Party gerät völlig außer Kontrolle: Prozess am Amtsgericht Forchheim

15.5.2021, 16:00 Uhr

Eigentlich wollten sie nur einen Geburtstag feiern. Damit niemand sie stört, haben sie sich ein abgelegenes Grundstück am Waldrand ausgesucht. „Man musste schon wissen, wie man da hinkommt“, so einer der Gäste im Prozess. Dort nimmt die Rave-Party im Schein eines malerischen Lagerfeuers ihren Lauf. Doch selbst hier sind sie mitten in der Nacht nicht allein. Ein sogenannter „Freund“ hat sie verraten. Möglicherweise hat er daraus sogar einen finanziellen Vorteil gezogen. So ganz klar wurde das während des Gerichtsverfahrens nicht.

Etwa ein Dutzend Jugendlicher, die meisten noch Schüler, kommt ohne Einladung zu Besuch. Die Gruppe hat sich zuvor auf der Schleuseninsel aufgehalten. Nun möchten sie bei Musik und Drinks auf Kosten anderer den Abend ausklingen lassen. „Wir dachten, wir schauen mal vorbei“, so der Angeklagte. Weil die Corona-Beschränkungen es nötig machen, gibt es eine Gästeliste, auf der die Neuankömmlinge natürlich nicht aufgeführt sind. 

Am Einlass kommt es zu lautstarken Streitereien und heftigen Beleidigungen. „Es ging hoch her“, merkte einer der Zeugen an. Es folgt ein Gerangel. Dann wird es brenzlig. „Vor mir wurde einer zwei Mal mit einem Stock geschlagen. Der fiel dann um“, so einer der Partygänger. Plötzlich fliegt ein wahllos geworfener Ast in Richtung der Geburtstagsgruppe. 

Offenbar hat ihn jemand vom Boden aufgehoben und im Frust auf die da drinnen ihnen entgegengeschleudert. Im Tumult und bei der nächtlichen Dunkelheit kann niemand das Gesicht des Täters genau sehen. 
Das Geschoss trifft dennoch. „Er hatte Blut an den Händen und im Gesicht“, erzählte eine Zeugin. Schließlich hat er eine Risswunde an der Augenbraue und eine aufgeplatzte Lippe. Der 26-jährige Mann, nennen wir ihn Richard, geht zu Boden. Der Ast hat ihn mitten im Gesicht erwischt. „Ich hörte einen Schlag und war dann erst mal weg.“ Besonders das Auge ist betroffen. Eine zeitlang kann Richard nichts mehr sehen.

Schon fürchtet er, das könnte für immer so sein. Die Brille für 350 Euro ist kaputt. Tatsächlich ist die Verletzung so gravierend, dass er ins Universitätsklinikum Erlangen gebracht werden muss. „Zwei Tage musste ich eine Augenklappe tragen.“ Dann kommt die erlösende Nachricht, dass er keine bleibenden Schäden davongetragen hat.

Fast das Augenlicht verloren

Nun galt es zu klären, ob der 20-jährige Angeklagte aus Forchheim derjenige war, der den Holzstock geworfen hatte. Daran gab es von Beginn an auch beim Vorsitzenden Richter Peter Neller ernste Zweifel.

Nicht nur, weil die Täterbeschreibung auf Tausende andere auch zutreffen hätte können. Wenn denn überhaupt Jemand Jemanden genau gesehen hatte. Sondern auch, weil der Angeklagte am Tattag nachweislich ein gelbes Sweatshirt getragen hatte – und nicht wie der Täter einen roten Kapuzenpullover. An dem hatten die Zeugen den Täter hauptsächlich erkannt. Der Angeklagte selbst gab an, sich bei aufziehendem Ärger in den nahegelegenen Wald geflüchtet und abgewartet zu haben. Er habe dort eine halbe Stunde gekauert, bis einige Polizeistreifen für Ordnung gesorgt hätten. Am Ende stand auch Staatsanwalt Michael Demling dem Freispruch eines Unschuldigen nicht im Wege.

Nach dem Prozess blieb der Verdacht, dass eines der Mädchen, die zu den Eindringlingen gehört hatte, weiß, wer den Holzstock geworfen hat. Die 15-Jährige aber sagte dazu nichts, wohl aus falsch verstandener Loyalität. „Der junge Mann hat beinahe ein Auge verloren. Da gibt es keine Freundschaft“, ärgerte sich Rechtsanwalt Stefan Kohler aus Forchheim. 

UDO GÜLDNER