Spaziergang mit weißem Ball in fränkischer Naturidylle

9.9.2014, 17:14 Uhr
Spaziergang mit weißem Ball in fränkischer Naturidylle

© Kevin Gudd

Eine große Gruppe auswärtiger Golfer hat sich für diesen herrlichen Spätsommertag angekündigt, deshalb sind alle Wagen mit Elektroantrieb reserviert. „Oft verbinden Besucher aus Norddeutschland ihren Urlaub in der Fränkischen mit einer Runde bei uns. Spielen geht aber nur, wenn die Teilnehmer die Platzreife in einem Club besitzen“, erklärt Otto Förtsch, während er das nach Benzin duftende Ersatzcar vom Clubhaus in Richtung der ersten Fahne lenkt. Obwohl der frühere Vizepräsident schon länger kein offizielles Amt mehr ausübt, kennt den 84-jährigen Senior anscheinend jeder. Gut gelaunt grüßt er zurück und erzählt dann von seiner Passion: „Diese verflixte kleine weiße Kugel bringt mich manchmal zur Verzweiflung, hält mich aber in Bewegung.“

Groß wie 100 Fußballfelder

Vor 50 Jahren entdeckte der pensionierte Zahnarzt, der vorher gerne Tennis spielte, in seiner Heimatstadt Bamberg eine neue Leidenschaft. „Eigentlich war es ein Kompromiss, weil meine Frau gerne in den Bergen Wandern ging. Ich konnte damit nichts anfangen und wollte wenigstens einem Ball hinterherspazieren“, erinnert sich Förtsch schmunzelnd. Doch auf der Bamberger Anlage, die der US-Army gehörte, durften nur ausgewählte Personen abschlagen. So verschlug es ihn zum frisch gegründeten GC nach Kanndorf, der bald aus allen Nähten platzte und ab 1987 mit der Erweiterung begann.

Der zwei Jahre später eingeweihte 18-Loch-Kurs, jeder Hügel ist architektonisch gewollt und künstlich angelegt, erstreckt sich heute über ein Gebiet von 70 Hektar, umgerechnet knapp 100 Fußballfelder. Wer wie Otto Förtsch seine Runde komplett zu Fuß absolviert, ist fast zehn Kilometer unterwegs. Während das Clubhaus weiter der Familie Messingschlager gehört und der Verein einige Grundstücke von Bauern erwerben konnte, ist das Gros der Fläche gepachtet.

Um den heiligen Rasen kümmern sich vier Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte. Chef-Greenkeeper Johnny Wolf, dessen Sohn gerade eine professionelle Ausbildung in diesem Beruf absolviert, ist Herr über mehr als 20 Spezialmaschinen. 50 Stunden pro Woche und manchmal in penibler Detailarbeit widmet er sich der Pflege des Platzes. „Nur trockenes Sommerwetter ist schlecht“, erklärt er mit Blick auf den Himmel, „die Bewässerung ist dann umso aufwändiger.“

Die Grasnarbe auf dem Grün muss genau vier Millimeter hoch sein, doch auch der restliche Untergrund wird nach strengen Vorgaben gemäht. „Obwohl ich nur im Winter in den Urlaub kann, macht mir die Arbeit Spaß. Ich bin immer an der frischen Luft“, sagt Wolf, dem noch eine besondere Aufgabe zukommt. Er darf jeden Tag aufs neue entscheiden, wo auf dem Grün er Fahne und Loch hinsetzt.

„Richtige Cracks benutzen technische Messgeräte um vor dem zweiten Versuch den Abstand zum Loch zu berechnen oder führen Buch über sämtliche Wölbungen im Boden an wichtigen Stellen“, berichtet Otto Förtsch. Die Sportart sei auch etwas für Strategen. Das Vereins-Urgestein dagegen begnügt sich auf seinen wöchentlich zwei bis drei Runden zu je vier bis fünf Stunden damit, sein Handicap zu halten. „Beim Golf ist die Kondition sehr wichtig, um die Konzentration beizubehalten. Das fällt im Alter schwerer, wenn auch die Muskulatur schwächer wird.“

Trotzdem entspricht die Mitgliederstruktur in Kanndorf (circa 560 Mitglieder) dem bundesdeutschen Durchschnitt. „Bei den Damen liegen wir ungefähr bei 57 Jahren, bei den Herren um die 53“, erklärt GC-Vorsitzender Joachim Haas und weiß freilich um das Rentner-Image der Szene. Ein verstärktes Angebot für Kinder- und Jugendliche werde jedoch gut angenommen: „Das Problem ist die Generation dazwischen, die erst gegen Ende ihres Berufslebens wieder die Zeit zum Golfen hat.“ Finanzielle Sorgen haben sie in Kanndorf keine, obwohl der Unterhalt — allein die Neuanschaffung eines Mähers kann mit bis zu 70 000 Euro zu Buche schlagen — mit immensen Kosten verbunden ist. „Schon immer haben wir mit unserer Kasse diszipliniert Haus gehalten“, sagt Otto Förtsch. Der Betrieb wird komplett durch die Mitgliedsbeiträge (einfacher Monatsbeitrag zwischen 112 und 135 Euro) gedeckt. „Und die haben wir seit Jahrzehnten nicht erhöht“, berichtet er stolz. In den späten 1980ern habe man goldene Rücklagen bilden können, als der Erfolg des deutschen Profis Bernhard Langer einen Golf-Boom im Land auslöste.

Bierwetten sind normal

Nicht nur die Bewegung an der frischen Luft, auch die Geselligkeit zeichnet die Sportart nach Meinung von Otto Förtsch aus. Auf dem Platz werde im Umgang großer Wert auf eine vornehme Etikette gelegt, wie zum Beispiel beim Durchrechen der Sandbunker nach Benutzung. Aber bitterernst geht es nicht immer zu. Allerdings erst hinterher im Clubhaus darf lebhaft über die Partie diskutiert werden und begleichen die Verlierer ihren Wetteinsatz an Bieren. „Das Clubhaus ist das 19. Loch. Mit meiner Frau dort bei Kaffee und Kuchen zu sitzen, ist mir genauso wichtig wie das Spiel“, verrät Förtsch. Von zahlreichen Veranstaltungen und Festivitäten der Vereinsfamilie finden sich in den Jahrbüchern des GC haufenweise Fotos. Allein ein konkretes Programm zum 40. Jubiläum ist noch nicht verabschiedet, immer sind sich die Beteiligten unter dem Dach des Clubhauses nicht grün.

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