Schwarz vor Augen beim Bäcker: Zeit zum Rücktritt

1.8.2018, 13:01 Uhr
Schwarz vor Augen beim Bäcker: Zeit zum Rücktritt

© Horst Linke

Noch vor dem ersten Frühstück — man soll ja nichts schweres beim Joggen mit sich herumtragen — schnürte ich zum ersten Mal in meinem Leben die Sportschuhe fürs Laufen. Ich müsste ja nichts weiter tun, als mich auf die Bäckerbrötchen als Belohnung konzentrieren und am Rückweg stolz meine Schweißflecke als Beweis der Sportlichkeit betrachten. Der sportliche Jäger-und-Sammler kehrt mit seiner Beute heim.

Die Bilder, die ich mir im Kopf ausgemalt hatte, standen allerdings im krassen Widerspruch zu jenem Morgen im Kroatien-Urlaub. Kaum dass ich auf die Terrasse getreten war, brannte mir die Morgensonne erbarmungslos auf Haut und Kopf. Der schattigen Teil der Strecke lag noch weit entfernt, da pfiff ich schon aus allen Löchern. Ich ignorierte die Zeichen, sondern flüsterte mir neuen Kampfgeist ein. Als ich mich gefühlsmäßig endlich meinem Ziel näherte, wagte ich einen Blick auf mein Smartphone. Mir stockte beinahe der Rest-Atem bei der Erkenntnis, noch nicht einmal einen Kilometer weit gekommen zu sein.

Ich begab mich zuvorderst mental auf die Suche, neue physische Kräfte zu mobilisieren, betrachtete eine kleine Farm inmitten eines Weinberges, nahm die Brandung des Meeres wahr. Dieser Anblick wäre mir verborgen geblieben, hätte ich mich nicht aufgerafft. Adrenalingeschwängert folge ich dem Feldweg zum Bäcker, ehe es mir kurz Schwarz vor Augen wird. Während ich Halt am Tresen suchte, verpackte die Verkäuferin wie in den Tagen zuvor ein Weißbrot, ohne dass ich in der Lage gewesen war, die Bestellung souverän zu artikulieren. Auf wackeligen Beinen und nach nicht einmal 2000 Metern überkam mich der Frust. Ich dachte: Das war’s. Das Projekt, noch nicht mal angefangen, ist schon gescheitert. Kopfschüttelnd bestürzt über meinen Zustand im Alter von 29 Jahren, brodelte es noch unter der Dusche in mir.

Mein Entschluss zur Aufgabe scheint in Stein gemeiselt, als ich an einer E-Mail sitze, um von meinem gebuchten Kurs an der Volkshochschule zurückzutreten. Ich hatte mich voreilig für eine Gruppe angemeldet, die sich auf einen Halbmarathon vorbereitet, erhoffte mir für meine anvisierten 16 Kilometer wertvolle Tipps und Motivation in der Gemeinschaft.

Diese trug in Form einer Antwort der Kursleitung auch indirekt zu einer Kehrtwende bei, denn zum einen wäre ich auf den Kosten sitzen geblieben. Zum anderen und dieser Umstand wog viel schwerer bekam ich schriftlich die eigene Feigheit vor Augen geführt. Ich ärgerte mich über mich selbst, gleich beim ersten Hindernis das selbstgesteckte Ziel in die Tonne treten zu wollen. Aus diesem beschämenden Gefühl heraus trat ich vom Rücktritt zurück und schloss mit den Worten: "Ich freue mich auf das erste Training."

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