Seine Chance liegt in der freiwilligen Ausreise

12.12.2019, 14:00 Uhr
Seine Chance liegt in der freiwilligen Ausreise

© Foto: Hans-Jochen Schauer

2015: Als die Terroristen von Boko Haram in sein Dorf einfallen und seinen Vater ermorden, steht für seine Mutter fest: Ihr einziger Sohn ist hier nicht mehr sicher. Die Terrormiliz setzt das Recht der Scharia mit Gewalt durch. Muhammed droht die Zwangsrekrutierung. Also lässt er Mutter und Schwester zurück und flieht. Über die Mittelmeerroute kommt der damals 19-Jährige nach Deutschland.

Muhammeds Reise endet in Gößweinstein, wo er in der Flüchtlingsunterkunft der Familie Haselmeier unterkommt. Er stellt einen Antrag auf Asyl. Als er mit anderen Flüchtlingen im Hof ein wenig herumbolzt, wird Florian Wehrfritz, Trainer des SV Gößweinstein, auf ihn aufmerksam und holt ihn als Trainingsgast zum Verein. Zu Beginn der Saison ist aus dem Gast ein Spieler geworden.

2016 wechselt Muhammed Abubakar zum FC Wichsenstein und geht nun in der Fußball-Kreisklasse auf Torjagd. "Abu", wie er von seinen Mitspielern und Freunden genannt wird, wird festes Mannschaftsmitglied und spielt so manchen Sieg für seinen Verein ein. Über den Fußball klappt die Integration, auch wenn es sprachlich für den jungen Nigerianer noch ein weiter Weg ist. "Aber er war immer bereit, zu lernen und an sich zu arbeiten", sagt Markus Stenglein, ehemaliger Abteilungsleiter des FC Wichsenstein. Er kennt "Abu" schon lang, hat ihn nicht nur als Fußballer gefördert, sondern auch bei offiziellen Terminen im Landratsamt und später zum Anwalt begleitet.

Und er hat ihn mit Werner Knöller, Fliesenlegermeister aus Reuth, zusammengebracht. Denn Fliesenleger, das ist der Berufswunsch des jungen Nigerianers. Gemeinsam bemühen sich Muhammeds späterer Chef, sein Trainer und er um eine Arbeitserlaubnis. Das ist nicht selbstverständlich, denn der inzwischen 20-Jährige erhält von den Asylbehörden nur den Status der "Duldung", zählt also trotz Boko Haram und deren Gräueltaten nicht als anerkannter Flüchtling. Aber zumindest darf er nun arbeiten.

2017: Nach einem Praktikum und einem Berufsqualifizierungsjahr im Forchheimer Berufsschulzentrum beginnt er eine Ausbildung zum Fliesenleger. Doch leider ist die sprachliche Barriere noch so hoch, dass sich der Berufsschullehrer bei Werner Knöller meldet. "Er empfahl mir, die Ausbildung noch einmal zurückzustellen", erzählt der Fliesenlegermeister, der dennoch weiterhin zu seinem Mitarbeiter steht.

"Ich habe ihn also stattdessen als Fliesenlegerhelfer angestellt." Auf den Baustellen klappt die Kommunikation. "Wir haben gut zusammengearbeitet. Er war jeden Tag dabei." Dafür nahm der junge Mann sogar die eineinhalb Stunden Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Gößweinstein nach Forchheim auf sich.

"Er war immer pünktlich, hat sich nichts zuschulden kommen lassen", meint Werner Knöller.

2019: Der Fliesenlegermeister hätte ihn gern weiter beschäftigt, gern auch noch einmal eine Ausbildung angeboten. Auch im Fußball ist "Abu" einen Schritt weiter, spielt seit September bei der SpVgg Jahn Forchheim in der Landesliga.

Ergebnis der NN-Recherchen

Doch das Asylverfahren des Nigerianers ist abgeschlossen: Er ist abgelehnt. Zwei Gerichtsverfahren bestätigen die Entscheidung der Behörden. Muhammed Abubakar muss zurück, die Abschiebung steht in Aussicht. "Ich bin traurig, aber ich kann nichts mehr machen", sagt der inzwischen 23-Jährige und entschließt sich zur freiwilligen Ausreise. Schon morgen startet sein Flugzeug in München. Der Vorteil: Er kommt nicht mit leeren Händen zurück, denn Deutschland gibt denen, die freiwillig ausreisen, "ein Taschengeld" mit, wie Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamtes, bestätigt.

Für Diana Könitzer, die als Integrationsberaterin der Diakonie Forchheim-Bamberg auch Muhammed in der Vergangenheit beratend zur Seite stand, liegt darin eine Chance. "Anders als bei der Abschiebung bekommt er keine Sperre für eine Wiedereinreise", erklärt sie auf NN-Nachfrage. So könne er wieder kommen, nicht erneut als Flüchtling über gefährliche Fluchtrouten, sondern ganz legal als Arbeitsmigrant. "Wenn er von seinem Chef einen Arbeitsvertrag erhält, kann er damit in die deutsche Botschaft in Nigeria gehen und sich um ein Arbeitsvisum bewerben."

Das hätten in der jüngsten Vergangenheit schon mehrere der von ihr betreuten Migranten getan – mit Erfolg.

Das alles ergibt sich erst durch die NN-Recherchen kurz vor Abreise des Nigerianers. Werner Knöller reagiert sofort. "Natürlich bekommt er von mir einen Arbeitsvertrag für 2020 mit", sagt er. Nun hofft er – gemeinsam mit den Fußballern der SpVgg Jahn, mit den ehemaligen Vereinskollegen aus Wichsenstein, mit den Flüchtlingshelfern in Gößweinstein und natürlich mit Muhammed Abubakar selbst, dass der junge Mann zurückkehren darf.

Keine Kommentare