Kreis Forchheim: Lehrer müssen in Szenarien denken

7.7.2020, 14:00 Uhr
Kreis Forchheim: Lehrer müssen in Szenarien denken

© Foto: Friso Gentsch/dpa

Frau Forster-Sennefelder, wie sind Sie in den vergangenen Monaten mit den vielen Veränderungen im Schulbetrieb zurecht gekommen?

Die Situation hat sich ja immer wieder verändert. Das hatte zur Folge, dass Anweisungen vom Kultusministerium oft sehr kurzfristig kamen und die Schulen sehr flexibel und rasch reagieren mussten. Das war ein enormer Arbeitsaufwand für uns alle. Wir mussten alles in einen Dreiklang bringen: Homeschooling, Notfallbetreuung und später auch wieder Präsenzunterricht unter geänderten Vorzeichen.

Hätten Sie sich eine andere Vorgehensweise von Seiten des Kultusministeriums gewünscht?

Es bringt nichts, über die Vergangenheit zu schimpfen, man muss aus den Erfahrungen lernen. Es hat uns alle völlig unvorbereitet getroffen. Dass in so einer Situation nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen werden, ist verständlich. Was geholfen hat: Die Schulen haben letztendlich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens die Freiheit bekommen, die Vorgaben so umzusetzen, wie es vor Ort möglich ist. Denn an jeder Schule sind die Bedingungen etwas anders. Nun brauchen wir aber Kontinuität bis zu den Sommerferien.

Kreis Forchheim: Lehrer müssen in Szenarien denken

© Foto: privat

Wenn Sie einen Blick auf den Leistungsstand der Kinder werfen: Ist Ihnen aufgefallen, dass durch das Homeschooling Defizite bei dem ein oder anderen mehr zu Tage treten?

Allen Lehrern ist absolut bewusst: Es ist bis heute eine erhebliche Mehrbelastung für die Eltern. Manche hatten die Möglichkeit, mehr Zeit in das Lernen zuhause zu investieren. Aber es gab auch Eltern, die das nicht so begleiten konnten. Daran sieht man auch deutlich, dass das Lernen eben von der Schule geprägt wird. Die Schulen versuchen in den Wochen vor den Ferien nun, den Stoff aus dem Lernen zuhause zu vertiefen und zu üben. Wir versuchen aber auch im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten zu differenzieren, indem wir manche Kinder einzeln betreuen und dadurch Defizite auffangen. Im Großen und Ganzen ist es jedoch mit vereinten Kräften und der guten Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus gelungen, dass die Kinder zuhause gut weiterlernen konnten.

Mit wie viel Personal können Sie momentan arbeiten?

An unserer Schule sind derzeit alle Lehrkräfte im Präsenzunterricht. Aber es gibt auch Lehrkräfte, die einer Risikogruppe angehören und deren Gesundheitsschutz muss weiterhin oberste Priorität haben. In ganz Bayern sind das derzeit 13 Prozent der Grund- und Mittelschullehrer. Die haben natürlich ihre Dienstpflicht. Also unterstützen sie zum Beispiel Schüler, die gerade in ihrer Homeschooling-Phase sind, übernehmen Korrekturarbeiten von den Kollegen oder erstellen Materialien, die den Kindern zur Verfügung gestellt werden. Das regelt jede Schule für sich. Die Einsatzmöglichkeiten sind aber vielfältig.

Können Sie schon Aussagen zum nächsten Schuljahr treffen?

Diese Frage wird heiß diskutiert und wir alle wünschen uns einen Normalbetrieb. Davon gehen wir und auch das Kultusministerium erst einmal aus. Das hat natürlich zur Folge, dass die Abstandsregeln fallen müssen und das wiederum hängt vom Infektionsgeschehen ab. Für uns heißt das: Wir müssen weiterhin flexibel sein. Es wurde vom Ministerium angekündigt, dass wir noch vor den Sommerferien nähere Informationen bekommen. Dabei steht immer im Raum, dass es weiterhin Unterricht in geteilten Klassen geben könnte, die sich wochen- oder tageweise beim Schulbesuch abwechseln und auch, dass es noch einmal zu Schulschließungen kommen könnte. Die Schulen werden es alle so handhaben, dass Plan A ein normaler Schulbetrieb ist. In der Hinterhand müssen wir aber Plan B und C behalten. Aber da fehlen uns noch jegliche Anweisungen. Was wir jetzt brauchen sind konkrete Szenarien für den Regelbetrieb und die Alternativen, damit die Schulen das neue Schuljahr rechtzeitig planen und vorbereiten können.

Die Ferienbetreuung soll nicht über die Schulen geregelt werden…

Ja, denn die Lehrkräfte als Profis für Bildung dürfen nicht nach den Oster- und Pfingstferien zum dritten Mal für eine Notbetreuung zweckentfremdet werden. Alle Kolleginnen und Kollegen werden für den Schulstart im September gebraucht. Durch meine Funktion als BLLV-Vorsitzende weiß ich: Durch die Notbetreuung sind wir an manchen Schulen personell an die Grenzen gestoßen. Wir Schulen brauchen also dringend weitere Informationen aus dem Kultusministerium. Denn die personelle Situation muss ja dementsprechend passen. Wir können nur so viel Unterricht leisten, wie die Personaldecke hergibt. Und wir dürfen bei all dem nicht vergessen: Zur Corona-Krise kommt ja auch noch der Lehrermangel.

Das Thema wurde vor Corona groß diskutiert, ist aber dann in den Hintergrund verdrängt worden.

Aber verschwunden ist es nicht. Im Januar hieß es aus dem Kultusministerium, dass 1400 Lehrkräfte an den Grund- und Mittelschulen fehlen. Daraufhin wurden verschiedene Maßnahmen zur Unterrichtsversorgung ergriffen, ein Arbeitszeitkonto wurde eingeführt, Teilzeitmöglichkeiten eingeschränkt und die Versetzung in den Ruhestand geht in der Regel erst ab 66 Jahren. Ab dem Schuljahr 2020/21 werden die Maßnahmen umgesetzt. Und dies wird durch die Corona-Krise noch verschärft. Denn von den Risikogruppen wird sicherlich ein gewisser Prozentsatz nach wie vor fehlen, weil ein Attest vorliegt. Das alles muss man wissen, wenn es um die Maßnahmen im September geht.

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