Kreis Forchheim: Acker-Ränder werden oft als wilde Mülldeponien missbraucht

30.10.2020, 09:00 Uhr
Ein Lesesteinhaufen mit verbotenem Fremdmaterial am Hemmerleinsbühl. Die Ablagerungen von natürlichen Feldsteinen sind eigentlich wahre Biotope. Doch die illegale Ablagerung von Baumaterial unbekannter Herkunft macht aus ihnen eine wilde Mülldeponie. 

© Petra Malbrich Ein Lesesteinhaufen mit verbotenem Fremdmaterial am Hemmerleinsbühl. Die Ablagerungen von natürlichen Feldsteinen sind eigentlich wahre Biotope. Doch die illegale Ablagerung von Baumaterial unbekannter Herkunft macht aus ihnen eine wilde Mülldeponie. 

Stein ist gleich Stein. Das denken sich so manche Bürger und entsorgen Bauschutt, Teppiche und anderen Unrat auf die vielen Haufen Lesesteine, die hier im Landkreis immer wieder an Feld- oder Waldrändern zu sehen sind. So jüngst geschehen im Hemmerleinsbühl. 

Doch die Gleichung geht nicht auf. „Sofort anzeigen, denn das geht überhaupt nicht“, schimpft Werner Nützel, Geschäftsführer des Bauernverbands. „Fremdstoffe gehören nicht in die Natur. Das sollte im Interesse (eines) jedes sein. Außerdem wird ein Biotop zerstört“, wettert Nützel weiter.

Denn ein Lesesteinhaufen hat Biotopcharakter und das Relikt der landwirtschaftlichen Arbeit der vorherigen Generationen wird durch immer modernere Maschinen ohnehin so nicht weiter fortgeführt werden. Zustimmung erhält er von Friedrich Oehme, Geschäftsführer des Bund Naturschutz und von Bernd Schultheiß, dem Revierleiter des Reviers Leienfels für die Bayerischen Staatsforsten. 

Der Finger hilft nicht

„Der erhobene Zeigefinger hilft nicht mehr“, sagt Schultheiß über die immer häufigere Unart, Müll und Bauschutt einfach in der Natur zu entsorgen. „Das ist ein dauerhaftes Problem“, bekräftigt auch Jonas Lulei, Polizeihauptmeister der Polizeiinspektion Ebermannstadt. 
Zudem ist die Fränkische Schweiz größtenteils Naturschutzgebiet, mit größeren Schutzvorschriften. Bauschutt in der Natur geht nicht. „Das ist ein Fremdkörper. Man weiß nicht, woher der Bauschutt kommt und womit er kontaminiert ist“, betont deshalb Oehme vom BN. 

„Dass diese Steinhaufen verunreinigt werden, das wollen wir nicht“, sagt auch Schultheiß. „Es gibt genug Deponien, Bauschutt muss nicht in der Natur abgelagert werden“, erklärt der Revierleiter. Ein offizielles Naturschutzgebiet sind die Lesesteinhaufen nicht. Aber: „Sie sind kleine Sekundärbiotope und für Eidechsen und wärmeliebende Insekten schön“, erklärt Friedrich Oehme. 

Diese Lesesteinhaufen gibt es seit Menschengedenken, entstanden als der Landwirt noch zu Fuß auf dem Acker unterwegs war und diese Felder bearbeitete. Die Steine sind das natürliche Vorkommen in den Böden der Fränkischen Schweiz.

„Es war früher nicht möglich, mit dem Pferd beim Bearbeiten der Äcker gegen diese Steinbrocken anzugehen“, sagt Nützel. Also wurden die Steine per Hand aufgelesen und am Feldrand abgelegt oder auf den Anhänger geladen, um diese am Waldrand zu deponieren.
„Oft mussten zwei Mann anpacken, um die Steine an den Wegrand zu bringen“, erklärt Nützel zu den Steinbrocken, die teils fünfzig Zentimeter Durchmesser haben. „Im Laufe der Jahrzehnte ist aus diesen Lesesteinhaufen ein Biotop entstanden“, sagt Nützel. Schmetterlinge und Eidechsen fühlen sich in diesen Steinhaufen pudelwohl. Der Stein speichert außen die Wärme, im Inneren der Steinhaufen ist es kühl. 

Dieser Naturzusammenhang und der Biotopcharakter der Lesesteinhaufen ist auch für die Staatsforsten Grund, die Steinhaufen an ihren Waldrändern zu dulden, wie im Hemmerleinsbühl. „Das ist die Natur und die Steine werden teils auch wiederverwendet“, erklärt Schultheiß. 
So sei beispielsweise auch die Ruine Wildenfels mit Lesesteinen wieder hergerichtet worden. „Da sind wir extra herumgefahren und haben solche Steine gesucht.“ Auch die Burgen in der Fränkischen Schweiz sind aus Kalksteinen gebaut. 

Das Holen der Lesesteine war kein Problem, lagen die Steine auf dem Grund der Staatsforsten und wenn diese Steinhaufen immer wieder nachgewachsen sind. Nämlich dann, wenn der Landwirt vor dem Bearbeiten der Äcker und Felder neue Steine aufgelesen und diese zu den bestehenden Haufen gebracht hat. Das kostete viel Zeit. Heute klauben immer weniger Landwirte die Steine mit der Hand auf. „Es wird ein Steinschläger eingesetzt. Die Steinfräse kann Steine bis zu einer Tiefe von 25 Zentimeter zu Staub zerkleinern“, erklärt Nützel. 

Das Wiederauffüllen der Lesesteinhaufen wird somit immer seltener geschehen. Sind damit die Biotope Lesesteinhaufen in Gefahr? Eigentlich nicht, meinen Bauernverband und Bund Naturschutz. Die Steine können schließlich nicht davon laufen und sind dann in 150 Jahren auch noch an Ort und Stelle. 

Aber genauso wie es Menschen gibt, die ihren Müll auf diesen Biotopen entsorgen, holen sich Naturliebhaber diese Steine, um Natursteinmauern zu errichten und um ihren Garten naturnah zu gestalten. Davon ist der Bauernverbandschef auch nicht immer begeistert.

Abgesehen davon, dass ein Biotop zerstört wird, gehört die Fläche jemandem. Meist dem Landwirt. Egal, ob man andere Steine auf den Natursteinhaufen wirft oder anhängerweise Natursteine vom Grundstück der Landwirte holt, beides ist nicht einfach so erlaubt. Stein ist eben nicht gleich Stein.

Petra Malbrich

2 Kommentare