Prozess ausgesetzt: Forchheimer "Reichsbürger" droht dem Richter

10.9.2020, 16:07 Uhr

An der Gerichtstafel war ein Verfahren gegen Werner M. (Name geändert) angekündigt. Ein älterer Herr im Freizeitlook wartet vor der Tür. Aus seinem karierten Hemd ragt ein blauer Pass mit der Aufschrift „World Government“, dort wo beim roten europäischen Personaldokument das ausstellende Land genannt ist. Er und sein Begleiter setzen sich im Gerichtssaal auf die Zuhörerstühle, nicht auf die Anklagebank. 

Der Strafrichter ruft die Sache auf; er erkennt den Mann als den Angeklagten und spricht ihn an. „Ich bin nicht Herr M.“, sagt der aber. Er sei nur hier, um aufzupassen, ob alles passt. „Ich bin der Mann Werner und ich bin nicht geladen.“  Der Richter lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und fragt, ob denn die Personalien des Angeklagten stimmen.

Der Vorwurf der Erpressung resultiert aus einem Gebührenbescheid der Stadt Forchheim, der vollstreckt werden sollte. Der Mann zog in einem seitenlangen Schreiben, das für das Vorgehen der so genannten „Reichsbürger“ typisch ist, die Berechtigung der Stadt in Zweifel, so etwas überhaupt verlangen zu dürfen.

Drohung mit Anzeige

Er warf der Sachbearbeiterin darin etliche Straftaten zu seinen Lasten vor, insbesondere, dass sie sein Geld veruntreut habe. Deswegen werde er sie anzeigen. Gleichzeitig verlangte er von der Stadt eine Geldsumme, die um ein Vielfaches höher lag als der geschuldete Betrag.

Dasselbe Spielchen soll er mit den Stadtwerken getrieben und auch dort einen Sachbearbeiter persönlich verschiedener Straftaten beschuldigt haben. 

Die Stadt erstattete daraufhin Anzeige. Die Staatsanwaltschaft leitete gegen den Mann ein Ermittlungsverfahren ein. In diesem Verfahren war auch der Strafrichter der Verhandlung vor dem Amtsgericht involviert. Aufgrund dessen zeigte der Angeklagte auch den Richter an. 

Nun reagierte die Staatsanwaltschaft, indem sie endgültig Anklage gegen den Mann erhob. Der Strafrichter erklärte sich zuerst selbst als befangen. So wurde die Zulassung der Anklage von einem weiteren Richter am Amtsgericht geprüft.  Der ließ die Anklage zu, bis auf den Teil, der die ungerechtfertigten Vorwürfe gegen den ersten Richter enthielt. Damit war aus seiner Sicht für seinen Kollegen der Selbstablehnungsgrund wegen Befangenheit entfallen und so eröffnete der ursprüngliche Richter wie geplant das Verfahren.

Aus diesen Vorgängen zog der Rechtsanwalt des Angeklagten aber wiederum den Schluss, dass der Richter befangen sei. Der Verteidiger bezog sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1959.  Der Richter entgegnete, dass er dann ausgeschlossen wäre, wenn ihm die nötige Unvoreingenommenheit fehle. Dies sei aber nicht der Fall, genauso wenig wie bei einem Richter, der in einem Prozess einen Zeugen der Lüge überführt und für das anschließende Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage nach der Geschäftsverteilung des Gerichts ebenfalls zuständig sei.

Richter und Anwalt einigten sich darauf, das Verfahren auszusetzen, bis diese Rechtsfrage geklärt werden kann. 

PAULINE LINDNER