Hubert Forscht lässt die Zuckerpuppe tanzen

22.4.2019, 18:00 Uhr
Hubert Forscht lässt die Zuckerpuppe tanzen

Während draußen die harte Realität lauert, ja ein eiskalter Wind weht, haben es sich Forschts Figuren drinnen gemütlich gemacht. Hier träumt sich der Autor zurück in die ewige Jugend, in der weder Fettpolster noch Fältchen dem Aussehen des ansehnlichen Bauhandwerkers Schaden zufügen. In seinem Parallel-Universum wird der FCN Deutscher Fußballmeister, Rentenbescheide lösen keine Herzattacken aus, und die Welt(all)herrschaft bleibt das Ziel allen Strebens.

Doch zuvor gilt es, der Kultur zu frönen. Natürlich in einer fränkischen Gastwirtschaft, in der man mit Leberkäse, Pressack, Sülze, Stadtwurst, Schinken, Göttinger und Gerupftem nur notdürftig dem Hungertode zu entrinnen scheint. Nicht jedoch den Schwaben am Nebentisch. Die sind aus Sicht des Kabarettisten weder sprachlich satisfaktionsfähig, noch in Sachen "kulinarischer Kompetenz", vulgo Bauch. Im Zweikampf mit der Kau- und Sitzmuskulatur sind sie hoffnungslos unterlegen.

Weil zu einem echten Festzelt auch der Gesang gehört, zumindest das, was dessen Insassen in ihrem Zustand dafür halten mögen, hat Forscht sich des deutschen Schlagers angenommen. Dabei gibt es einen Vorgeschmack auf das WirSing-Konzert am Stadtfest-Sonntag. Dann wird der Marktplatz zur Oase Remmi Demmi werden, in der die Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe erst jegliche Zurückhaltung und dann den Schleier fallen lässt.

Während Forschts Worte noch um die Hüften der orientalischen Schönheit aus Wuppertal kreisen, ist um ihn herum ein wüstes Durcheinander entstanden. In Münchhausen-Manier entkommt Forscht zuerst dem Mundgeruch des Todes und zieht sich bald am eigenen Schopf aus dem literarischen Treibsand, nur um kurz darauf in einen Pfeilhagel der Halla Balla-Beduinen zu geraten. Karl May hätte an den absurden Abenteuern selbst am Abend seine helle Freude gehabt. Zumal der Held seine Verfolger beim Blick in den Rückspiegel aus dem Sattel schießt.

Forscht ist ein Meister der Sprache. Plastisch ist sie, ungemein sinnlich und für das Zuhören erdacht. Sitzen seine Gestalten beim Essen, dann kaut er die Worte. Treten sie gegen den Fußball, dann spielt er ihnen die Silben zu. Laufen sie voreinander davon, dann verfolgt man gespannt, wie Forscht einen Satz macht. Je mehr sich Forschts Geschöpfe in ihrem sämigen Sein verlieren, sei es am Reifenberger oder am Schaufel-Keller, desto orgiastischer wird der Textschwall. Je mehr Biere angezapft werden, desto zischender, spritziger werden die Worte in "oberfränkischem Hochdeutsch". Dass sich Forscht in einer seiner Erzählungen ausgerechnet Entenhausen ausgesucht hat, ist kein Zufall. Hier gibt es keine Vergangenheit, kein Altern, keinen Tod. Eine fast ideale Idylle. Leider aber auch keinen Sex. Was den Tüftler, der selbst eine Werkstatt in Hagenbach hat, zum Bau einer "Sexmachine" inspiriert. Freilich kann sich da nicht der Autor selbst die Finger schmutzig machen. Der Daniel Düsentrieb lässt also seinen Lötkolben glühen. Schon bald wird der Ingenieur in eine andere Dimension gesaugt, in der Comicfiguren, wenn sie nicht der Feder Robert Crumbs entflossen sind, nichts zu suchen haben. Dort aber finden sie das Glück. Forschts berührende Texte schaffen etwas ähnliches, wenngleich auf ganz anderer Ebene, und so muss es der Kabarettist noch einmal machen – und vorlesen.

Mit seinen Handwerkerkollegen Franz Ludwig und Michael Hellmann hatte sich Forscht einst in die deutsche Nationalmannschaft geschrieben. Dank ausgiebigen Aufwärmtrainings mit Bier und Zigaretten, fingerdicker Krampfadern und sirenengleichen Gesangs brachte das Trio die Brasilianer aus dem Konzept und Deutschland zum WM-Titel. Als ihm weibliche Fans in Ekstase die Kleider vom Schmerbauch rissen, wachte Forscht wieder auf. Es war alles nur ein Traum.

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