Mit Hilfe aus dem Ausland kämpft Forchheim um das Überleben des Waldes

10.3.2020, 05:18 Uhr
Mit Hilfe aus dem Ausland kämpft Forchheim um das Überleben des Waldes

© Foto: Roland Huber

Lust auf einen Hauch Meeresküste? Dann ab in den Stadtwald. Das mediterrane Gefühl ist nur wenige hundert Meter vom Reuther Sportheim in Richtung Serlbach entfernt. Das Hinweisschild auf der Holztafel ist nur schwer zu übersehen. "Küstentanne" steht darauf. 61 Meter hoch und bis zu 100 Jahre alt kann der Baum aus dem Nordwesten der Vereinigten Staaten und Südwesten Kanadas werden. Jetzt wächst er auch in Forchheim, ist aber erst wenige Zentimeter groß. Es ist einer von mehreren eingezäunten Bereichen im lichten Wald der Stadt. Die Zukunft wächst dort nach oben gen Himmel. An anderen Stellen im Wald sind es die kroatische Atlaszeder oder die Baumhasel, die auch unter dem Namen Türkische Hasel bekannt ist, weil der Baum eigentlich in der Gegend vom Balkan bis nach Afghanistan verbreitet ist. Bisher.

Mit Hilfe aus dem Ausland kämpft Forchheim um das Überleben des Waldes

© NN-Infografik

15.000 Euro nimmt die Stadt jährlich in die Hand, um die Gastbäume in Forchheim heimisch zu machen. Mit dem Budget geht Stadtförster Stefan Distler bei den Baumschulen einkaufen. Die Setzlinge pflanzen er und seine fünf Mitarbeiter dort im Wald, wo keiner mehr ist. Oft sind es Flächen, die einst von der Fichte bewaldet waren. "Sie wird uns ausfallen", sagt Distler. Auch wenn noch nicht klar ist, wann der Klimawandel es vollstreckt: am Todesurteil gibt es nichts mehr zu rütteln. Förster aus benachbarten Revieren kennen die Problematik. "Das macht schon Angst", sagt Distler.

Der Anfang einer Katastrophe

"Wir stehen am Anfang einer großen Katastrophe. Der Wald stirbt uns unter unseren Händen weg", urteilte Rita Satzger 2019 im Stadtrat Ebermannstadt. Als Revierleiterin ist sie seit Juli 2016 für das Forstrevier Streitberg zuständig und damit für die Waldflächen Ebermannstadts und des Marktes Wiesenttal. Auch die privaten Waldbesitzer kommen im Landkreis nicht mehr hinterher, das tote Holz zu entsorgen. Nicht besser ist die Lage für den Wald im gesamten Landkreis. Hier sind 2019 alleine 338 Fußballfelder Wald gestorben und damit ein Prozent des gesamten Baumbestands. "Wenn der Klimawandel weiter zunimmt, beschleunigt sich das Sterben", rief Michael Kreppel daher der Politik im Landkreis ins Gewissen. Kreppel ist Abteilungsleiter Forsten vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg (AELF) und für fünf Reviere im Landkreis verantwortlich. Alleine im Stadtforst waren es 2019 rund 1500 Festmeter (entspricht 1500 Kubikmeter) Fichtenholz, das geborgen werden musste.

Zurück zur Forchheimer Küstentanne. Die wurzelt tief, ist ein sogenannter Pfahlwurzler und alleine schon deshalb der Fichte um Wurzelweiten voraus. Tief verankert im Boden sorgt das für einen festen Stand bei Stürmen und sichert gleichzeitig die Versorgung mit überlebensnotwendigem Wasser, dass sich in den immer heißeren Sommern immer tiefer in den Boden zurückzieht. Hitze und Trockenheit schaden der Fichte, machen den Baum für den Borkenkäfer zu einem beliebten, da geschwächten Opfer. Die Fichte ist erst seit rund 200 Jahren zu Gast in unseren Wäldern und stammt aus nördlicheren Gefilden.

Deshalb greift Stadtförster Distler bei seiner Einkaufstour zu bisher fremden Bäumen. Genügend Setzlinge für den 93 Hektar großen Stadtwald zu finden, ist nicht einfach. Denn nachgefragt werden Bäume, die gegenüber Hitze und Trockenheit immun sind, überall. Das Waldsterben 2.0 führt zu einem enormen Waldumbau. "Das ist eine Aufgabe, die auch die nächsten Generationen beschäftigen wird", sagt Distler.

"Gastbaumarten sind teuer", so der Stadtförster. 4,50 Euro kostet ein Setzling der kroatischer Atlaszeder. Zum Vergleich: der heimische Nachwuchs koste pro Stück zwischen 60 Cent und 1,50 Euro. Am Ende ist es auch der Mix, den der Förster zusammen mit Forchheims Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) im Blick hat. Im stadteigenen Pflanzengarten in Burk zieht Forchheim eigene Arten selbst groß und setzt auf die natürliche Vermehrung bestehender Bäume, die Naturverjüngung.

8000 Stäbe in der Schublade

Nicht nur des Klimawandels wegen muss die Stadt reagieren. Die Forstwirtschaft habe auch mit wirtschaflichem Handeln zu tun, so der OB. "Das Holz muss auch vermarktbar sein." Totes oder kaputtes Holz verkauft sich schlecht, die Preise sind in den vergangenen Monaten in den Keller gerauscht. Das soll sich ändern. Dafür braucht es Geduld und Vorausschau. Bis die Baumhasel reif für die Verwertung ist, muss sie rund 100 Jahre im Wald stehen bleiben. Bis zu 20 Meter hoch und 300 Jahre alt wird der Baum mit türkischen Wurzeln. Das Holz ist für Möbel gut geeignet, aus den Früchten lässt sich Öl gewinnen, das zu Farben oder für die Pharmazie weiterverarbeitet werden kann.

Ohne hölzerne Stäbe wären die Jünglinge im Waldboden vom Waldweg aus kaum zu sehen. Sie haben noch einen langen Weg vor sich. Schon im November haben die Mitarbeiter der Stadtförsterei angefangen, neue Bäume dort zu pflanzen, wo einst Fichten beieinanderstanden. Jetzt ist erst Mal Pflanzpause. Die Setzlinge brauchen Zeit, um kräftig anzuwachsen, damit sie die ersten Hitzeperioden in diesem Jahr gut wegstecken können. Bis die Löcher im Wald zugewachsen sind, dauert es. Damit das möglichst ohne Rückschläge gelingt, zäunt die Stadt angepflanzte Areale ein. So lange, bis die Jungen aus dem Gröbsten raus sind. Der Zaun soll vor Wildverbiss und Publikumsverkehr schützen.

Der Oberbürgermeister spricht hierbei von einem Miteinander von "Wald und Wild" und gibt dem gesamten Vorhaben den Titel "Wald der Zukunft". Daran pflanzt die Stadt. Neben jährlich 15.000 Euro stehen dafür 8000 Holzstäbe bereit, die die Stadt gekauft hat, um den Setzlingen von Beginn an Halt zu geben. Es ist eine Wette auf die Zukunft.

Verwandte Themen