Poetry Slam: Dichter kapern das Junge Theater Forchheim

27.9.2018, 12:26 Uhr
Bei der Siegerehrung waren alle Mann und Frau an Bord.

© Udo Güldner Bei der Siegerehrung waren alle Mann und Frau an Bord.

Kapitän Kaden ist diesmal nicht auf der Brücke. Der Slam-Moderator segelt derzeit irgendwo auf der Ostsee umher, unter sich die Planken der „Thor Heyerdahl“ und einige Dutzend Meter Meerwasser. Dafür hat Maron Fuchs aus Bamberg, sonst Matrosin unter dem Kommando Kadens, die Bühne gekapert. Und für einen Abend sechs Nachwuchsdichter angeheuert, mit denen sie auf eine muntere Wort-Schatz-Suche geht.

Kistenweise erbeuten sie dabei sprachmächtige Geschichten, humorige Anekdoten und tieftraurige Episoden. Selbst im größten Sturm oder bei lautstarkem Kanonendonner kann sich Jonas Pan aus Konstanz verständigen. Nicht im Flaggenalphabet, wohl aber in Gebärdensprache. Dabei verstehen ihn selbst die Landratten, die Unterschlupf im Kulturkeller gefunden haben.

Wo andere zur Orientierung eine Karte in der Hand halten, die ihnen den Weg zum Ende des Satzes weist, weiß Pan genau, wie er dorthin gelangt. Eine noch viel ernstere Rolle spielt Andrea Zuther aus Nürnberg. Als Schiffsärztin wirbt sie eindringlich für die Prostatakrebs-Vorsorge. Ihr Vater Frank (1959-2018) fiel der fehlenden solchen vor Kurzem erst zum Opfer. Dabei geriet die Familie in einen Strudel aus Trauer, Angst und Hoffnung. Nun möchte sie alle von der Mannschaft dazu bringen, diese urologischen Untiefen zu umschiffen. Damit möglichst viele ihren Lebensabend am Strand verbringen können.

Masken, Träume, Illusionen

Von Masken, Träumen und Illusionen erzählt Kathi Erdmann aus Bamberg auf dem Zwischendeck. Dort tummeln sich die Nackten und die Einsamen, die auf der Jagd und zugleich auf der Flucht sind. Vor anderen und vor allem vor sich selbst. Dabei müssten sie doch nur auf ihre innere Stimme hören, den kleinen Hirngespinsten folgen und so einen sicheren Hafen finden. In sieben nachdenklichen Minuten gelingt es ihr, jenseits allen Klamauks die Besucher zu bannen.

Als Yannik Ambrusits sich in Eulenspiegeleien ergeht, brandet Beifall auf.

Als Yannik Ambrusits sich in Eulenspiegeleien ergeht, brandet Beifall auf. © Udo Güldner

Der gemütliche Smutje Nils Nektarine aus Nürnberg ist nicht dick. Sagt er jedenfalls. Obwohl er als bald Ü30-Party-Besucher eine Schwäche für Weinbrandbohnen entwickelt hat. Ob sich damit all die Verletzungs-Anekdoten wie der Zusammenprall mit einer Schiffschaukel erklären lassen? Wie er da sein Seemannsgarn so spinnt, wird nicht ganz klar, ob es sich um tatsächlich peinliche Episoden aus seinem Leben handelt oder tolldreist erfundene Geschichten aus seinem Kopf. Unterhaltsam sind sie allemal.

Eine literarische Leichtmatrosin ist Ann Katharina Re aus Bamberg. In sieben Minuten lässt sie ihre Kindheit und Jugend rückwärts ablaufen. Dabei „spuckt ihr kleiner Mund Wörter aus“, die man sonst nur achtern sagt. Und dabei sitzt sie wie ein Schelm mit Unschuldsmiene auf der Reling. Als der Schiffsjunge Yannik Ambrusits sich in Eulenspiegeleien ergeht, brandet Beifall auf. Auch wenn er seine Ode auf die Jugendherberge mit nebelhorniger Durchdringung ganz im Stile Jochen Malmsheimers über die See dröhnen lässt. Solch eine „Buchstabenaneinanderschlachtung“ lassen sich die Zuhörer, einige schon auf mehreren Wortmeeren erfahren, gerne gefallen. Später wird er durch all die Flachwitze hindurch manövrieren, die er zuvor selbst im Jungen Theater versenkt hat.

Nach und nach muss einer nach dem anderen über Bord gehen. Der bekennende Trans-Mann Cris Ortega aus Erlangen spielt mit seiner Gitarre dazu. Nicht nur zur Freude des Publikums – auch, um sein Tourette-Syndrom unter Kontrolle zu bekommen. Man spürt, dass seine Muskeln zur Musik in seinem Kopf tanzen, wie eine seiner Songzeilen in „Kopfleuchten“ lautet. Vor sich ein Glas mit Tee (ohne den bei Seeleuten üblichen Rum). Hinter sich die Suche nach der eigenen Körper, der eigenen Identität, die er in dem Musical „Gender-Kacke“ in durchaus lyrische Worte gewandet hat.

Beim nächsten Mal braucht es nur noch einige Zuhörer mehr, die für einige Euro eine Schiffspassage buchen. Vielleicht sollte man kurzerhand einige Passanten in der Kasernstraße shanghaien.

Der nächste Poetry Slam im Jungen Theater Forchheim startet am Mittwoch, 31. Oktober, ab 20 Uhr. Eintritt: sechs Euro (ermäßigt vier Euro).

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