruder nachmachen.

Heiligenstädter Brüderpaar: Der Puck lag in der Wiege

"Das Eishockey hat mich gleich gepackt, die Geschwindigkeit und das Zusammenspiel von Füßen und Händen faszinieren mich immer noch. Dazu kommt die Kreativität, die man als Stürmer braucht", sagt der 1,85 Meter große und 75 Kilogramm schwere Stürmer, der am liebsten als Center aufläuft, aber da spielt, "wo der Trainer mich hinstellt, auch als Verteidiger".

"Wir haben sie nie gedrängt"

"Wir haben sie nie gedrängt, die wollten das schon immer selbst", beteuern die Eltern, die von einem unglaublichen Bewegungsdrang der beiden berichten. Fußball, Radfahren, alle Arten von Outdoorsport. Aber halt vor allem Eishockey. Im Winter waren die Schlittschuhe immer im Kofferraum. "Wir kamen an keinem zugefrorenen Weiher vorbei."

Außerhalb der Frostperiode wurde die Diele zum alternativen Stadion, mit Schläger und Puck richteten die Brüder den Boden regelrecht zugrunde. Im vergangenen Jahr haben die Eltern die Gunst der Stunde genutzt – Nathan lebt schon länger in Nürnberg, Norwin wechselte ins Sport-Internat nach Berlin – und den Flur renoviert. Als die Jungs an Weihnachten nach Hause kamen, waren sie ganz enttäuscht, dass ihr Lieblingsspiel nicht mehr gestattet war.

Heiligenstädter Brüderpaar: Der Puck lag in der Wiege

Dabei hat Nathan inzwischen vom Eishockey genug. Schon mit 16 wechselte er nach Ingolstadt ins dortige Nachwuchsprogramm und lebte mit einem Teamkameraden in einer kleinen, vom Verein betreuten WG, Kochen, Putzen, Einkaufen standen also neben dem täglichen Training und dem Besuch an einem regulären Gymnasium auf dem Tagesprogramm. "Ich war so stolz auf ihn, wie er das alles gemanagt hat", erzählt Tereza Panocha. Nur das Kochen sollte sie ihm beibringen.

Nathan schaffte zwar das Abitur, doch danach hörte der schnelle Stürmer noch im U18-Alter mit dem Eishockey auf. In seiner letzten Saison in der Nachwuchs-Bundesliga DNL (2016/17) hatte er in 24 Spielen immerhin 16 Scorerpunkte gesammelt.

"Vom Leben noch ungeküsst"

Warum er die Karriere beendet hat, wusste er selbst nicht zu sagen. Seine Mutter findet die poetischen Worte: "Er kannte alle Eisstadien in Deutschland, aber vom wirklichen Leben war er noch ungeküsst."

Heiligenstädter Brüderpaar: Der Puck lag in der Wiege

© Foto: Rudolf Ziegler

Er entschied sich gegen Eishockey und für das Leben mit seiner Freundin in Nürnberg und ein duales Studium der Sportökonomie in München. Dann juckte es doch in den Fingern, und nach einem Probetraining war er mit dem damaligen Bayernligisten EV Pegnitz eigentlich einig – aber dann änderte der Arbeitgeber die Dienstpläne. Mit Schichtarbeit war an Wettkampfsport nicht zu denken, "ein Comeback als Spieler wird es definitiv nicht geben", sagt er. Nach dem Studium beabsichtigt er jedoch eine Rückkehr in die Eishockeywelt. Im Management. Und nach wie vor schlägt sein Herz für den ERC Ingolstadt.

Nun ist Norwin einen ähnlichen Weg gegangen – aber als designierter Nationalspieler sogar noch einen Schritt höher geklettert: Mit dem Bayreuther Nachwuchs marschierte er von der Bezirksliga bis in die Bayernliga durch. Eine höhere Spielklasse gibt es bei den Schülern noch nicht.

Wichtige Etappe in Genf

Und der große Sprung gelang ihm sogar noch früher als Nathan. Es war ein absoluter Glücksfall, dass sein Vater Milan gut mit dem einstigen NHL-Profi Michal Grošek befreundet ist, der in der besten Liga der Welt fast 500 Spiele für die Winnipeg Jets, Buffalo Sabres, Chicago Blackhawks, New York Rangers und Boston Bruins bestritt und dabei auf 241 Scorerpunkte kam. Nur der Gewinn des Stanley-Cups blieb ihm verwehrt. 1998/99 verloren die Sabres durch ein umstrittenes Tor in der dritten Verlängerung im sechsten Spiel der Serie gegen die Dallas Stars.

Bei solch einem Star und dessen Familie im schweizerischen Genf durfte Norwin Panocha nun nicht nur wohnen, sondern bekam auch noch Einzeltraining in Sachen Kraft und Ausdauer. Da wurde nicht nur Eishockey gespielt, sondern Norwin und ein paar andere Talente mussten auch mal Bäume fällen und Holz hacken. "Das Jahr war für mich schon eine große Ehre, vor allem, dass er auch seine ganzen Erfahrungen mit mir geteilt hat", sagt Norwin.

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Er durfte auch für das Nachwuchsteam von Servette Genf spielen, das in allen Altersklassen in den höchsten Ligen vertreten ist. "Das war schon ein großer Leistungsunterschied zur Bayernliga", erzählt er. Aber er biss sich durch und gehörte bald zum festen Stamm.

Und dann kam plötzlich der Ruf vom Deutschen Eishockey-Bund zum Sichtungstraining der Jugendnationalmannschaft. Anfangs waren es 65 Talente, nach diversen Camps waren noch etwa 25 übrig; darunter Norwin Panocha aus Heiligenstadt-Burggrub, das sonst nur in eiskalten Wintern am Dorfweiher zur Eishockey-Hochburg wurde, als Vater Milan 20 Schläger an die Dorfjugend verteilte.

"Das war richtig Scheiße"

Ärgerlich nur, dass nach dem letzten Trainingslager im August ein Turnier zum Monatsende nicht mehr stattfand. Denn von einem Länderturnier der U 20 in der Schweiz waren die Teams aus der Slowakei, Tschechien und Deutschland mit zahlreichen Corona-Infizierten heimgekehrt. "Das war richtig Scheiße", gibt Norwin zu. Sein Länderspieldebüt steht also noch aus.

Seine früheren Schulkameraden vom Gymnasium Fränkische Schweiz in Ebermannstadt werden ihn wohl nicht mehr wiedersehen: Nach dem Jahr in der Schweiz ist der 15-Jährige gleich in die nächste Metropole weitergezogen. Denn von mehreren Angeboten war das der Eisbären Berlin das attraktivste: Im Internat des Sportleistungszentrums findet er kurze Wege vor, wird rundum versorgt und Trainer, Lehrer und Betreuer im Internat arbeiten Hand in Hand. "Das ist nur schlecht, wenn du in der Schule etwas angestellt hast. Dann weiß es der Trainer auch gleich und dann gibt es möglicherweise Trainingsverbot", berichtet er. Ihm sei das allerdings noch nicht passiert, und auch die Noten sind sehr gut.

Im Bundesland Berlin dürfen die jungen Eisbären übrigens normal trainieren (in Bayern ist das nur Mitgliedern von Bundes- und Landeskadern gestattet), nur der Spielbetrieb ruht auch da. Dennoch fühlt er sich in Berlin pudelwohl. Falls es mit der Profikarriere klappen sollte, wären die Eisbären seine erste Wahl, "dann Mannheim". Und in der NHL sind die Boston Bruins sein Lieblingsverein.

Dank an die Bayreuther Coaches

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, erst einmal muss das Corona-Virus seinen Würgegriff loslassen. Norwin Panocha hebt trotz seiner steilen Karriere nicht ab und weiß, wem er auch die ersten Schritte zu verdanken hat: seinen Bayreuther Coaches Knut Pleger, Dieter Schmidt, Thorsten Steffens und Holger Zimmermann etwa. Und seinen Eltern, mit denen er "bestimmt die Hälfte seines Lebens auf der Straße zu Spielen oder zum Training" verbracht hat. Weil teure Camps unbezahlbar waren, machte Vater Milan oft "Tauschgeschäfte": er übernahm das Torwarttraining, dafür durften seine Jungs kostenlos am Camp teilnehmen.

Auch Tereza Panocha ("es war ja immer drei zu eins gegen mich") hat ihren Frieden gemacht mit der Eishockey-Verrücktheit ihrer Männer. "Ganz am Anfang fand ich es supersüß, wie die Kleinen auf den Schlittschuhen standen. Später hatte ich dann vor allem Angst, dass sie sich verletzen könnten." Inzwischen ist sie vor allem stolz auf ihre Söhne, denn der Sport habe ja auch positive Auswirkungen auf deren gesamtes Leben.

 

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