Vom Unwetter bis zum Amok-Lauf auf dem Annafest

Sind wir auf eine Katastrophe im Landkreis Forchheim gut vorbereitet?

23.10.2021, 06:00 Uhr
Im Juli 2021 hat ein Hochwasser das Aischtal in eine Seen-Landschaft verwandelt.

© Kreisbrandinspektion Im Juli 2021 hat ein Hochwasser das Aischtal in eine Seen-Landschaft verwandelt.

Der Pegel steigt mitten in der Nacht. Wasser umzingelt Häuser. Die Bewohner bekommen von all dem nichts mit. Die Warnungen, die über Handy-Apps ausgespielt werden, laufen ins Leere. Denn auch die Mobiltelefone sind im Schlafmodus.

Problematisch im Ernstfall, sagt Kreisbrandrat Oliver Flake. Die Bevölkerung im Katastrophenfall rechtzeitig zu warnen, kann nicht nur Wertgegenstände, sondern auch Menschenleben retten.

Es geht nicht nur um Hochwasser

Das Szenario muss nicht das Hochwasser sein, das sich im Sommer 2021 im Aischgrund freundlicherweise angekündigt hat: Mit Starkregen und einer Flutwelle im Nachbarlandkreis, die sich gen Hallerndorf vorgearbeitet hat und daher ziemlich genau vorherzusagen war.

"Es ging nur um Stunden", so Flake. Aber jede Minute hat den Einsatzkräften von THW, BRK oder FFW geholfen, sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten.

Folge des Kalten Krieges

Ein größerer Waldbrand, ein Chemieunfall oder Großbrand in einem Unternehmen, der giftige Gase aussetzt, kündigt sich hingegen nicht an und stellt die Einsatzkräfte im Landkreis deshalb erst recht vor besondere Herausforderungen. Dazu gehört auch die Warnung der Bevölkerung.

"Wir haben zwar viele Sirenen im Landkreis, aber im Moment kann keine die Bevölkerung bei einer Katastrophe mit einem speziellen Warnton informieren", sagt der Kreisbrandrat. Geschuldet ist das einerseits dem Vertrauen in rein digitale Lösungen beispielsweise via App. "Im Notfall muss ich die Menschen auch aus dem Schlaf wecken können." Warnsirenen sind auch im Landkreis nach Ende des Kalten Krieges zurückgebaut worden, so Flake.

"Dieser Punkt macht mir Sorgen"

Alle Augen hat der Landkreis, der im Katastrophenfall die Fäden in der Hand hat, deshalb auch auf das Ahrtal und die Flutkatastrophe im Sommer dort gerichtet. Weil die Wassermassen am frühen Morgen über die Ortschaften regelrecht hereinrollten, konnten Menschen nicht rechtzeitig gewarnt werden.

"Dieser Punkt macht mir Sorgen", sagt Kreisrat Wolfgang Fees (SPD) aus Langensendelbach. Denn die analogen Zeiten, mit dem Feuerwehrauto durch die Ortsstraßen zu fahren und die Bevölkerung via Megafon vor einer Gefahrensituationen zu warnen, sind vorbei. Für Fees und Flake sind das nur noch Kindheitserinnerungen. "Auch das wurde abgeschafft", sagt Flake. Und das sei bewusst vom Bund gesteuert. "Es heißt, wir leben im digitalen Zeitalter. Bei vielen Fahrzeugen ist das technisch gar nicht mehr möglich", erklärt Flake.

Knapp am Katastrophenfall vorbeigeschrammt

Dass das Digitale nicht nur Nachteile hat, sondern auch abhängig macht, davon konnte Manfred Hümmer (FW) berichten. Im Ahrtal waren die Mobilfunknetze überlastet, weil sich Menschen um ihre Liebsten Sorgen machten. Stromausfälle ließen die digitale Kommunikation zusammenbrechen. Die Polizei habe noch vorhandene analoge Systeme aufgebaut, um überhaupt eine Kommunikation zwischen den Einsatzkräften zu ermöglichen. Zwar seien die Bürger vor einer Katastrophe, die sich auf den gesamten Landkreis ausdehnt, bisher verschont geblieben, so Hümmer, doch das beruhigt die Katastrophenschützer im Landratsamt nicht.

"In den letzten Jahren sind wir am meisten gefordert gewesen wegen Hochwasser oder Sturm", sagt Jürgen Kupfer. Er ist seit 16 Jahren zuständig für den Katastrophenschutz im Landratsamt. Die Zukunft schaut nicht rosig aus. "Mit großer Sorge sehen wir die Starkregenereignisse." Und die werden als Begleiterscheinung des menschengemachten Klimawandels zunehmen.

"Wir haben hier ein Defizit"

Bis zum verheerenden Hochwasser 2007 sei der Kreis in puncto Katastrophenschutz "noch ziemlich unstrukturiert" gewesen. "Wir haben unsere Lehren daraus gezogen", sagt Kupfer. Und das ist notwendig.

"Alle drei, vier Jahre hatten wir Fälle, die knapp am Katastrophenfall waren." Und auch aus der Flut 2021 ziehen Gemeinden wie Hallerndorf Konsequenzen und passen ihre Pläne, was bei Hochwasser zu tun ist, an. Die Einsatzkräfte arbeiten diesen dann ab und schützen somit Hab und Gut.

Ein Lehre, die der Kreisbrandrat aus dem Aisch-Hochwasser zieht, hat mit der Verpflegung der Einsatzkräfte zu tun. "Wir haben hier ein Defizit", sagt er. "Wenn ein Einsatz über mehrere Stunden geht, ist das aber für die Motivation wichtig."

Gerade auch deshalb, weil der Mangel an Einsatzkräften, die ehrenamtlich im Dienst sind, immer deutlicher wird. "Ob wir also in zehn, 15 Jahren diese Pflichtaufgaben der Kommunen und des Landkreises noch bewältigen können, ist fraglich", sagt Flake. "Das wird die größte Herausforderung sein."

Hümmer schlägt deshalb vor, eine Liste von Helfern zu erstellen, die im Ernstfall unter der Regie erfahrener Einsatzkräfte beispielweise beim Befüllen von Sandsäcken zur Seite stehen. "Die Bereitschaft ist da", ist sich Hümmer sicher.

Am Anfang steht die Warnung der Bevölkerung

Zurück zum Anfang einer Katastrophe. Die Umstellung auf Sirenen, die auch die Bevölkerung mit speziellen Tönen warnen soll, steht an. Die Gemeinden können dafür Bundes- und Landesmittel beantragen. Flake bat die Vertreter der Gemeinde im Kreisausschuss des Kreistages darum, dies auch umzusetzen.

Mit regelmäßigen Übungen halten sich die Einsatzkräfte fit. "Sind wir auch auf einen Amok-Fall auf dem Annafest vorbereitet?", erkundigte sich JB-Rat Jürgen Schleicher. Die Polizei probt auch Terror-Szenarien, bestätigte Kreisrat Rainer Schmeußer (CSU), im Berufsleben Leiter der Kripo Bamberg. Proben ist wichtig, doch am besten tritt der Ernstfall erst gar nicht ein.

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