Marathon-Mann: Doping durch Applaus

3.9.2018, 16:24 Uhr
Marathon-Mann: Doping durch Applaus

© Foto: Anja Hinterberger

Ohne viel darüber nachzudenken, was mir bevorsteht, habe ich einen Fuß vor den anderen gesetzt und als sich das Seitenstechen mit ein bisschen Zwicken zu Wort gemeldet hat, habe ich es einfach ignoriert, mich auf die weiße Fahrbahnmarkierung konzentriert und bin einfach weitergelaufen. Wenn der Kopf mitspielt, laufen auch die Füße! Leid getan hat es mir für die Zuschauer, doch für uns waren die Tropfen von oben genau die richtige Dosis Kühlung, um nicht wegen Überhitzung am Fahrbahnrand auszuscheren und leise ade zu sagen. Was ich mir vorher nie habe erträumen lassen: Jeder Applaus, jeder Zuruf, jeder Trommelwirbel ist wahres Doping für die Läufer!

Die Zähne zusammenbeißen musste ich zwischendurch. Am Anfang hat mich die Atmosphäre wie ein Sog angezogen, die anvisierten sechs Minuten pro Kilometer waren damit deutlich schneller gelaufen. Eine Geschwindigkeit, die viel zu schnell ist für mich Einsteiger. Auf den letzten Kilometern, kurz nach Pretzfeld, fordert eine Steigung, die nur Läufer merken, ihren Tribut. Schon einen Kilometer vor dem Ziel schallt es einem aus den Lautsprechern entgegen und setzt letzte Energiereserven in mir frei.

Ein Blick auf die Uhr: läuft! Und mit mir mein Vater Georg und mit uns zwei Läufer des Laufteams der Feuerwehr Weilersbach. Getroffen haben wir uns auf der Strecke zufällig, haben das gleiche Ziel, unter einer Stunde bleiben. Kurz davor darf ich nochmal abklatschen, mich anfeuern lassen und gemeinsam nach 58:49 Minuten über die rote Zeitlinie laufen. Erschöpft, überglücklich! Die Worte fehlen.

So sitze ich auch Stunden später vor der Tastatur, mit der Medaille um den Hals. Sie gehört nicht nur mir. Sie gehört allen Läufern, die sich in den vergangenen Monaten oder seit Jahren auf den Weg gemacht, die mich unterstützt, die mir die Daumen gedrückt haben. Und sie gehört den Zuschauern, ohne die sich der Läufer sehr alleine fühlen würde. Und auch den Lesern dieser Kolumne, die mir gut zugesprochen haben, per E-Mail, beim Laufen, mit Daumen nach oben, Klatschen, einer Umarmung oder High Five.

Ich will nichts höher hängen als es ist, aber ich habe zum ersten Mal erleben dürfen, wie Sport die Menschen näher zusammenrücken lässt. Das ist Gänsehaut und deswegen haben wir es irgendwie alle gemeinsam übers Ziel geschafft.

In der Kolumne "Der Marathon-Mann" schilderte NN-Redakteur Patrick Schroll seine Erlebnisse und Gedanken, als bis dato unsportlicher Lauf-Einsteiger auf die 10-km-Strecke zu trainieren. Hier geht es zu allen Kolumnen, mit Bildern und Videos.

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