Rückblick: Von Kulturwüste war in Forchheim nichts zu sehen

28.12.2018, 16:29 Uhr
Die Jazztage: Nur ein Beispiel, das zeigen soll, was Forchheim 2018 kulturell auf die Bühne gebracht hat.

© Anestis Aslanidis Die Jazztage: Nur ein Beispiel, das zeigen soll, was Forchheim 2018 kulturell auf die Bühne gebracht hat.

Genau so etwas, einen absoluten Besuchermagneten, der Forchheim in und über die Region hinaus bekannt macht, hat die Stadt jahrelang gesucht – und dabei auch einige kulturelle Aktivitäten, die Potenzial hatten, im Keim erstickt. Zum Beispiel das Mittelalter-Festival, die "Königswahl", das im Jubiläumsjahr 2005 Premiere hatte: nach zwei Jahren war Schluss.

Redaktionsleiterin Beke Maisch.

Redaktionsleiterin Beke Maisch. © Horst Linke

2011 wollte die Brauerei Tucher das Mittelalter erneut in Forchheim aufleben lassen – auch da haben die Zweifler gewonnen: Passt das zu Forchheim? Gibt es das nicht schon anderswo? Ein Kulturkonzept sollte erstellt werden. Passiert ist nichts. Jetzt auf einmal soll das Altstadtfest zum Mauerscheißer-Fest mutieren, weil man das geschichtlich ja so schön untermauern kann und plötzlich hat das Mittelalter wieder an Charme gewonnen?!

Über neuen Standort für Kultur gestritten

Was sonst noch sang- und klanglos verschwand von der Kulturbühne: Das Umsonst-und-Draußen-Fest "Überall Musik", das gerade dabei war, zur Tradition zu werden, wurde abgeblasen, weil die Stadt nicht bereit war, dem Veranstalter entgegenzukommen. Überspitzt gesagt: Während in Gößweinstein die Balthasar-Neumann-Musiktage erfunden worden sind und Klassik-Liebhaber aus der Region anziehen, hat Forchheim das Hüpfburgen-Festival ausprobiert, die Bastion bes(tr)andet und setzt auf Bier als Kulturerlebnis. Nebenbei wurde ausgiebig über den neuen Standort für Kultur gestritten und der Fränkische Theatersommer vergrätzt.

Keine Angst, mein Jahresrückblick wird kein 120-Zeilen-alles-ist-schlecht-Gemeckere. Und ich hacke auch nicht den Begriff Kulturwüste in die Tasten. Stattdessen: Tataaa, Überraschungseffekt: Dieses Jahr ist für mich das Jahr, in dem Forchheim tatsächlich vorangekommen ist, die Kultur wurde gedüngt, sie wuchs, trieb Blüten, verstärkte bestehende Äste, eine Pracht war das zum Anschauen- und hören. Kein bisschen öde.

Der Kulturpuls im März war so etwas wie ein lang ersehnter Dünger. Vom Party-Veranstalter über den Musikproduzenten bis zum Heimatvereinsvorsitzenden: Im Kolpingshaus wurde munter darüber debattiert, was Forchheim kreativ auf dem Kasten hat und was es noch braucht — zum Beispiel einen Standort — und ob das Kolpingshaus dafür taugt.

Die Bilanz nach 16 Tagen: Ja, mit Einschränkungen. In den ehrwürdigen, aber sanierungsbedürftigen Räumen stellte der Musikverein Forchheim-Buckenhofen genauso gekonnt ein Konzert auf die Beine wie die Techno-Fans, die Poetry-Slammer fühlten sich wohl, die bildenden Künstler lehrten im Keller ein wenig das Gruseln und Staunen und alle spürten wie quirlig und bunt die Kulturszene ist, dass sie Spaß macht und auf hohem Niveau agiert. Wunderbar.

Statt "Wir finden schon noch ein Problem", wie Heiner Kredel vom Musikverein das Gefühl vergangener Tage beschrieb, herrschte Aufbruchstimmung: "Die Zeichen für die Kultur stehen so gut wie lange nicht", erklärte Pfalzmuseums-Chefin Susanne Fischer, die für den kulturellen Fortschritt auf städtischer Seite steht.

Fragebögen an Kulturschaffende verschickt

Susanne Fischer hat etwas geschafft, was mindestens schon seit 2011 immer wieder auf der politischen Bühne gefordert worden ist: Sie ist dabei, eine Richtschnur zu ziehen, an der sich Forchheim orientieren kann. Fragebögen wurden an Kulturschaffende verschickt, vor ein paar Wochen fand der erste Workshop mit Bürgerbeteiligung statt. Wohin will Forchheim kulturell wachsen? In den Himmel (mit dem glückselig machenden Alleinstellungsmerkmal)? Oder in die Breite (mit kleineren, unterschiedlichen Aktivitäten)? Oder ist am Ende ein großer Baum, in dessen Schatten die verschiedensten Pflanzen wachsen und gedeihen, das Richtige? Ich bin gespannt auf die Antworten.

Auch wenn es sich so liest, das ist nicht das Ende des Artikels. Ein bisschen Euphorie sei mir noch gegönnt. Der Kulturfahrplan soll neben den neuen Haltestellen, um endlich von der Wüste/Blumen-Metapher wegzukommen, auf gar keinen Fall die bereits bestehenden vernachlässigen. Um nur ein paar zu nennen: Der Kunsthandwerkermarkt hat sich zum Kleinod entwickelt, die Afrika-Kultur-Tage sind ganz bestimmt kein Alleinstellungsmerkmal — aber eine Veranstaltung, die Forchheim kulturell so weltoffen zeigt, wie es wirtschaftlich gesehen schon lange ist.

Artistische Poesie gepaart mit kabarettistischem Charme

Dann das ZirkArt-Festival des Jungen Theater Forchheim, ein weiterer Höhepunkt in diesem Jahr. Artistische Poesie gepaart mit kabarettistischem Charme in der Innenstadt — Kultur wie sie ortsnäher und sympathischer nicht sein kann. Stark finde ich auch den Ansatz der städtischen Kulturbeauftragten, eine Meisterklasse für Klarinette ins Leben zu rufen, um Nachwuchs aus der ganzen Region in Forchheim etwas bei und die Stadt nebenbei näher zu bringen. Klein und exquisit präsentierten sich im August die Jazztage im Innenhof der Kaiserpfalz, etwas für Feinschmecker.

Oh, oh, jetzt gerate ich fast schon ins feuilletonistische Schwärmen. Dass wir in Forchheim eine Bläserphilharmonie haben, einen Kulturpreis vergeben, mit dem Forch eine eigene Comicfigur vorweisen können, zeigt nicht nur unsere kulturelle Vielfalt, sondern auch, dass hier extrem viele Ehrenamtliche mit Talent wohnen und sich einsetzen. Es ist noch längst nicht alles da, was Kultur in Forchheim braucht, aber der Weg dorthin wird gerade geebnet. Damit bedanke ich mich für die Zeit, die Sie ins Lesen meines Artikels investiert haben und würde mich freuen, Sie demnächst mal wieder mit ein paar Zeilen erfreuen zu dürfen. 

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