Sollte Völkerball verboten werden? Lehrer beziehen Stellung

5.7.2019, 17:00 Uhr
Schauspieler Ben Stiller avancierte in der Komödie "Dodgeball" zum König eines in Nordamerika verbreiteten Völkerball-Wettstreits.

© 20th Century Fox Schauspieler Ben Stiller avancierte in der Komödie "Dodgeball" zum König eines in Nordamerika verbreiteten Völkerball-Wettstreits.

Als Marion Knauer Schülerin war, kam es mitunter schon vor, dass Mädchen mit einem unguten Gefühl zum Sportunterricht antraten, wenn Völkerball auf dem Programm stand. Dabei versuchen sich, grob gesagt, die Akteure zweier Mannschaften, auf gegenüberliegenden Spielhälften ohne Netz, mit einem Volleyball abzuwerfen. Doch als die 56-Jährige, wie Knauer berichtet, etwas später fürs Lehramt studierte, sah die  Ausbildung bereits eine kritische Auseinandersetzung mit den Nebeneffekten des Völkerballspiels vor.

Darauf fußt nun auch eine aktuelle Forschungsarbeit aus Nordamerika, die nach der Vorstellung auf einem Kongress in Vancouver Schlagzeilen produzierte und sogar in der Washington Post aufgegriffen wurde. Pädagogik-Professorin Joy Butler von der Universität von British Columbia kommt nach Interview-Befragungen mit Schülern zu dem Schluss, dass es der aus ihrer Sicht demütigenden Logik des Völkerballspiels nach "okay ist, den anderen zu verletzen und zu entmenschlichen". Sie fordert die Verbannung aus dem Unterricht und wird dabei von manchen Kommentatoren einer aufgeregten Diskussion unterstützt, die inzwischen über den Atlantik nach Deutschland herübergeschwappt ist.

"Leistungsorientiert heißt nicht gleich Ausgrenzung"

Neben verschiedenen Digital-Medien bekannter Marken hat sich nun die Vertretung der bayerischen Schüler eingeschaltet und positioniert sich gegen eine Abschaffung. "Dem Vorwurf, dass Völkerball mit ,legalisiertem Mobbing‘ gleichzusetzen ist, können wir nicht zustimmen", heißt es in einer Pressemitteilung des Landesschülerrates (LSR) Bayern. Gleichwohl solle im Sportunterricht noch stärker auf ausgeglichene Mannschaften und eine faire Notenvergabe geachtet werden.

 

Für Marion Knauer, Studienrätin an der Grund- und Mittelschule Ebermannstadt und zuständige Fachberaterin Sport im Schulamt Forchheim sowie Vorsitzende im Arbeitskreis Sport in Schule und Verein, bedeuten diese Hinweise keine Neuigkeiten. "Ich habe mich gefragt, warum das Thema überhaupt erforscht wird. Völkerball wird in unserem Lehrplan jedenfalls nicht einmal explizit erwähnt und in seiner ursprünglichen Form seit mehr als 15 Jahren nicht mehr praktiziert. " Wohl aber lehnen Kollegen modifizierte Ballspiele wie "Insel-Völkerball" daran an, gestalten den Ablauf bewusst sozialverträglich — ohne Ausscheiden. "Die Kinder lieben es. Es gibt so viele Möglichkeiten, alle zu beschäftigen. Leistungsorientiert heißt nicht gleich Ausgrenzung", so Knauer.

Horror-Stoff als Kinofilm

Zustimmung erhält sie von Tobias Beckenbach, Triebfeder verschiedener sportlicher Aktivitäten am Gymnasium Fränkische-Schweiz in Ebermannstadt. Weder die kanadische Studie noch die vermeintliche Problematik des Völkerballs sei bisher in der Schulfamilie auf dem Radar aufgetaucht. Während die Spielform in der fünften Jahrgangsstufe noch am meisten nachgefragt werde, lasse sich die Häufigkeit pro Schuljahr an einer Hand abzählen. "Zum Aufwärmen kann ich aus einem riesigen Repertoire an anderen Übungen schöpfen.

Eine Verteufelung halte ich dennoch für falsch, weil taktische wie technische Elemente und Gruppenzusammenhalt drinstecken", sagt Beckenbach. Seinen Auftrag sehe er gerade darin, der mehr oder weniger ausgeprägten "Ballangst" zu begegnen und "gezieltes Fangen" zu vermitteln. Durch Zusatzaufgaben könne die Lehrkraft stets steuernd eingreifen, beim sogenannten "Matten-Völkerball" dürfen sich zögerliche Charaktere gemeinsam ein Versteck schaffen und schützen im Idealfall weitere Teammitglieder. "Wenn es sich wirklich um Mobbing handeln würde, müssten dann nicht gerade die besten Werfer zur Zielscheibe werden?"

Den Stoff für Horror-Geschichten verortet Beckenbach hingegen in Nordamerika, wo die Ursprungs-Variante "Dodgeball" in schulübergreifenden Ligawettbewerben organisiert ist und den im Originaltitel gleichnamigen Kinofilm mit Ben Stiller inspirierte.

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