Können Radarwellen Fledermäuse schützen?

20.7.2020, 17:00 Uhr
Können Radarwellen Fledermäuse schützen?

© Foto: Pauline Lindner

In den Abendstunden bauen die Wissenschaftler und ihre Helfer die nötigen Gerätschaften auf. Da ist zum einen ein Radarsender, der mit der Frequenz von 122 Gigahertz arbeitet. Er hat kürzere Wellen als die Geräte, die für die Vogelbeobachtung im Einsatz sind. Zum Vergleich, in welchem Bereich Radar arbeitet: Mobiltelefone senden mit Frequenzen um ein Gigahertz, WLAN läuft mit 2,5 Gigahertz.

Zum anderen werden haarfeine Netze über den Fluss gespannt. Wo sie platziert werden, bestimmt nicht zuletzt Christian Strätz, der mit einem Batcorder die charakteristischen Ultraschallsignale der einzelnen Fledermausarten auffängt. Mit der Hand holen die Biologen und Fledermaus-Freunde um Corinna von Helversen und Johannes Mohr die Winzlinge mit weniger als zehn Gramm Gewicht aus den Netzen, um sie zu bestimmen und zu vermessen.

Können Radarwellen Fledermäuse schützen?

© Pauline Lindner

Die statistische Erfassung bietet Erkenntnisse über die Populationen und ihre Lebensumstände. Zugleich sind die dann wieder freigelassenen Tiere die Messobjekte für den potenziellen Radareinsatz.

Niklas Duda ist am Lehrstuhl für technische Elektronik der Erlanger Universität tätig. Er befasst sich schon seit Jahren mit Trackingsensoren, mit denen sich die Lebensweise von Fledermäusen verfolgen lässt. Am vergangenen Wochenende ging es um Voruntersuchungen, inwieweit Radar geeignet ist, Fledermausflugbewegungen abzubilden.

Todesraten minimieren

Im Hintergrund denken er und seine Mitstreiter an eine Einsatzmöglichkeit von Radarwellen, um Windkraftanlagen abzustoppen, wenn sich Fledermäuse nähern. Die nächtlichen Flieger erkennen zwar durch ihre Ultraschalllaute ein Hindernis und weichen so den Rotorblättern aus. Nicht wahrnehmen können sie aber die dahinter entstehenden Unterdruckfahnen. Geraten sie dort hinein, wird die Lunge der Leichtgewichte zerstört. Dass Vögel und Fledermäuse durch Windräder zu Tode kommen, ist ein Vorwurf gegen diese Form der Energiegewinnung. Die Todesrate soll bei Erfolg der Forschungsarbeiten minimiert werden.

Dudas Mitstreiter sind Simon Ripperger, der einen Lehrauftrag an der Ohio State University hat, und Ahana Fernandez, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Naturkundemuseum Berlin um akustische Möglichkeiten kümmert, um Fledermausarten zu erkennen. Das gemeinsame Interesse, neue Technologien für die Tierbeobachtung zu entwickeln, verbindet die Drei mit Alexander Kölpin, der den Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik an der Technischen Universität Hamburg innehat.

Als die Nacht hereingebrochen ist, sieht man schemenhaft Menschen in und am Fluss hin- und herhuschen, während ein rotes Lichtsignal den Radar kenntlich macht. Unter ihnen ist auch Landrat Hermann Ulm als Gast. Die einen bringen in Stoffbeuteln die Fledermäuse zum Tisch, an dem sie bestimmt werden. Andere tragen vermessene Tiere in den Aktionsbereich des Radars und lassen sie dort frei. Die technischen Forscher fangen die Signale auf – genauer: das Echo der Radarstrahlen, wenn sie auf die Tiere treffen. Die so entstehenden Muster sollen die Grundlage für den Radar gestützten Schutz an Windrädern bilden.

Die Witterung ist offenbar günstig, denn es gehen weit über 40 Fledermäuse ins Netz. Alle gehören zu den Wasserfledermäusen (Myotis daubentoni), nur eine Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) hat sich das Aischufer als ihr heutiges Jagdrevier ausgewählt. Am Samstagabend setzte das Forscherteam seine Arbeit in der Lichteneiche fort, weil dort ganz andere Fledermausarten ihr Zuhause haben.

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