Reiterhöfe kämpfen kreativ ums Überleben

24.1.2021, 19:12 Uhr
Reiterhöfe kämpfen kreativ ums Überleben

© Foto: Annika Falk-Claußen

Seit Anfang November kann Sabrina Ostfalk keinen Unterricht mehr anbieten. Die Betreiberin der "Easthawk Ranch" in Betzenstein hat sich über staatliche Hilfen informiert, bekam aber auf Nachfrage den Tipp, die Arbeitszeiten und -kosten herunterzufahren. "Wie soll das gehen? Die Pferde nur jeden dritten Tag füttern?", ärgert sich die ausgebildete Wanderrittführerin, die ihren Hof als Ein-Frau-Betrieb führt.

Vier eigene Pferde besitzt sie, die müssen versorgt und bewegt werden, teilweise unterstützen Reitbeteiligungen. Doch den Pferden merke man trotzdem an, dass die geistige Auslastung fehlt, da sie zuvor teilweise mehrfach am Tag beschäftigt worden sind.

"Die Pferde sind etwas pissig"

"Sie sind gut geritten worden, keine abgestumpften Schulpferde, sind entsprechend intelligent und jetzt etwas pissig", so Ostfalk, der zusätzlich zum Ausfall der Unterrichtseinnahmen auch die Einnahmen für ihre Ferienwohnung flöten gehen. Zuvor waren viele Reiter mit eigenem Pferd im Urlaub zu ihr gekommen.

Reiterhöfe kämpfen kreativ ums Überleben

© Foto: Annika Falk-Claußen

Erst 2017 hat sie eine große Halle gebaut, bietet seit 2018 verstärkt Unterricht an. "Ich habe alles aufgebaut, es ist richtig losgegangen und dann musste ich im Frühjahr alles absagen", so Sabrina Ostfalk, die dann im Sommer wieder Einzelunterricht geben konnte. Doch im November folgte der zweite Lockdown. "Wenn man nur fünf Monate was verdienen kann, ist es schon hart."

Ein paar hundert Euro Unterhalt kommen pro Pferd zusammen. Zudem muss sie die Versicherungen für ihre Schulpferde weiter bezahlen, könnte diese nur für ein ganzes Jahr aussetzen. Sie hofft, dass sie nach Ostern wieder öffnen kann und plant für den Sommer und Herbst Wanderritte und Seminare.

"Tropfen auf den heißen Stein"

Aktuell bleiben ihr nur Online-Kurse zu Themen wie Erste Hilfe, Umgang und Arbeiten mit dem GPS-Gerät oder Anforderungen ans Geländepferd und dessen Reiter, die wenigstens etwas Geld reinbringen: "Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

Außerdem hat sie aktuell zwei Ofenstall-Plätze frei und neue Einsteller zu finden, ist mit Kilometer-Begrenzung und Kontaktbeschränkungen nicht leicht. "Eigentlich müsste ich meinen Bestand verjüngen, ein fünftes Pferd kaufen", erzählt sie. Doch das kann sie sich in der momentanen Situation nicht leisten.

Pferde in Rente geschickt hat Ursula Augustin von der Reitschule in Birkenreuth. Sie wurden an ehemalige Schüler übergeben, so dass die Reitlehrerin aktuell nur noch drei arbeitslose Schulpferde durchfüttern muss. Die studierte Grafikdesignerin hat sich nach dem ersten Lockdown eine zusätzliche Beschäftigung gesucht. Seit dem Sommer arbeitet sie in der Altenpflege auf einer stationären Station und versorgt am Nachmittag ihre Pferde. "Es macht Spaß und die Bewohner sind so dankbar", schwärmt sie von ihrem neuen, unverhofften Job, der gewisse Ähnlichkeiten mit dem Reiterhof habe. "Ich muss mich jeden Tag um die Bewohner kümmern, sie müssen sich wohlfühlen – das ist bei den Pferden auch so."

Verpächter mit Herz

Überleben konnte ihr Reiterhof hauptsächlich, da ihr Verpächter ihr die Pacht für sieben Monate erlassen hat. "Er hat ein offenes Ohr für unsere Nöte und ein großes Herz für Pferde", ist Ursula Augustin, die die Reitschule seit 2014 betreibt, dankbar.

Zwei Turniere konnte der Reit- und Fahrverein in Birkenreuth im vergangenen Jahr ausrichten. Augustin hat dabei einen starken Zusammenhalt erlebt, die Reiterwelt sei einfach froh gewesen, dass überhaupt Turniere stattfanden. Zwar waren keine Besucher erlaubt und keine Bewirtung möglich, doch hätten viele Teilnehmer gespendet.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), der Dachverband aller Züchter, Reiter, Fahrer und Voltigierer, habe zudem für Erleichterungen gesorgt. Ausschreibungen konnten später abgegeben, höhere Gebühren verlangt werden. "Stimmungsmäßig waren die Turniere toll, die Leute waren froh, dass sie sich mal wieder sehen konnten", so die Dressurreiterin. Zwar seien die Bayerischen Meisterschaften und die beliebten Landesponyturniere ausgefallen, aber für ihre zwei Turniere mussten die Starterzahlen sogar begrenzt werden, weil der Andrang so groß war. "Wir haben keine Mannschaftsprüfungen und keine Siegerehrungen, sondern nur Einzelprüfungen gemacht", erklärt sie die Einschränkungen.

Erfahrung gesammelt

Sie hofft, dass die im Frühjahr startende Saison ebenso durchgezogen werden könne. "Man hat jetzt über die Abläufe mit den Hygienevorschriften viel Erfahrung", so Augustin, die als professionelle Dressurreiterin ebenso wie ihre Tochter, die Mitglied des Landeskaders ist, uneingeschränkt weiter trainieren darf. Auch die Schulpferde werden weiter trainiert, da es nicht zielführend sei, drei Monate nichts zu machen und sie dann neu anzutrainieren. "Aber sie genießen durchaus, dass es etwas ruhiger ist", so die Reitlehrerin. Es sei ein wenig wie Urlaub für die Pferde.

Auch die Zahl der Einsteller hat Ursula Augustin reduziert. Mit den 22 Verbliebenen werde in einer WhatsApp-Gruppe geregelt, wer wann zum Stall kommt. Augustin hofft, dass die Reitschüler nach dem Lockdown alle wieder zum Unterricht kommen, schätzt aber, dass es zwei bis drei Monate dauern wird, bis wieder Normalbetrieb herrsche.

Reitunterricht passé

Auch im Reithof Gebhard in Kirchehrenbach läuft seit November kein Reitunterricht mehr. Jeden Tag war vorher Betrieb. Es gebe einzelne Reiter, die jetzt eigenständig und alleine die Ponys bewegen, erzählt Bernd Gebhard. 15 Pferde besitzt die Familie Gebhard selbst, 35 Einsteller haben sie auf ihrem Hof.

In drei Stunden dürfen nur maximal vier Personen den Hof betreten. Das zu überprüfen, obliegt den Stallbesitzern – ein großer Aufwand. "Dafür haben wir einen Google-Kalender eingerichtet, da muss sich jeder vorher eintragen", sagt Bernd Gebhard, der mit Rinderhaltung und Hofladen zum Glück noch weitere Standbeine hat.

Denn für den Reithof gebe es zwar staatliche Unterstützung, von der man aber später einen Großteil zurückzahlen müsse. "Es ist eine Katastrophe", beschreibt er die Lage. Zwar komme man aktuell noch klar. "Aber ich denke, vor Ostern wird nichts mehr laufen", so Gebhard, dem damit die Perspektive für die Zukunft fehlt.

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