Rehkitz die Kehle durchtrennt: Mäharbeiter nach Unfall wegen Tierquälerei vor Gericht

24.1.2020, 07:58 Uhr

Ein Rehkitz beim Mähen schwer verletzt und es dann unsachgemäß getötet: Der Vorfall im vergangenen Juni im südlichen Landkreis berührte viele Menschen. Nun musste sich der Lohnmäher laut Anklageschrift wegen "quälerischer Tierquälerei" vor Gericht verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, nicht nur das Tier bei der Arbeit übersehen zu haben, sondern es später unsachgemäß von seinem Leiden erlöst zu haben.

Sein Verfahren wurde gegen eine Geldauflage von 750 Euro zugunsten des Kinderschutzbunds vorläufig eingestellt. "Ich sehe seine Schuld als gering an, auch wenn das Ergebnis schlimm war", begründete der Sitzungsstaatsanwalt seine Zustimmung. Er schien die Schuld eher beim Wiesenbesitzer zu sehen, der mehrere Pflichten verletzt hat.

Die erste: Die Wiese nahe einer Staatsstraße ist im Ökoflächenkataster aufgenommen und hat Biotopcharakter. Insbesondere wegen Wiesenbrütern darf sie erst ab August und das nur mit Zustimmung der Naturschutzbehörde gemäht werden. Der Vorfall ereignete sich aber am 24. Juni. "Ich wurde am Tag vorher verständigt, weil das Gras so hoch stand", erklärte der Lohnmäher.

Welche Schuld trägt der Landwirt?

Seit 15 Jahren arbeite er für den Bauern, die Wiese an der Staatsstraße mähe er seit zwei, drei Jahren. "Ich verlasse mich auf den Landwirt, dass er prüft, vor allem wenn er mich so kurzfristig ruft." Gerade auf diesen Auftraggeber, dieser sei selbst Jäger.

Die zweite Pflicht: Ein Landwirt muss vor der Mahd seine Flächen mit einem Hund oder einer Wärmebildkamera begehen, wenn sich in dem Gebiet Tiere im Gras aufhalten können. Örtlich soll es üblich sein, einige Tage vor der Mahd Stangen mit raschelnden Beuteln in die Wiesen zu stecken, um Rehe zu vergrämen.

Nach dem sogenannten Mähknigge ist eine Wiese, in der sich größere Tiere aufhalten könnten, von innen nach außen zu mähen. Damit eben ein Tier eine Fluchtmöglichkeit hat, wenn der Bulldog anrückt. Das hat der Lohnmäher zum Teil getan; weil er ein Heckmähwerk einsetzt, muss er erste eine Außenrunde fahren, um vorschriftsmäßig weitermachen zu können.

Prompt geriet ihm ein zwei Wochen altes Kitz unter den Mähbalken. Das hat er glaubhaft nicht gesehen, weil es in seinem Rücken geschah. Auch bei der nächsten Mährunde nicht, sagte er. Danach wechselte der Lohnmäher auf eine weitere Wiese desselben Bauern, die durch eine Hecke von der ersten abgetrennt ist. Als er sie mähte, sei ihm nur ein Alttier aufgefallen, das aus der Hecke Richtung Wald wechselte.

Polizist entdeckte das Rehkitz

Ein Spaziergänger, genauer ein Polizist in seiner Freizeit, sah eine Weile später, auf der zuerst gemähten Fläche eine merkwürdig suchende Ricke. Und dann sah er auch das Kitz, dem ein Bein fast abgetrennt worden war. Er sprach den Mähenden an, ob er denn die Polizei oder den Jagdpächter verständigt habe.

Das tat er, erreichte den ihm bekannten Jäger aber nicht sofort. Der beauftragte ihn dann, das Tier zu erlösen. Dazu betäubte der Mäher das Kitz und schnitt ihm die Kehle durch. Das habe ihn große Überwindung gekostet. "Ich wollte es nicht noch länger leiden lassen", erklärte er. Deshalb habe er auch nicht die Polizei verständigt.

"Das war verantwortungslos"

Sie übernimmt häufig die Aufgabe der Jagdpächter, weil beispielsweise bei einem Verkehrsunfall der Fahrer den Zuständigen Jagdpächter gar nicht kennt. Im Normalfall wird bei kleineren Tieren zur Dienstpistole gegriffen.

Die Tierrechtsorganisation PETA hatte nach dem Unfall Anzeige erstattet. "Eigentlich hätte der für das Grundstück zuständige Landwirt auf der Anklagebank sitzen müssen", betont die Organisation in einer Pressemitteilung. Da dieser Jäger sei, müsse er umso mehr gewusst haben, dass vor der Mahd Vorkehrungen zum Schutz der Tiere zu treffen sind. "Dass er nicht gehandelt hat, war verantwortungslos", so Dr. Edmund Haferbeck, Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung bei Peta.