Kleinaktionäre müssen gehen: Ära bei Weber & Ott AG geht zu Ende

29.8.2019, 06:00 Uhr
Kleinaktionäre müssen gehen: Ära bei Weber & Ott AG geht zu Ende

© Foto: Berny Meyer

Wie jedes Jahr hatte die AG zur Hauptversammlung nach Forchheim eingeladen, doch 2019 wird in die Geschichte des im Jahr 1834 von Konrad Weber in der Fürther Gustavstraße gegründeten Textilunternehmens, seit 1899 eine AG, eingehen. Auch deshalb zog sich die Versammlung über mehrere Stunden.

Rund 70.500 Aktien haben auf einen Schlag den Besitzer gewechselt. Weil es der Hauptaktionär, die Firma RSL Investment GmbH mit Sitz in Forchheim, so beantragte. Mit bisher 98,2 Prozent - über 3,8 Millionen Stück Aktien - hat RSL als unangefochtener Großaktionär einen sogenannten Squeeze Out (siehe Infos am Ende des Artikels) beantragt. Vorstand und Aufsichtsrat willigten ein.

100.000 Euro auf einen Schlag

Kleinaktionäre müssen gehen: Ära bei Weber & Ott AG geht zu Ende

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"Zwar können Aktionäre gegen diese Entscheidung klagen. Erfolgreich sind sie aber nur, wenn gegen das Gesetz verstoßen wird und das sehen wir nicht", sagte Weber & Ott AG Vorstand Oliver Dück. "Für das Unternehmen kostet es Zeit und Geld, Hauptversammlungen durchzuführen." Zwischen 20.000 und 25.000 Euro habe das Unternehmen in den vergangenen Jahren dafür ausgegeben. Alleine 18 Mitarbeiter sind es dieses Jahr, die in einem von den Aktionären abgeschotteten Büro nebenan arbeiten, um das Treffen auf rechtlich sichere Beine zu stellen. Ein Aufwand, der nächstes Jahr wegfällt.

Und das zur Freude einiger Aktionäre an diesem Tag. Einer von ihnen will seinen Namen zwar nicht in der Zeitung lesen, verrät aber, dass er aus dem unterfränkischen Dettelbach stammt und vor zehn Jahren in das Forchheimer Unternehmen eingestiegen sei. Seine rund 10.000 Aktien haben sich im Wert seitdem verdreifacht, sagt er. Mit den vom Großaktionär gebotenen 9,50 Euro pro Stück erhielte er auf einen Schlag knapp 100.000 Euro. Mit einem Teil des Geldes plant der Senior die nächste Investition und hält Ausschau nach Aktiengesellschaften mit möglichen Squeeze-Outs in den nächsten Jahren. Die Spekulation: Großaktionäre greifen (tiefer) in die Tasche, um die Kleinen freizukaufen. Einen Mindestwert legen unabhängige Prüfer fest.

RSL-Geschäftsführer Ralf Hellmann beantragte, die Dividende von 0,20 Euro auf 0,25 Euro zu erhöhen. Ein Aktionär brachte 12,50 Euro pro Aktie zum Abkauf ins Spiel. Am Ende einigte man sich auf 0,25 Euro Dividende und einen Kaufpreis von 9,50 Euro. Aufsichtsrat, Vorstand und Mitarbeiter beantworteten zuvor über Stunden Fragen der Aktionäre.

Es bleibt schwierig

"RSL verwandelt sich vom Großaktionär zum Eigentümer des Unternehmens", fasst Hellmann die Auswirkungen des Tages zusammen. "Wir gewinnen mehr Flexibilität und können unternehmerisch handeln." Und doch bleibt vieles wohl beim Alten, denn RSL-Chef Thomas Hebestreit ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der AG, seine Investment Firma wiederum eine 100-prozentige Tochterfirma der AG. Ein Aktionär behält es sich vor, gegen das Squeeze-Out vorzugehen.

Die Geschäftszahlen der AG mit ihren sechs Tochtergesellschaften blieben bei der Versammlung fast eine Randnotiz. Um 0,6 Millionen Euro auf 70,5 Millionen Euro ist der Umsatz mit Damen-, Herren- und Arbeitsbekleidung im Jahr 2018 im Vorjahresvergleich gestiegen. Daran beteiligt waren 252 Mitarbeiter, die für die Marken Toni, Rosner, Desoto oder Mega-Dress arbeiten.

Für 2019 rechnet der Konzern mit "anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen", rechnet aber mit "merklichen Umsatzsteigerungen". Das wird weiterhin aus der Kleinstadt Forchheim mit neuen Kollektionen geplant. 1934 hatte die AG ihren Sitz dorthin verlagert. Seitdem sitzt hier der kreative Mode-Kern des Unternehmens.

INFOS ZUM SQUEEZE-OUT:

Aus dem Englischen übersetzt bedeutet Squeeze-Out auf deutsch "Auspressen" oder "Herausquetschen". Und nichts anderes ist der sogenannte Squeeze-Out bei Aktiengesellschaften: Bei diesem Verfahren werden Kleinaktionäre aus einem Unternehmen herausgedrängt. Seit dem Jahr 2002 ist der Squeeze-Out im deutschen Aktienrecht geregelt.

Was steckt hinter dieser Möglichkeit? Für Aktiengesellschaften bedeuten Kleinaktionäre zusätzlichen Aufwand. So müssen sie alle zur Hauptversammlung eingeladen werden.

Mitunter können die Besitzer kleiner Anteile für das Unternehmen sogar recht unangenehm sein. Letztlich hat zwar immer der Großaktionär das Sagen. Mit seiner Mehrheit kann er die Beschlüsse durchsetzen. Kleinaktionäre können aber jeden Beschluss – zum Beispiel über eine Kapitalerhöhung oder die Dividendenausschüttung – erst einmal blockieren, indem sie dagegen klagen. Das hat den Nachteil für das Unternehmen, dass wichtige Entscheidungen verzögert werden.

Möglich ist der Squeeze-Out, wenn ein Großaktionär mindestens 95 Prozent der Anteile einer Aktiengesellschaft hält. Die herausgedrängten Kleinaktionäre haben in der Regel das Recht auf eine Abfindung. Bei deutschen Gesellschaften ist das meist eine Barabfindung. Dass diese eine angemessene Höhe hat, kann im Zuge eines sogenannten Spruchverfahrens überprüft werden, wie die genossenschaftliche Finanzgruppe betont. Das Herausdrängen der Kleinaktionäre wird auf der Hauptversammlung beschlossen.

Daneben gibt es noch andere Möglichkeiten des Squeeze-Out, zum Beispiel nach einer Übernahme.

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