Signalkrebse bedrohen die Arten in der Wiesent

3.9.2019, 13:46 Uhr
Signalkrebse bedrohen die Arten in der Wiesent

© Foto: Jürgen Petzoldt

Weißwein. Man muss sich den Typen mit trockenem Weißwein vorstellen. Und Spaghetti mit einem Hauch Knoblauch, denn das Fleisch schmeckt wie Hummer. Nur so muss man sich den amerikanischen Signalkrebs vorstellen – denn sonst ist das Scherentier, wir müssen es sagen, ziemlich unsympathisch. Ja, ein echt aggressiver Widerling.

Ganz ehrlich: Der Signalkrebs, den Toni Eckert in Pretzfeld aus dem Wasser zieht, ist nicht wirklich ein Getier zum Verlieben; er schwimmt weder so elegant leicht-flossig dahin wie eine Forelle, ist auch nicht so tiefenentspannt wie eine Bachmuschel und auch nicht so frech wie ein kleiner Krebs. Im Gegenteil: Das Viech sieht ziemlich fies aus, zwischen seine scharfen Zangen möchten weder Finger noch nackte Zehen jemals geraten und auch von dezenter Farbe ist das orange-rote Tier meilenweit entfernt.

Am steil abfallenden Ufer

Zusammen mit seinem Enkel Luis und dessen Freund Thassilo ist Eckert an die Wiesent gekommen, wo er ein Teilstück gepachtet hat. An langen Schnüren haben sie die Köder in den Fluss ausgeworfen, am Ufer liegen Kescher in allen erdenklichen Größen parat. Doch der 13-jährige Thassilo, der am steil abfallenden Ufer der Wiesent sitzt, hat keine Scheu vor dem Krebs, den er beherzt am Hinterteil, dort wo die Scheren nicht zwicken können, aus dem Wasser zieht.

Denn der Krebs, das bestätigt auch Thomas Speierl, Fischereirat des Bezirks Oberfranken, ist nicht ohne, im Gegenteil: Als "extrem aggressiven Charakter" bezeichnet Speierl den Signalkrebs, der im Laufe der vergangenen zehn Jahre den heimischen Arten in der Fränkischen Schweiz in Aggro-Manier ihr Territorium streitig macht.

Jahrtausendelang, so erzählt der Fischereirat, lebten die Edel- und Steinkrebse einmütig in der Wiesent, bis der Neubürger aus den USA kam und das Flüsschen für sich beanspruchte. Der eingewanderte Signalkrebs ist gut daran zu erkennen, dass er rote, glatte Scherenunterseiten hat, im Gegensatz zum heimischen Krebs, der Warzen und Höcker auf den Scheren sitzen hat.

Der Signalkrebs ist dabei auch tagaktiv, aufmerksame Wanderer und Spaziergänger können den leuchtend-orangenen Kameraden auch im Wasser gut sehen. Bis zu sieben Jahre alt werden die Scheren-Tiere, sind dabei rund 16 Zentimeter groß und bringen stattliche 150 Gramm pro Stück auf die Waage.

Und wie hat der Signalkrebs den Sprung nach Europa geschafft? Zu Beginn der Sechzigerjahre kamen wohl Feinschmecker auf die Idee, das Tier in Schweden anzusiedeln. Und von dort machte er sich dann auf den Weg . . .

Signalkrebse bedrohen die Arten in der Wiesent

© Foto: Jürgen Petzoldt

"Der macht ziemlich Ärger, weil er sich in den Lebensräumen unserer heimischen Krebse im Fließgewässer niederlässt", sagt Speierl. In schönen, klaren Fließgewässern wie der Wiesent fühlt sich der Eindringling besonders wohl. Ein friedliches Nebeneinander ist dabei nichts für den Ami-Krebs: Im Kampf werden die Edelkrebs-Männchen beiseite geräumt. Einziger natürlicher Feind des Fieslings ist die Forelle, die, ist sie groß genug, den Krebs von hinten packen und verschlingen kann.

Auch das Wetter und die klimatischen Bedingungen der vergangenen Jahre kommen dem Einwanderer als Wohlfühlklima durchaus entgegen. "Das ist ein Riesen-Dilemma für uns", sagt Speierl. Denn bei einer Wassertemperatur in der Wiesent von teils mehr als 18 Grad fühlt sich das Tier krebs-wohl, im Gegensatz zum Edelkrebs, der eher die kälteren Gewässer bevorzugt. Und nicht nur das Wasser beansprucht der "Ausländer" für sich: "Bei feuchtem oder nassem Wetter wandern die Tiere auch schon mal über Land."

Dramatische Folgen

Machte man im Zuge von Kartierungsarbeiten für den Fischatlas des Bezirks Oberfranken das Tier im Jahr 2010 erstmals im Zulauf der Wiesent am Ailsbach aus, hat sich der amerikanische Einwanderer "mittlerweile flächendeckend im Wiesentsystem ausgebreitet". Die Folgen nennt Speierl "dramatisch": Denn 80 Prozent der Nachweise am heimischen Edelkrebs-Vorkommen sind verloren. "Wir sind in Sorge um die heimischen Krebsarten", sagt der Fachmann, "Edelkrebs-Vorkommen haben wir noch dort, wo wir kontrollierte Teiche haben. Die Luft für die heimischen Edel- und Steinkrebse, die wohl die ältesten Oberfranken sind" so Speierl, "wird immer dünner".

Nicht nur, dass sie als "Hausbesetzer" den Lebensraum der heimischen Arten okkupieren, die amerikanischen Einwanderer übertragen auch die Krebspest, eine Pilzerkrankung, deren Erreger-Sporen sich relativ lange im Wasser halten, gegen die sie selbst immun sind, für die aber die heimischen Artgenossen "keine Resistenzen" haben.

Doch wie kann man dem Signalkrebs Herr werden? Einerseits sei die Verbreitung des Signalkrebses verboten, so Speierl. Dann gäbe es zwar noch die Möglichkeit von sogenannten "Krebssperren" und "Abschlüssen" in den Flüssen, die jedoch stehen der "freien Durchgängigkeit für Fische" entgegen.

"Man kann die Ausbreitung verzögern, aber nicht verhindern", bilanziert der Fachmann und fürchtet, dass "heimische Arten nur noch in Reliktbeständen" übrig bleiben. Denn: Ist der Signalkrebs erst einmal da, dann wird man ihn kaum wieder los.

Krebs-Kochkurse in Aufseß

Am sinnvollsten, und wohl auch am leckersten, ist für Speierl "Artenschutz durch Aufessen": Sprich, die eingewanderten Signalkrebse werden kulinarisch dezimiert. Dazu bietet der Bezirk Oberfranken auch regelmäßig einen Krebs-Kochkurs in der Lehranstalt für Fischerei in Aufseß an.

Toni Eckert, der an "seinem" Wiesentabschnitt regelmäßig die amerikanischen Krebse abfischt, bevorzugt "eine schöne Cocktailsoße" zum Krebs. Und von dem wird es reichlich geben, denn binnen kurzer Zeit haben die Fischer zwei Eimer voll zappelndem Getier herausgeholt.

Speierl selbst bevorzugt den Krebs in der "Louisiana-Florida"-Version: Schön scharf mit Cayenne-Pfeffer, Chili und einem Schuss Weißwein in den Koch-Sud, abgeschmeckt wird mit heimischen Kräutern aus dem Garten. Dazu schmeckt das eine und auch andere Glas Weißwein.

Nur mit Erlaubnis

Das Fischen und Angeln in Gewässern ist ganz klar durch das Bayerische Fischereigesetz geregelt. Grundsätzlich darf nur fischen, angeln und auch die Tiere entnehmen, wer zwei Voraussetzungen erfüllt: Unerlässlich ist ein Fischereischein, quasi ein Führerschein, der bestätigt, dass man auch angeln darf. Zusätzlich ist ein Erlaubnisschein vom Gewässer-Eigentümer beziehungsweise Pächter zwingend. Dies gilt für alle Gewässer, auch für Seen und Baggerseen.

Wer selbst probieren möchte: Vereinzelt haben Gastwirtschaften in der Fränkischen Schweiz amerikanische Signalkrebse auf ihrer Karte stehen.
Auch die Fischerei Gebhardt in Streitberg verkauft, je nach Saison, amerikanische Signalkrebse aus der Wiesent. Die Lehranstalt für Fischerei in Aufseß bietet Kochkurse, auch für Krebse, an. Informationen dazu unter www.bezirk-oberfranken.de/fischerei.

 

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