Landkreis Forchheim bekommt ein Konzept zur Mobilität

23.10.2020, 06:00 Uhr
Auch E-Mobilität (hier eine Ladestation an der Landratsamt-Außenstelle in Ebermannstadt) spielt im künftigen "Mobilitätskonzept" eine wichtige Rolle.

© Edgar Pfrogner Auch E-Mobilität (hier eine Ladestation an der Landratsamt-Außenstelle in Ebermannstadt) spielt im künftigen "Mobilitätskonzept" eine wichtige Rolle.

Fast sechs Stunden Kreistags-Ausschüsse am Stück machen selbst den muntersten Landrat mürbe: Nach dem Bauausschuss am frühen Nachmittag musste Hermann Ulm (CSU) im anschließenden Mobilitätsausschuss ziemlich immobil bleiben. Und als er gegen 19 Uhr auf die Uhr schaute, hatte die Debatte im Gremium ihren Höhepunkt noch immer nicht erreicht. Das lag vor allem an einem Tagesordnungspunkt: der Erstellung eines „Mobilitätskonzepts“ für den Landkreis. 

Die Verwaltung hatte aus zwei Anträgen (einem der FW-Fraktion von 2019 und einem der SPD-Fraktion von 2020) einen Kompromissvorschlag erarbeitet. Während es den Freien Wählern um die „Untersuchung und Optimierung des Radwegenetzes“ ging, forderten die Sozialdemokraten ein Konzept, das einen größeren Bogen spannt, über Radwege und ÖPNV hinaus: Das Thema Mobilität sollte in ganzer Breite unter die Lupe genommen werden. „Die Frage ist: Wie wollen wir uns im Landkreis in Zukunft bewegen? Was ist nötig, den Autoverkehr auf den Straßen zu verringern?“, erläuterte Reiner Büttner (SPD).

Das Ergebnis präsentierte Kreis-Klimamanager Dominik Bigge: das Konzept „Nachhaltige Mobilität“ (siehe unten). Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Bedarfsanalyse zum Personenverkehr im Landkreis, die von einem „qualifizierten Planungsbüro“ übernommen werden soll, so Bigge. Auf 100.000 Euro schätzte er die Kosten zur Erstellung des Konzepts, wobei der Klimamanager von mindestens 70-prozentiger Förderung ausgeht. Generell habe er alles unter dem Gesichtspunkt der Förderfähigkeit geplant, sei doch schon der Begriff Mobilität so vielschichtig, „dass wir das niemals alleine stemmen könnten“. 

Wie Bigge erklärte, greifen dabei etliche Fachbereiche des Landratsamts ineinander – neben seinem eigenen unter anderem der ÖPNV, Tiefbau, Straßenverkehr, die Wirtschaft und Infrastruktur sowie der Tourismus. Fachbehörden müssten ebenso einbezogen werden wie die 29 Kreis-Gemeinden. Zudem gebe es schon Konzepte, beispielsweise Klimaschutzkonzept und Nahverkehrsplan. Unter dem Dachbegriff „Nachhaltige Mobilität“ werde alles zusammengenommen.

Alternativen und ihr Bedarf

Das Konzept ermittelt den Bedarf an Alternativen zum motorisierten Individualverkehr – bei Bussen, Zügen, Radwegen, an Ladestationen, Car-Sharing oder digitalen Angeboten. Und daraus sollen Maßnahmenvorschläge folgen. „Was wir aber nicht leisten können, sind konkrete Handlungsanweisungen im ÖPNV, zum Beispiel für eine bestimmte Buslinie den Takt zu erhöhen“, so Bigge. 

Denn dafür wäre der Fachbereich ÖPNV mit dem Nahverkehrsplan verantwortlich. Und nur so könne man angesichts strenger Förderrichtlinien mit (staatlichen) Zuschüssen rechnen, erklärte Bigge. Ein „großes, großes Kompliment“ sprach Manfred Hümmer (FW) dem Klimamanager für die inhaltliche Weichenstellung aus. „Die Philosophie unseres Antrags haben Sie voll erkannt.“

SPD-Rat: "Das ist viel zu wenig"

Auch die anderen Kreisräte sahen in Bigges Plänen einen wichtigen ersten Schritt hin zu einer klimafreundlichen beziehungsweise klimaneutraleren Mobilität im Landkreis. 

Nur einer nicht: Reiner Büttner, der sich das Thema schon im Kommunalwahlkampf auf die Fahnen geschrieben hatte. Er meinte: „Das ist mir viel zu wenig.“ Bigge lege einen zu starken Fokus auf den Radverkehr. Seine Fraktion habe einen „viel umfassenderen Ansatz“ im Sinn: „Wir wollten einen großen Wurf, der das ganze Thema Mobilität betrachtet. Wir müssen von oben nach unten denken.“ 

Und auch konkrete Verbesserungen und Handlungsempfehlungen im ÖPNV, so Büttner, müsse das Konzept enthalten. Bigge konterte: „Wenn Sie mir zeigen können, wie wir das gefördert kriegen sollen?“

Mit seiner Haltung vom verpassten „großen Wurf“ stieß Büttner im Gremium auf wenig Verständnis. Sogar Landrat Ulm schaltete sich ein, was er nur äußerst selten tut: „Aber lieber Kollege Büttner, welchen Ihrer Punkte sehen Sie denn im Konzept nicht beachtet?“ Wieder benannte Büttner eine zu starke Fokussierung auf den Radverkehr und den fehlenden Blick auf „das große Ganze“.

+++ Warum Büttners Haltung zum Mobilitätskonzept irritiert: Lesen Sie dazu einen Kommentar von NN-Redakteur Philipp Rothenbacher +++

Manfred Hümmer schüttelte den Kopf: „Aber es steht doch alles drin, was die SPD beantragt hat“, meinte er. „Wir brauchen diese Basis, um Erkenntnisse zu gewinnen, aus denen man dann Maßnahmen folgen lässt.“ Von der „Verweigerungshaltung“ Büttners hielt er wenig: „Wir können das Konzept doch nur auf Fakten aufbauen statt auf solchen Wortblasen.“ 

Das spiegelte sich auch im Abstimmungsergebnis wider: Neun Kreisräte sagten Ja zur Erstellung des Mobilitätskonzepts, nur Büttner stimmte dagegen.

Kernpunkte des Mobilitätskonzepts

Der Verkehrssektor ist in Bayern für 42 Prozent der CO2-Emissonen verantwortlich. Das Mobilitätskonzept für den Landkreis soll helfen, das zu ändern. Inhaltliche Kernpunkte:
- Bedarfsermittlung zur Personenmobilität
- Abstimmung mit allen Kreis-gemeinden und Fachbehörden sowie den entsprechenden Organisationen und Firmen (wie ADFC, VCD, Klimaallianz, Dehoga, Sharing-Anbieter) 
- Schnelle Radwege und Radwegeführung innerorts
- Rad-Abstellanlagen und Reparaturstationen 
- Integration schon bestehender (Verkehrs-)Konzepte
- Car Sharing-Angebote 
- Lückenschlüsse im Alltags- und Pendlerverkehr
- Öffentliche E-Bike-Ladestationen
- Digitale Angebote (wie Apps)
- Erstellung von Maßnahmenkatalogen und Handlungsvorschlägen für die Gemeinden

PHILIPP ROTHENBACHER

 

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