Wissenschaftler erforschen Wärmeinseln

Klimakrise in Forchheim: Zukünftig fast 50 Grad im Schatten?

14.6.2021, 13:11 Uhr
Der Paradeplatz in seiner heutigen Form. Nach dem Umbau, der heuer beginnen soll, wird es mehr Bäume geben. Das ist auch dringend nötig, denn momentan wirkt er mit seiner großen versiegelten Fläche wie eine Wärmeinsel mitten in der Stadt.

© Foto: Anestis Aslanidis Der Paradeplatz in seiner heutigen Form. Nach dem Umbau, der heuer beginnen soll, wird es mehr Bäume geben. Das ist auch dringend nötig, denn momentan wirkt er mit seiner großen versiegelten Fläche wie eine Wärmeinsel mitten in der Stadt.

Herr Samimi, wie sich die Klimakrise auf besiedelte Räume auswirkt, ist bislang vor allem in den großen Metropolen ein Thema. Sie aber forschen jetzt in Forchheim, Ebermannstadt und Pretzfeld dazu. Wieso das?

Sie haben recht, in der Literatur und in den Medien werden Wärmeinseln eher mit großen Städten wie Berlin und Nürnberg in Verbindung gebracht. Kürzlich konnte in einem Projekt an der Universität Bayreuth aber nachgewiesen werden, dass es während Hitzeperioden auch in einer Stadt wie Bayreuth zu einer wirklich deutlichen Überwärmung im Vergleich zum Umland kommt. Und dann haben wir uns in Gesprächen mit dem Forchheimer Landratsamt die Frage gestellt, ob sich dieser Effekt nicht auch in kleineren Städten zeigt. Das war der Startpunkt zu sagen: 'Okay, wir machen das mal für Forchheim!‘

Die komplette Größenskala abdecken

Und Ebermannstadt sowie Pretzfeld?

Als nächstes dachten wir uns: 'Wir könnten doch gleich die komplette Größenskala abdecken!‘ Also brauchten wir noch kleinere Kommunen. Entschieden haben wir uns für Ebermannstadt und Pretzfeld, denn so liegen alle Untersuchungsorte im Bereich der Wiesent und der Regnitz, also fast auf gleicher Höhe. Das ist wichtig, damit die Rahmenbedingungen nicht allzu unterschiedlich sind.

Was ist unter den von Ihnen genannten Wärmeinseln zu verstehen?

Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde zum Beispiel in Wien festgestellt, dass es in der Stadt deutlich wärmer ist als im Umland. Der Begriff hat sich bis heute gehalten. Wärmeinseln kennen wir alle: Versiegelte Bereiche mit wenig Grün, die durch Bebauung vom Umfeld abgeschirmt sind. Die Forchheimer Innenstadt zum Beispiel hat schon eine wirkliche Stadtstruktur, am Paradeplatz etwa sieht man nur wenig Grün. Ganz anders ist die Situation dagegen in Richtung Regnitz oder Kellerberg, wo eine lockerere Bebauung vorherrscht.

Cyrus Samimi ist studierter Geograph und Professor für Klimatologie an der Universität Bayreuth.

Cyrus Samimi ist studierter Geograph und Professor für Klimatologie an der Universität Bayreuth. © Foto: Kerstin Haack/Studio Photosphäre

Welche Fragen stellen Sie sich in Ihrem Forschungsprojekt?

Wir wollen herausfinden, inwieweit es innerhalb der drei Orte Forchheim, Ebermannstadt und Pretzfeld Unterschiede gibt. Dabei kommt es einerseits auf das Relief an: Am Forchheimer Kellerberg zum Beispiel fließt Kaltluft ins Tal hinab. Aber auch die Stadtstruktur und die Bebauung spielen eine Rolle: Forchheim wird in Nord-Süd-Richtung von der Eisenbahn durchschnitten, die ja ausgebaut und mit Lärmschutzwänden versehen worden ist. Auch gegenüber der A 73 ist Forchheim abgeschirmt. Dass Kaltluft von den Berghängen in die Stadt abfließt, wird durch solche Wände verhindert. Wir wollen herausfinden, wie stark.

"Wir fangen jetzt an."

Haben Ihre Messungen schon begonnen?

In der vergangenen Woche haben wir Standorte für die Messstationen diskutiert, das heißt wir fangen jetzt an. Das passt von der Zeit auch, denn wir hatten ja noch keine Hitzewelle in 2021.


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Was messen Sie genau?

Die Temperatur und auch die relative Luftfeuchtigkeit, so dass sich zusätzlich ein Schwülefaktor ableiten lässt. Wir werden zwei stationäre Messstationen in Forchheim sowie je eine in Ebermannstadt und Pretzfeld aufstellen. Zusätzlich wollen wir mobile Messungen mit einem Fahrrad machen: Da fährt dann einer eine Strecke entlang und misst die Temperaturen zur Hitzezeit, also im Laufe des Nachmittags, sowie kurz vor Sonnenaufgang. Denn dann hat man normalerweise die niedrigsten Temperaturen. So erfahren wir mehr über die nächtliche Wärmebelastung. Vielleicht werden wir auch Thermalbefliegungen mit Drohnen machen.

Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?

Im Spätsommer. Wir müssten jetzt erst einmal warten, ob eine Hitzewelle kommt. Es darf außerdem nicht zu windig sein, denn das reduziert den Wärmeinsel-Effekt.

Bisheriger Fokus auf großen Städten

Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Studien?

Ich kenne keine ähnlichen Studien in Siedlungen dieser Größenordnung. Bisherige Hinweise aus der Literatur haben sich vor allem auf große Städte bezogen. Um die Abhängigkeit der Stadtgröße auf den Wärmeinseleffekt abzuschätzen, wurden weltweit unterschiedlich große Städte miteinander verglichen: Je größer, desto stärker die Überwärmung. Ein systematischer Vergleich ist mir nicht bekannt.

Wie kam es dazu, dass Sie ausgerechnet im Landkreis Forchheim forschen?

Die Forschung findet im Rahmen des EU-Projekts STRENCH statt, das in Forchheim beim Landratsamt angesiedelt ist. Im vergangenen Herbst war ich für einen Vortrag im Kreistag, um lokale Auswirkungen des Klimawandels vorzustellen. Daraufhin haben wir die Zusammenarbeit aufgenommen und Themenbereiche wie das Siedlungsklima identifiziert. Finanziert wird die Forschung aber von der Universität Bayreuth.

Die wuchtigen Lärmschutzwände entlang der Autobahn im Stadtgebiet von Forchheim schützen zwar die Nachbarschaft vor allzu lauter Belastung mit Krach. Aber gleichzeitig behindern sie wie eine Barriere die Durchströmung der Stadt mit Frischluft.

Die wuchtigen Lärmschutzwände entlang der Autobahn im Stadtgebiet von Forchheim schützen zwar die Nachbarschaft vor allzu lauter Belastung mit Krach. Aber gleichzeitig behindern sie wie eine Barriere die Durchströmung der Stadt mit Frischluft. © Foto: Ulrich Graser

Was können speziell kleinere Orte gegen Wärmeinseln tun?

Es sind die gleichen Maßnahmen wie in größeren Städten. Ideal wären zum Beispiel helle Gebäude und Flächen, die das Sonnenlicht besser reflektieren. Das sorgt für eine geringere Überwärmung. Was auch geht ist mehr Grünflächen zu schaffen und die Plätze mit Bäumen zu versehen. Leider spielen da oftmals nur architektonische und ästhetische Aspekte eine Rolle. Außerdem ist es wichtig, die Versiegelung zu reduzieren, weil Feuchtigkeit ja hitzedämpfend wirkt. Asphalt- oder Pflasterflächen sind nach einem Regen sofort wieder trocken und erwärmen sich daher schneller. Auch Fassaden- und Dachbegrünungen können Abhilfe schaffen. Wichtig ist es zudem, noch vorhandene Kaltluftschneisen offen zu halten.

"Selbst hitzetolerante Menschen werden da Probleme kriegen."

Wie dringlich sind solche Maßnahmen?

Wir hatten in Forchheim in den letzten Jahren mehrere Tage lang Schattentemperaturen von nahezu 40 Grad. In den Wärmeinseln kamen wir da wahrscheinlich in Bereiche von 43 bis 45 Grad. Und jetzt nehmen Sie weitere zwei bis drei Grad durch den Klimawandel obendrauf, dann kommen wir in Städten auf Temperaturen von fast 50 Grad im Schatten. Das ist schon eine Hausnummer, das ist richtig warm. Selbst hitzetolerante Menschen werden da Probleme kriegen. Weil wir dann auch schlechter schlafen, kommen wir in einen permanenten Hitzestress, der unsere Leistungsfähigkeit reduziert.


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Können Anpassungsmaßnahmen das Schlimmste noch verhindern, oder brauchen wir zusätzlich noch viel mehr Klimaschutz?

Wir kommen um die Anpassung nicht mehr herum, weil der Klimawandel schon zu weit fortgeschritten ist. Wir werden verstärkt mit Hitzewellen und Dürreperioden umgehen müssen. Das wird nicht aufhören, selbst wenn wir die Emission von heute auf morgen auf Null bringen würden, was ja nicht passiert. Und die Erwärmung wird noch weitergehen.

Wir sind ja zur Zeit auf einem Pfad, der trotz Corona-Krise auf die zwei Grad oder sogar über zwei Grad zusteuert. So nüchtern und ernüchternd muss man das sagen. Wir müssen also gleichzeitig versuchen, die weitere Erwärmung einzudämmen und uns an den Klimawandel anpassen.

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