Sensationelle Funde bei Grabungen im Forchheimer Rathaus

2.3.2019, 08:00 Uhr
Archäologen bei der Arbeit in den Forchheimer Rathaushallen: graben, messen, dokumentieren, interpretieren, weitergraben. Je tiefer die Forscher buddeln, desto bedeutender werden ihre Funde.

© Fotos: ReVe Büro für Archäologie Archäologen bei der Arbeit in den Forchheimer Rathaushallen: graben, messen, dokumentieren, interpretieren, weitergraben. Je tiefer die Forscher buddeln, desto bedeutender werden ihre Funde.

Claus Vetterling betreibt mit Günther Regele in Bamberg das Archäologie-Unternehmen ReVe. Im Auftrag der Stadt untersucht das ReVe-Team, was sich unter dem Rathaus verbirgt. In der jüngsten Sitzung des Stadtrates gab Vetterling einen ersten Einblick. Ein Termin für die Öffentlichkeit findet am Dienstag, 12. März, im Rathaus statt.

Wenn ein Archäologe das Wort "Sensation" in den Mund nimmt, dann nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus gutem Grund. Vetterling sagte, die Forchheimer Kaiserpfalz, also den historischen Ort der kaiserlichen Residenz aus dem 9./10. Jahrhundert, habe sein Team wohl nicht entdeckt. Aber: "Wir kommen zeitlich in die Nähe."

Schicht um Schicht wird freigelegt, gesichtet, dokumentiert, bewertet. Mauerreste kommen zum Vorschein, Keramikscherben, Murmeln aus Ton und Würfel aus Elfenbein, Tonfiguren und jede Menge "Spinnwirteln", also Schwunggewichte für die Garnherstellung, aus verschiedenen Jahrhunderten, in unterschiedlichen Größen. War Forchheim schon im Mittelalter ein Zentrum der Textilherstellung und -verarbeitung?

Steinbier gebraut?

Und wie sind die ebenfalls zahlreichen Reste von Öfen zu bewerten? Zumal keinerlei Abfälle zu finden sind, die auf deren Funktion hindeuten könnten? Arbeiteten hier Bäcker, wurden Badestuben betrieben oder Steine erhitzt, auf denen dann "Steinbier" gebraut wurde? Alles möglich, nichts ist sicher, sagte Vetterling.

Aber eines machte er den staunenden und von Minute zu Minute neugieriger werdenden Stadträten auch klar: "Hier hat etwas ganz Hochstehendes stattgefunden." Sein Verdacht sei, so Vetterling, "dass Forchheim lange ein Zentrum war, länger und bedeutender als Bamberg". An dieser Stelle passierte etwas Merkwürdiges: Zahlreiche Stadträte klopften spontan Beifall auf ihren Tischen. Dann grinsten sie etwas verlegen.

"Desto bedeutender"

"Je weiter zurück wir in der Zeit kommen", so Vetterling, "desto bedeutender werden die Funde." Normalerweise ist es genau anders herum, doch Forchheim hält eben Überraschungen parat. Silbermünzen sind darunter, sie reichen vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Befand sich hier also ein Handelsplatz?

Einen Siegelring datieren die Archäologen auf die Spätantike: 5. oder 6. Jahrhundert, also weit vor der Zeit, da Forchheim Standort einer Kaiserpfalz war. Aktuell legt das Team Mauerreste aus dem 9. Jahrhundert frei, die gebogen sind: "Runde Mauern aus dieser Zeit", so Vetterling, "da wird jeder Archäologe nervös". Denn aus anderen Kaiserpfalzen, etwa aus Ingelheim, sind runde Mauern der Pfalzgebäude bekannt. "Wir bekommen hier Strukturen, die in Richtung Kaiserpfalz gehen", so weit wagt sich Claus Vetterling vor. Aber: Sicher ist noch nichts.

Keine gewöhnlichen Leute

Außer dass hier, im Zentrum der Stadt, keine gewöhnlichen Leute lebten und arbeiteten. Vetterlings Grabungsteam zog und zieht noch immer jede Menge mittelalterlicher Luxusgüter aus dem Boden. Eines der bedeutendsten: eine "Wärmekugel" aus Metall, eine Art Hand- oder Taschenwärmer, vermutlich aus dem 12. Jahrhundert. In Europa, sagte Vetterling, wurden bislang nur elf solcher Objekte gefunden.

Sensationelle Funde bei Grabungen im Forchheimer Rathaus

Sie enthalten im Inneren eine Wärmequelle, also etwa eine kleine Pfanne mit glimmender Holzkohle, die von einer "kardanischen Aufhängung" ähnlich einem Schiffskompass in der Waagrechten gehalten und so vor Ausschüttung bewahrt wurde. Oft verwendeten Priester solche kleinen Handwärmer in der kalten Kirche, um ihre Finger beweglich zu halten und Wein und Brot nicht fallen zu lassen. Der Ursprung der komplizierten Apparate liegt laut Vetterling im arabischen Kulturkreis. Dieser Fund sei ein weiterer Hinweis darauf, dass hier "jemand gelebt haben muss, der sehr hochgestellt war", denn derlei Dinge "konnte sich nicht jeder leisten".

Medaillon aus Buntmetall

Gefunden wurde auch ein Ring aus Glas mit einer Platte, auf der eine Beere abgebildet war. Es handelt sich aber nicht um einen Fingerring, sondern um eine Verzierung an einem anderen, verlorenen Objekt. Von höchstem Interesse ist auch der metallene Beschlag eines Buchdeckels mit aufgeprägten gotischen Buchstaben: "Wir sind noch dabei, die Schrift zu entziffern."

Als "überraschendstes Objekt" bezeichnete der Archäologe eine Art Medaillon aus Buntmetall. Darauf ist ein Reiter abgebildet. Wahrscheinlich war das Medaillon sogar vergoldet.

Wo heute das Rathaus aufragt, stand schon vor 1402, dem offiziellen Baujahr, "ein sehr großes Gebäude, das noch tiefer geht und aus der Zeit vor dem Jahr 1000 stammt". Kellerstrukturen wurden ausgegraben, deren Mauern in sich wieder viele Rätsel bergen hinsichtlich Funktion, Verlauf und genaue Datierung. Wie können die Archäologen überhaupt so sicher sein, aus welcher Zeit welcher Fund stammt, wollten die Stadträte wissen.

Claus Vetterling verwies auf die Mode. Teller, Tassen, Kannen, also Keramiken im weitesten Sinne, sind in ihrer Form und Dekoration den Vorlieben ihrer Zeit unterworfen. Im Vergleich lassen sich daher Aussagen zum Alter machen. Beispielsweise wurde unterm Rathaus eine Kanne mit Tülle (Ausguss) und roter Bemalung gefunden: typisch für "Pingsdorfer Keramik" aus rheinischer Herstellung im Hochmittelalter, so Vetterling. Und: "So etwas wurde nur zur Bewirtung hochstehender Personen verwendet."

Grundmauern unterfangen

Es bleibt also spannend. Ende März sollen die Grabungen in den Rathaushallen beendet sein. Ehe der Registraturbau und sein Umgriff untersucht werden, müssen die Grundmauern unterfangen werden. Denn ihr einstiges Holzfundament ist längst verrottet, sie stehen über Hohlräumen. Archäologie und Bauarbeiter werkeln dann Hand in Hand.

Bis das Fundmaterial ausgewertet ist, gehen Jahre ins Land. Vetterling bot an, die bedeutendsten Funde schon mal vorab vielleicht im Pfalzmuseum auszustellen. Auch eine Publikation und eine Fachtagung mit Vorträgen sind denkbar. Die Stadträte freuen sich darauf. Sein "Lokalpatriotismus", sagte Udo Schönfelder (CSU), sei gerade wieder gewachsen.

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