Redakteur im Selbstversuch: Gaukler statt Robin Hood

3.5.2020, 14:54 Uhr
Redakteur im Selbstversuch: Gaukler statt Robin Hood

© Thomas Hahn

Im Zuge von Covid-19 hatte ich beim einsamen Brainstormen im Home Office vor einigen Wochen die Idee, Sportarten vorzustellen, die man trotz Pandemie betreiben könnte. Da fiel mir unter anderem Intuitiv-Bogenschießen ein. In Oberreichenbach bei Herzogenaurach beispielsweise gibt es einen 3D-Parcours, der durch den Wald führt und alle paar hundert Meter mit heimischen Tieren aus Kunststoff aufwartet, die dann mit Pfeil und Bogen anvisiert werden können – intuitiv oder traditionell, ohne Zielvorrichtungen und andere Hilfsmittel.

Redakteur im Selbstversuch: Gaukler statt Robin Hood

© Thomas Hahn

Wer wäre denn im Raum Forchheim ein geeigneter Ansprechpartner, fragte ich meinen Vorgänger. Der empfahl mir Michael Fuchs. Der ist in Kirchehrenbach aufgewachsen, ein anerkannter Experte dieser Sportart, hat im Forchheimer Umkreis einige Events gestaltet, beispielsweise die Anlage im nahen Baiersdorf mit aufgebaut und betreibt mit einem Kompagnon derzeit in der Fürther Südstadt eine Bogenhalle.

Doch die Anfrage scheint zunächst ein Flop zu sein: Auch das traditionelle Bogenschießen in Wald und Flur fällt unter das allgemeine Sportverbot. Aber Fuchs trägt seinen Namen zurecht: "Wenn du was für deinen Sportteil suchst: Ich biete alternativ erstmals einen Online-Kurs an für Leute, die das Jonglieren lernen wollen."

Im ersten Moment klingt das nicht gerade verheißungsvoll, erste Versuche in jungen Jahren waren eher deprimierend verlaufen. Aber warum es nicht mal unter Anleitung versuchen, zumal Michael Fuchs mehr oder weniger die Garantie mitgibt, dass am Ende des Kurses jeder prinzipiell das Jonglieren mit drei Bällen beherrschen könne.

Es beginnt mit ganz profanen Problemen: Woher geeignete Bälle nehmen, wenn nicht stehlen? Die einschlägigen Läden sind zu diesem Zeitpunkt alle geschlossen. Der Zufall kommt zur Hilfe; eine nette Facebook-Bekannte stellt mir welche zur Verfügung. "Zusammengerollte Socken hätten es auch getan", erklärt später der Trainer, der das Seminar auf drei Lehrvideos und diverse Live-Sessions aufgebaut hat.

Am Tag nach dem ersten Video schalten sich die Teilnehmer erstmals live auf Zoom zu, teils sind es Väter mit Kindern, teils Einzelpersonen. Der Anfang macht Mut. "Die Bälle dürfen nicht nur runterfallen, sie sollen es sogar – umso öfter, umso größer ist der Lernerfolg", sagt Michael Fuchs.

Mein Lernerfolg müsste demnach riesig sein. Aber die Bälle fallen leider auch dann noch, als Fuchs seinen (nach eigenen Worten) Lieblingsspruch von sich gibt: "Wir dürfen die Bälle jetzt fangen." Denn ein Muss will er den Teilnehmern nicht auferlegen, Jonglieren soll ja Spaß machen.

 

Alle Würfe gleich

 

Wir fangen systematisch mit einem Ball an. Alles andere würde die Anfängergruppe überfordern. Michael Fuchs weiß aus Erfahrung: "Die meisten Anfänger wollen gleich viel zu viel, aber erzwingen kann man es nicht." Wer mit drei Bällen beginne, müsse eigentlich scheitern.

Die Würfe sollen im Idealfall alle gleich sein. Das Problem: Meine rechte Hand macht meistens mit, die schwächere linke bringt den Ball nicht hoch genug, und in dem Moment, wenn ich das registriere, schleudert sie den nächsten Versuch unkontrolliert viel zu sehr in die Höhe.

Dann kommt auch noch der zweite Ball dazu, was die Probleme potenziert. Denn nun soll ich auch noch daran denken, den zweiten Ball los zuwerfen, wenn der erste am höchsten Punkt ist – und trotzdem ruhig und locker werfen.

Das Gemeine am Jonglieren wird mir schnell klar: Richtig flutscht es nur, wenn alle Einzelschritte passen. Dagegen gibt es Fehlerquellen noch und nöcher. Neben zu niedrigen und zu hohen Würfen noch diejenigen, die zur Seite abdriften und daher kaum noch zu fangen sind.

Apropos Fangen: Das hat auch seine Tücken. Als ehemaliger Ballsportler habe ich die Anweisung meiner Trainer verinnerlicht, nicht auf den Ball zu warten und ihm stattdessen entgegenzugehen. Grundfalsch bei der Jonglage: Da sollen die Hände auf Bauchhöhe ganz entspannt warten, bis die Bälle von selbst in sie hineinfallen.

Bei Michael Fuchs sieht das spielerisch leicht aus, doch wenn schon die Würfe nicht passen, haben meine Hände alle Hände voll zu tun, um die herumirrenden Bälle irgendwo aufzufangen. Das kann natürlich nicht lange gut gehen, irgendwann liegen wieder alle drei auf dem Boden. Aber das bringt ja bekanntlich den meisten Lernerfolg...

Doch beim ersten Versuch mit dem dritten Ball das Wunder: Die ganze Kaskade (so nennt sich eine solche Dreierserie) klappt, als ob ich mein ganzes Leben nichts anderes gemacht hätte. Nur hat das leider keiner gesehen. Später vor der unfehlbaren Kamera und den kritischen Blicken des Coaches funktioniert das nie wieder so gut; aber immerhin bekomme ich es ab und zu mal hin.

Was ich gelernt habe: Frust ist ein schlechter Begleiter beim Jonglieren. Wenn es mal gar nicht läuft, ist stures Weiterüben eher kontraproduktiv. Lieber die Bälle zur Seite legen und zwischendurch ein Eis holen. Und später kann man unbelastet weiter machen. Vielleicht eine Erkenntnis fürs Leben.

Zuguterletzt gibt es auch für den Möchtegern-Robin-Hood noch ein Happy End: Bei einem Foto- und Videotermin in der Fürther Bogenhalle darf ich – wenn auch nicht im Wald – zu Pfeil und Bogen greifen. Das ist doch was anderes als diese "hektischen" Jonglierbälle. Und prompt stellt sich das Erfolgserlebnis ein: Schon der erste Schuss landet genau im Zentrum. Michael Fuchs findet das eher gar nicht gut: "Aufs Treffen kommt es doch gar nicht an." Aber es fühlt sich gut an...

 

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